Vier Jahrzehnte ist es her, dass sich Pioniere der Solarbranche trafen, um den ersten Interessenverband für Deutschland zu gründen. Damals gab es noch keine Industrie wie heute. