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Refugium für viele Arten

Der IPCC-Sonderbericht über Klimawandel und Landsysteme hat Anfang August 2019 deutlich gemacht, dass Landsysteme die Hauptgrundlage für die Existenz und das Wohlergehen von Menschen bilden, einschließlich der Bereitstellung von Nahrung, Trinkwasser und vielen weiteren Ökosystemleistungen.

Da der Mensch bereits über 70 Prozent der globalen eisfreien Landoberfläche beeinflusst, erscheint es umso wichtiger, mit Freiflächensolaranlagen keine toten, rein industriellen Energieproduktionsflächen zu schaffen, sondern die Rolle dieser Areale im Einklang mit dem Klimasystem zu gestalten.

Beispiele zeigen, dass die bebauten Solarflächen die Artenvielfalt und andere ökologische Prinzipien tatsächlich unterstützen können. Beispielsweise wurde das Solarfeld im niederbayerischen Oberndorf nach dem Weinbergprinzip angelegt.

Das Weinbergprinzip

Der Initiator Andreas Engl hat eine Solarstromproduktion mit Biotopcharakter entwickelt. Begrifflich bezieht er sich dabei auf die römische Weinkultur, die damals auf das Zusammenspiel von Mensch, Pflanze und Tier mit den Faktoren Boden, Wasser und Luft setzte. Konkret wurden in Oberndorf auf die Fläche neben den Solarmodulen Streuobstwiesen, Hecken, Feuchtgebiete, Nistkästen, Trockenmauern und ein Weiher angelegt.

Der Erfolg ist messbar: Es leben auf der ehemaligen Lehmgrube nach letzten Zählungen 189 Pflanzen- und 286 Tierarten, darunter 44 Vogelarten, 14 Wildbienenarten, 73 Spinnenarten und 143 Schmetterlingsarten.

Agrophotovoltaik ist derzeit ein viel gebrauchter Begriff. Er stammt aus einem Projekt des Fraunhofer ISE. Bereits 2015 begannen die Forscher zu untersuchen, wie eine Doppelnutzung von Flächen für die Produktion von erneuerbaren Energien und Nahrungsmitteln möglich ist.

Die Vorsilbe Agro entstammt dem Griechischen. Dort steht Agrós für Acker oder Feld. Die Agrarwirtschaft als Synonym für Landwirtschaft hat sich bei uns längst eingebürgert, der Landwirt als Agrarökonom steht sinnbildlich dafür.

Der Agrarsektor selbst umfasst dabei noch die Forstwirtschaft, die Fischerei und weitere Wirtschaftszweige. Dieser Zusammenhang ist wichtig, da es bei der Agrophotovoltaik um mehr als eine zusätzliche Nutzung zur Photovoltaik geht.

Mehr Ertrag aus der Fläche

Vielmehr wurde in dem Verbundprojekt APV-Resola eine Steigerung der Landnutzungsrate nachgewiesen. Der Ertrag bei der Lebensmittelproduktion stieg dabei auf 160 bis 186 Prozent. Speziell unter dem Aspekt zunehmender Hitzeperioden ist eine durch Photovoltaikmodule erreichte Teilverschattung für die landwirtschaftlichen Ernteerträge von Bedeutung.

Da die Sonneneinstrahlung durch die Module um rund 30 Prozent reduziert wird, sinkt die Bodentemperatur bei gleichbleibender Lufttemperatur. Die Bodenfeuchtigkeit war in den untersuchten Zeiträumen höher, trotz geringeren Niederschlags im Sommer.

Ganz allgemein können schattenliebende Pflanzen unter Solarmodulen sehr gut gedeihen, da Wasserverbrauch und Verdunstung reduziert werden. Eine Variante der Agrophotovoltaik stellen Rangevoltaic-Systeme dar. Dabei werden etwa in Milchviehbetrieben Tiere unter Solarmodulen gehalten. Der Schatten der Solarmodule mindert den Hitzestress der Tiere und verbessert wohl auch deren Milchleistung und -qualität.

Auch Wärme nutzen

Noch nicht verwirklicht, aber nicht minder interessant ist ein vom Hamburg Institut entwickeltes Konzept der solaren Nachbarschafts-Gewächshäuser, Urban Solar Gardening genannt. In dem Fall sind es Solarkollektoren, also wärmeliefernde Solaranlagen, die eine weitere Funktion erhalten. Zwar ist dafür mehr Landfläche nötig, aber so ist beispielsweise die Zucht von Tomaten ein lohnenswerter Ansatz. Nachhaltige, kostengünstige und gemeinschaftliche Selbstversorgung mit frischen Lebensmitteln könnte mit Technologien zur Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energien zusammengeführt werden.

