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Haut mit 5.000 Zellen

Der Kalte Krieg zwischen den USA und der ehemaligen Sowjetunion hat die Solarindustrie geboren. Im sogenannten Space Race versprach US-Präsident John F. Kennedy am 12. September 1962, rund 50 Millionen US-Dollar in die Kommunikation von Satelliten zu stecken. Und für die brauchte man Solarstrom. Fast genau 50 Jahre ist die erste Mondlandung her. Am 21. Juli 1969 um 3:56 Uhr unserer Zeit betraten Neil Armstrong und Buzz Aldrin den Mond.

Die sogenannte Moon-Speech war ein entscheidender Push für die Photovoltaikforschung. Denn die Preise für Solarzellen waren damals astronomisch, eine Anwendung außerhalb der Raumfahrt auf der Erde sei undenkbar und schlicht nicht bezahlbar gewesen, berichtet John Perlin. Er hat die Geschichte der Photovoltaik in seinem Buch „From Space to Earth“ aufgeschrieben. Im Hauptberuf ist er bis heute Physikprofessor an der Universität von Kalifornien in Santa Barbara.

Bei dem US-Satellitenprogramm Vanguard sollte erstmals das Energiesystem aus Solarzellen gespeist werden. Der kleine Satellit erwies sich für die Wissenschaft als wertvoller als die beiden ersten größeren Sputniks, weil sie aufgrund ihrer Batterieabhängigkeit nach einer Woche im Weltraum verstummten. Der langlebige Transmitter aber ermöglichte es, die Lage von pazifischen Inseln zu identifizieren. Das war im Jahr 1958.

Jeder Satellit verfügte über ein eigenes Moduldesign, jede Mission hatte einen anderen Energiebedarf. Und je mehr Energie ein Ingenieur in ein Modul packen konnte, desto geringer wurde das Ladegewicht für Treibstoff. Das Gewicht war die entscheidende Währung, nicht der Preis für die Konstruktion.

Kosten von 100 US-Dollar pro Watt

Zwischen 1965 und 1971 kosteten Solarzellen noch 100 US-Dollar pro Watt Leitung. Denn auf der anderen Seite war es laut Perlin gerade das „Overengineering“, also die überhöhten Anforderungen der Raumfahrt, die überhaupt keine Fehlertoleranz erlaubte und so kaum eine Preissenkung für die Solartechnik zuließ.

Der Forschungssatellit Azur läutete in Deutschland den Einsatz der solaren Stromversorgung ein. Er wurde am 8. November 1969 von Kalifornien aus ins Weltall geschossen. Die Solarzellen waren auf die Außenhaut des Satelliten geklebt. Der Generator mit 40 Watt Leistung bestand aus 5.000 Zellen mit Maßen von je zwei mal zwei Zentimetern. Modellhaft sind diese Zellen auf einem Prototyp im Möller-Technicon in Wedel ausgestellt, wie Gerhard Kuper bei einer Besichtigung der Ausstellung zeigt. AEG-Telefunken erhielt damals den Auftrag für die Entwicklung und die Lieferung des Energieversorgungssystems. Im Rahmen eines neu geförderten Forschungsprogramms sollte AEG-Telefunken ab 1981 auch eine vollautomatische Fertigung für Solarzellen aufzubauen. Sie bestand aus zwei Schweißmaschinen, einer Vakuumkammer, einer Rahmungsstation sowie einem Messstand. Zudem brauchte man eine Schneidemaschine für die Folien und eine Waschanlage. Am 6. April 1987 begann in Wedel die automatisierte Produktion von Solarzellen. Als Standardgröße wurden Wafer mit zehn mal zehn Zentimetern gefertigt. Die Kosten für ein Watt Leistung fielen auf zehn DM.

Deutschlands erste Serienfertigung

In den 1970er Jahren waren Satelliten im Weltall gut etabliert, während die Aussichten auf der Erde weiter schlecht waren. Eine solare Stromversorgung kam allenfalls für Geheimdienstoperationen des CIA in Betracht. Beispielsweise wurden sie bei Verkehrszählern auf dem Ho-Chi-Minh-Pfad während des Vietnamkrieges angesetzt, schreibt Professor Perlin.

