Nach monatelangen Verhandlungen verabschiedet das Kabinett die EEG-Novelle. Fazit: Die Industrie profitiert zum Großteil weiter von ihren Privilegien. Kleine und mittelständische Unternehmen sowie Mieter werden zur Kasse gebeten. Eigenverbrauch aus Solaranlagen könnte mit einer Abgabe von 50 Prozent der EEG-Umlage belastet werden.
Die Bundesregierung hat heute die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im Kabinett beschlossenen. Im Interview mit dem ARD Morgenmagazin betont Energieminister Sigmar Gabriel (SDP), dass es gute Chancen gebe, die Strompreise für die Verbraucher bis 2017 stabil zu halten.
Das sehen nicht alle so. Die Neufassung konterkariere die Klimaschutzziele, weil ein Großteil künftiger Betreiber von Solarstromanlagen finanziell mit der EEG-Umlage belastet werden soll, während relevante Teile der Industrie weitgehend von den Kosten der Energiewende befreit werden, selbst wenn sie klimaschädlichen Kohlestrom verbrauchen. Nach den Plänen der Regierung sollen weiter 65 von 170 Wirtschaftszweigen privilegiert bleiben. Dies werde die Energiewende ausbremsen und keinesfalls preiswerter machen, sagt der Branchenverband BSW-Solar.
Das Regierungsvorhaben, künftig kleine und mittelständische Unternehmen sowie Mieter zur Kasse zu bitten, wenn sie ihren Strom umweltfreundlich aus Solaranlagen für den Eigenverbrauch selbst erzeugen wollen, stößt bei der Branche zunehmend auf Widerspruch. „Mit Klimaschutz hat dieses Gesetz kaum noch etwas zu tun. Klimasünder werden großzügig entlastet, Klimaschützer hingegen zur Kasse gebeten. Wer Klimaschutz bestraft, wird wenig später die Energiewende zu Grabe tragen“, sagt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW-Solar). Wie gerichtsfest diese geplanten Belastungen sind, haben der Verbraucherzentrale Bundesverband und der Bundesverband Solarwirtschaft untersucht. Das Ergebnis soll morgen präsentiert werden.
50 Prozent EEG-Umlage auf solaren Eigenverbrauch
Die geplante Kostenbelastung solaren Eigenverbrauchs mit der EEG-Umlage ab dem 1. August 2014 würde nach Angaben der Solarwirtschaft dazu führen, dass sich die Mehrzahl künftiger Photovoltaik-Vorhaben nicht mehr rechne. Folge: Der Photovoltaikzubau würde weiter einbrechen. Auch die Markteinführung weiterer wichtiger Energiewende-Bausteine, der Speichertechnologien und der Elektromobilität, werde durch die geplante Ökostrom-Abgabe massiv behindert, folgert Körnig. Hintergrund: Der Kabinettsentwurf zur EEG-Novelle sieht vor, ab 1. August 2014 den Eigenverbrauch selbst erzeugten Solarstroms in den meisten Fällen mit 50 Prozent der EEG-Umlage zu belasten. Das entspricht derzeit rund 3,1 Cent je Kilowattstunde (kWh). Mieter, die ihren Solarstrom vom Dach des Vermieters beziehen, sollen sogar 100 Prozent der EEG-Umlage zahlen. Das sind 6,24 Cent je kWh. Die Bagatellgrenze für Solaranlagen bis zehn Kilowatt Leistung bleibt allerdings im Gesetz stehen.
Aber nicht nur die Solarbranche sondern auch die Opposition hadert mit der EEG-Novelle. „Das Ziel, die Umlage zu reduzieren verfehlt Gabriel krachend wegen der massiven Ausweitung nicht gerechtfertigter Ausnahmen für die Industrie“, sagt Oliver Krischer, energiepolitischer Sprecher bei Bündnis 90/ Die Grünen. Während die Industrie von der Energiewende profitiere, zahlten die privaten Verbraucher.
Quadratur des Kreises
Die Industrie werde dagegen durch die von Gabriel mit der EU-Kommission verhandelten Regeln mit einer deutlichen Ausweitung der Privilegien beschenkt. Wie Gabriel da die Summe der Ausnahmen reduzieren will, bleibe sein Geheimnis, erklärt Krischer. „Er verspricht nichts weniger als die Quadratur des Kreises. Von sinkender EEG-Umlage keine Spur.“
Morgen, am Mittwoch, plant EU-Kommissar Joaquin Almunía die neuen Leitlinien für Energiebeihilfen vorzustellen. Damit fällt er auch eine Entscheidung über die Ökostromrabatte für die deutsche Industrie. (Niels H. Petersen)