In Solarparks muss der Pflanzenbewuchs in Schach gehalten werden. Zudem ist eine kontrollierte Vegetation für den Brandschutz erforderlich. Auch wenn es Solarparks gibt, die nicht beweidbar sind, kommt für das Kurzhalten des Grünwuchses in den meisten Fällen neben der Mahd eine Schafbeweidung infrage.

Bei dieser meist kostengünstigeren Pflege sind im Gegensatz zur maschinellen Mahd keine Staubentwicklung und Beschädigung der Anlagenteile durch Steinschlag zu befürchten. Nicht zuletzt kann durch die regelmäßige Anwesenheit der Schäfer die Diebstahl- und Vandalismusgefahr deutlich verringert werden.

Schafe zur Grünpflege

Aber auch die Schäfer können profitieren. Eine Dienstleistungsnische entsteht, die Flächenverluste an anderer Stelle zumindest teilweise kompensiert. Für die Schäfer ist es von Vorteil, dass die Solarflächen weder gedüngt noch mit Pestiziden behandelt werden und die Solarflächen als Unterstand und Schutz gegen Hitze und Sturm dienen können.

Der sichere Zaun um die Solaranlage unterstützt den Schäfer zudem beim Herdenschutz. Das wiederum hilft indirekt dem Wolf, der in den letzten Jahren seinen natürlichen Lebensraum in Deutschland und Europa erfolgreich zurückerobern konnte. Denn erschwert man es ihm, sich an wenig geschützten Haustieren zu bedienen, kann seine Integration, die international hohen Schutz genießt, leichter erfolgen.

Das Tierwohl schützen

Ein zentraler Aspekt besteht darin, die beanspruchten Flächen naturnah und ressourcenschonend zu pflegen. Mithilfe einer extensiven Weidehaltung unterstützt der Betreiber in besonderem Maße den Gedanken des Tierwohls.

Dies ist wichtig, denn die öffentliche Wahrnehmung dafür nimmt immer mehr zu. Gerade unter dem Aspekt eines forcierten Ausbaus ist es nötig, für die entsprechende Akzeptanz zu sorgen. Herdenschäfer und Solarparkbetreiber finden immer öfter zusammen. Wenn der Solarschäfer auch einen Blick für die Anlage hat, ist die Kombi perfekt. Den Betreibern sollte bewusst sein, dass ein qualifizierter Schäfer nicht allein wegen des Futters kommt.

Neben der Solaranlage ist aber auch der Boden selbst entscheidend, ob überhaupt eine Beweidung infrage kommt. Da viele Anlagen auf Konversionsstandorten oder auf ehemals landwirtschaftlich genutzten Flächen mit geringer Bodenqualität aufgebaut werden, muss hier teilweise auch am Untergrund etwas getan werden.

So sind etwa Bodenversiegelungen zu entfernen. Im Idealfall kann durch gezieltes Aufbringen von Mutterboden und der Einsaat von regionalspezifischen Pflanzenarten eine deutliche Verbesserung erreicht werden. Ehemalige Ackerböden sind oftmals noch zu nährstoffreich, sie müssen deshalb ausgehagert werden, was beispielsweise in einer sogenannten Ruderalphase mit nährstoffliebenden beziehungsweise -zehrenden Pflanzen geschehen kann.

Beliebt bei Bienen und Insekten

Indem der Bewuchs in Freiflächenanlagen als lokaler Insekten-Hotspot und Bienensommerweide dient, liefern die Anlagen einen erheblichen Beitrag zur Steigerung der Biodiversität. Denn das Insektensterben ist nicht nur ein aktuelles Medienthema, der andauernde Rückgang der heimischen Artenvielfalt und Individuenzahlen ist real und dramatisch.