Die erste Ölkrise 1974 war ein weiterer wichtiger Meilenstein. Die Firma Exxon, die damals Esso hieß, teilte auf einer Konferenz 1973 mit, dass ihre neu gegründete Tochter Solar Power Corporation ein Photovoltaikmodul zur Marktreife geführt hatte. Ziel war es, mit anderen Energiequellen auf der Erde konkurrieren zu können.

Dabei half Exxon der Industriechemiker Elliot Bergmann. Sein Team ermittelte, dass Solartechnik ab einem Preis von 20 US-Dollar pro Watt eine erhebliche Nachfrage generieren könnte. Bergmann formulierte es so: „Für eine terrestrische Energieanlage ist entscheidend, wie viele Kilowattstunden man für einen Dollar bekommt.“ Solar Power brachte die Weltraumtechnik gewissermaßen auf die Erde. Sie fertigten monokristalline Siliziummodule für zehn US-Dollar pro Watt und verkauften sie für den doppelten Preis.

In der weltweiten Telefonkommunikation lag ein großes Geschäft für die Photovoltaik. Besonders im australischen Outback. Problematisch bei der Anbindung abgelegener Grundstücke sei eine zuverlässige Stromversorgung, schildert Michael Mack die Situation damals. Er arbeitete als Energietechniker bei Telekom Australia. Bis dahin installierten die Ingenieure meist Dieselgeneratoren oder Windkraftanlagen. Besonders der geringere Wartungsaufwand steigerte das Interesse von Telekom Australia an Solarstrom. Ein Kollege von Mack entdeckte zu dieser Zeit die Photovoltaikmodule des japanischen Elektronikkonzerns Sharp.

Solarzellen dick wie Kekse

Die Solartechnik setzte im Weltraum mit Galliumarsenid auf eine andere Chemie als auf der Erde, berichtet Peter Thiele, Vice President bei Sharp Energy Solutions Europe. Der Grund: Es wurden höhere Effizienzen erzielt bei geringerem Gewicht. „Die höheren Kosten waren für die Weltraumtechnik zweitrangig – bei uns auf der Erde sah das anders aus“, bestätigt auch Thiele. Er erinnert sich an die erste Produktionslinie für Siliziumzellen im Hauptwerk von Sharp. „Die ersten kommerziellen Solarzellen sahen aus wie größere, dickere Kekse. Unser Forschungsleiter war richtig stolz, als er diese in Module packte.“

Ein weiterer früher Hersteller war Philips. Die Niederländer hatten eine eigene Produktion in Australien. Ihre sogenannten RTC-Module waren korrosionsbeständig und hielten starken Temperaturschwankungen stand, sodass sie zur Standardlösung wurden, um Geräte der Telekommunikation Down Under mit Strom zu versorgen.

Der erste solare Massenmarkt

Die Telekommunikation wurde durch die relativ großen australischen Solarprojekte in den 70er-und 80er-Jahren zum größten Abnehmer für Solarmodule. Die Photovoltaik verlor damit den Status als exotische Energiequelle. Die australischen Outbacks ermöglichten den ersten Massenmarkt. Heute ist Australien der größte Markt von privaten Dachanlagen, und der Batteriespeichermarkt für Heimspeicher wächst rasant.

john-perlin.com

Die sowjetische Raumfahrt

Saljut 6 versorgte Sigmund Jähn mit Solarstrom

Der kürzlich verstorbene Sigmund Jähn war der erste Deutsche im Weltraum. Der DDR-Bürger flog am 26. August 1978 mit Sojus 31 zur Raumstation Saljut 6. Auch die Sowjets setzten auf Solarstrom für eine autarke Versorgung. Die sowjetische Raumstation war mit drei Solarpaneelen ausgestattet, die jeweils über 51 Quadratmeter Fläche und eine Spannweite von 17 Metern verfügten. Versorgungsraumschiffe konnten an der Station andocken. Aus diesem Grund waren mit Saljut 6 erstmals Langzeitmissionen möglich.

Ende Juli 1982 stürzte das Raumschiff kontrolliert in den Südpazifik. Sigmund Jähn selbst dagegen kehrte bereits am 3. September 1978 mit Sojus 29 wieder zur Erde zurück. Er blieb danach der Raumfahrt treu – unter anderem als Berater für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Am 21. September 2019 verließ er die Erde gen Jenseits.

www.esa.int

Möller-Technicon

Unterstützer für Solarveteranen gesucht

Mit dem Forschungssatelliten Azur wurde 1969 die Weltraumstrahlung gemessen, dann folgte Helios, die Sonnensonde. Für insgesamt mehr als 100 Satelliten stellte die AEG in Wedel die Stromversorgung her. Der Vorort von Hamburg in Schleswig-Holstein war die Wiege der deutschen Solartechnik. Die Firma Möller beherbergt heute eine Ausstellung in ihrer alten Kantine, die unter anderem die Anfänge der Technik hierzulande zeigt. Möller stellt die Räume kostenlos zur Verfügung. Allerdings braucht die Arbeit der Solarveteranen auch Unterstützer. Ehrenamtliche Mitarbeiter sowie finanzielle Spenden sind gern gesehen und helfen, die Geschichte zu erzählen.

www.stadtmuseum.wedel.de

KURZ NACHGEFRAGT

„Gegen den Vater im Bergbau durchgesetzt“

Sie arbeiten schon seit 1996 bei Sharp. Wie kamen Sie damals in die Branche?

Peter Thiele: Ich bin studierter Elektrotechniker. Genauer gesagt habe ich das Studium Optoelektronik an der Ruhr-Universität in Bochum 1989 abgeschlossen. Licht und Farben haben mich interessiert. Ich wollte unter anderem wissen, warum der Himmel blau ist. Mit dieser Entscheidung musste ich mich allerdings gegen meinen Vater durchsetzen, der im Bergbau gearbeitet hat.

Optoelektronik kombiniert die beiden Themen Optik und Halbleiterelektronik.

Richtig. Solartechnik war somit ein Teil meines Studiums. Während meiner ersten Berufsstation bei Hewlett Packard habe ich mich mit LEDs beschäftigt. Später gründete HP zusammen mit Philips die neue Firma Lumileds. Hier durfte ich auch George Crawford kennenlernen, der die gelbe LED bereits 1972 erfand und später half, eine kommerzielle Version der Glühbirne zu entwickeln. Es war insgesamt spannend zu sehen, wie viele neue Anwendungen durch Halbleiterlaser entstanden sind. Alle Firmen in der Branche haben damals daran gearbeitet, blaues Licht für Displays zu entwickeln.

Richtig. Solartechnik war somit ein Teil meines Studiums. Während meiner ersten Berufsstation bei Hewlett Packard habe ich mich mit LEDs beschäftigt. Später gründete HP zusammen mit Philips die neue Firma Lumileds. Hier durfte ich auch George Crawford kennenlernen, der die gelbe LED bereits 1972 erfand und später half, eine kommerzielle Version der Glühbirne zu entwickeln. Es war insgesamt spannend zu sehen, wie viele neue Anwendungen durch Halbleiterlaser entstanden sind. Alle Firmen in der Branche haben damals daran gearbeitet, blaues Licht für Displays zu entwickeln.

Welches Solarprojekt würden Sie aus heutiger Sicht als wegweisend bezeichnen?

Ein Projekt war in der Tat ein Schlüsselerlebnis für mich: die Eröffnung des dreiteiligen Solarparks Mühlhausen mit insgesamt zehn Megawatt Leistung in der Oberpfalz. Das war 2005 der weltweit größte Solarpark. Projektierer war die Firma Powerlight, die auf unsere Sharp-Module setzte. Zur Eröffnung kam unser Geschäftsführer aus Japan, Tomita Takashi, sowie der mittlerweile leider verstorbene SPD-Politiker und Solarvisionär Hermann Scheer, damals Präsident des Verbands Eurosolar. Seine Rede hat mich nachhaltig beeindruckt, und der Solarpark selbst war der erste Beleg, dass sich mit Photovoltaik Strom in großem Stil produzieren lässt. Der Solarpark Mühlhausen belegte somit den Erfinder des EEG in der Praxis.