Noch weniger im Fokus ist die Funktion der Insekten als prägende Landschaftsgestalter. Denn sie dienen nicht nur als Bestäuber, sondern auch als Nahrungsgrundlage für Vögel und Wirbeltiere. Neben den Habitatsverlusten und der Blütenarmut im Hochsommer ist es vor allem die intensive Landwirtschaft mit Monokulturen und Insektiziden, die den Insekten essenzielle Probleme bereitet. Dem kann eine artenreiche Freiflächenanlage, die das Weiden – nicht nur für Bienen, sondern auch für Weidevögel – ermöglicht, entgegenwirken.

Schafe haben wichtige Funktion

Die Schafe haben eine Schlüsselrolle. Sie fungieren als Sameneinbringer. Den folgenden, vielleicht etwas unscheinbar daherkommenden Satz sollte man auf keinen Fall überlesen, denn es ist einiges im Argen in unseren Fluren: Es gibt viel zu wenig Weidetiere in der Landschaft. Dazu gehören neben den Schafen und Ziegen auch die Weidevögel, die mitunter verfälschend als Bodenbrüter tituliert werden. Da es Samen in unserer monokulturellen Landwirtschaft nicht mehr schaffen, sich auszubreiten – zu groß sind die zu überwindenden, pestizidbehandelten Flächen –, müssen Tiere diese Aufgabe übernehmen.

Keine toten Flächen

Der Deutsche Verband für Landschaftspflege (DVL) hat erst kürzlich Leitlinien zu nachhaltigem Insektenschutz veröffentlicht. Dort ist ausdrücklich vermerkt, dass Insektenschutz nicht nur auf die Verteilung von Saatgut und Anlage von Bluhstreifen reduziert werden sollte. Es bedarf, neben mehr Hecken und heimischen Wildpflanzen sowie Totholz, vor allem einer Zunahme an Wiesen und Weiden.

Dazu muss die Attraktivität der flächengebundenen Tierhaltung wieder gesteigert werden. Verschwinden Weidetiere aus der Landschaft, nehmen Hüte- und Wanderschäferei noch weiter ab, dann wird es bei der Verbreitung von Samen und Insekten zu noch größeren Problemen kommen. Weidende Tiere werden deshalb auch als Taxis der Biodiversität bezeichnet.

Zudem können sie die Infektion mit der Lyme-Borreliose durch Zecken eindämmen. Die extensive Schafbeweidung mit niedriger Besatzdichte hilft, die neu geschaffenen Biodiveritätsinseln zu pflegen. Das gilt im Übrigen für Neuanlagen wie auch für Bestandsanlagen.

Freiflächensolaranlagen sind nicht nur für die Energiewende, sondern auch für den Artenschutz von großer Bedeutung. Damit sind ganz bewusst auch Solarthermieanlagen gemeint, die im Bereich der Nah- und Fernwärme hoffentlich auch in Deutschland bald an Bedeutung und Zahl zunehmen werden.

Tote Flächen, auf denen nur Energie produziert wird und ansonsten kaum Leben möglich ist, wären ein Rückschritt.

Beweidung von Solarparks

Technische und bauliche Voraussetzungen

Eine problemlose Schafbeweidung lässt sich durch eine Mindesthöhe der Unterkante der Solarmodule zum Boden erreichen, diese sollte bei Beweidung mit Wirtschaftsrassen 80 Zentimeter betragen. Auch bei unebenem Gelände muss das überall gewährleistet sein. Sind die Paneele zu niedrig, können sich die Tiere verletzen. Außerdem besteht bei zu niedrig aufgehängten Paneelen die Gefahr, dass die Module durch die Schafe beschädigt werden. Dies gilt insbesondere bei Dünnschichtmodulen. Bei mechanischer Belastung kann es schnell zu Brüchen kommen. Falls diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, lassen sich kleine Landschafrassen für die Beweidung einsetzen. Auch die Flacheisen der Trägergestelle können eine erhebliche Verletzungsquelle darstellen. Sie sollten so verbaut sein, dass weder Schafe, Hunde noch Menschen daran Schaden nehmen können. Bei den sogenannten Trackern beziehungsweise Movern sind die Gestelle in der Regel wesentlich höher, sodass eine Schafbeweidung dort problemlos möglich ist.

https://www.lfl.bayern.de/publikationen/

Der Autor

Matthias Hüttmann

ist freier Journalist, Fachbuchautor und Chefredakteur der Zeitschrift Sonnenenergie. Der Schwerpunkt seiner publizistischen Arbeit liegt mittlerweile im Bereich Klimaschutz und Ökologie.

email@pressebuero-huettmann.de

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