Ein Projekt war in der Tat ein Schlüsselerlebnis für mich: die Eröffnung des dreiteiligen Solarparks Mühlhausen mit insgesamt zehn Megawatt Leistung in der Oberpfalz. Das war 2005 der weltweit größte Solarpark. Projektierer war die Firma Powerlight, die auf unsere Sharp-Module setzte. Zur Eröffnung kam unser Geschäftsführer aus Japan, Tomita Takashi, sowie der mittlerweile leider verstorbene SPD-Politiker und Solarvisionär Hermann Scheer, damals Präsident des Verbands Eurosolar. Seine Rede hat mich nachhaltig beeindruckt, und der Solarpark selbst war der erste Beleg, dass sich mit Photovoltaik Strom in großem Stil produzieren lässt. Der Solarpark Mühlhausen belegte somit den Erfinder des EEG in der Praxis.

Das Gespräch führte Niels H. Petersen.

Tipp: Auf unserer Website photovoltaik.eu lesen Sie das komplette Interview mit Peter Thiele.

www.sharp.de

In eigener Sache

Photovoltaik bleibt spannend

Als Reporter kommt man viel rum. Ich darf seit knapp zehn Jahren die Solargeschichte aus nächster Nähe verfolgen. Ob im Technikon in Wedel, in einem Solarpark mit 550 Megawatt in der Mojave-Wüste oder auf einer schwimmenden Anlage in Holland: Photovoltaik ist und bleibt spannend. Es gibt genügend Flächen, die darauf warten, Strom zu erzeugen.

Niels Hendrik Petersen, Redakteur der photovoltaik

Kai Lippert/EWS

„Die Politik sollte der notwendigen Entwicklung nicht mehr im Weg stehen“

Wie ich waren vor mehr als drei Jahrzehnten viele in der Photovoltaikbranche echte Überzeugungstäter, angetrieben von der Hoffnung auf einen Wandel in der Energiepolitik. Sicherheit und Nachhaltigkeit waren dabei die wichtigsten Kriterien. Dass insbesondere die Photovoltaik zum größten Hoffnungsträger einer ökologischen und bezahlbaren Energiewende wird, hat bei den damaligen Preisen allerdings niemand zu träumen gewagt.

Mehr intuitiv folgte die Unternehmensentwicklung bei EWS der Maxime, Partnerschaften über den kurzfristigen Erfolg zu stellen. Nur ein offener und loyaler Umgang mit Lieferanten und Kunden ließ uns die zum Teil brutalen Nachfragesprünge der letzten Jahrzehnte überstehen.

Abgesehen vom stetig wachsenden Beitrag, den die Photovoltaik zur sozial- und umweltverträglichen Energieversorgung leisten wird, sehe ich für Europa und für Deutschland im Besonderen stetig steigende Wertschöpfung in Handel und Handwerk, aber auch in der Softwareentwicklung, der Produktion von Leistungselektronik sowie bei der Herstellung von Produktionsequipment, verbunden mit unzähligen neuen Arbeitsplätzen.

Treiber dieser Entwicklung wird in Deutschland mittelfristig sicher die Sektorenkopplung sein. Mit unserer Expertise im Automobilbau sowie in der Haus- und Energietechnik könnten wir mit Megatrends wie E-Mobilität, Power-to-Heat und Smarthome unsere Rolle als Global Player im Solar(strom)zeitalter sichern.

Von der Politik wünsche ich mir, dass sie der notwendigen Entwicklung nicht länger im Weg steht. Solarstrom ist heute wettbewerbsfähig. Die Generation „Fridays for Future“ setzt der Politik ja endlich klare Ziele. Wer gewählt werden will, muss den Warnungen und Vorschlägen der Wissenschaftler folgen – und zwar nicht nur jeden Freitag.

Kai Lippert ist Gründer und Geschäftsführer des Solarfachhändlers EWS in Handewitt.

www.pv.de

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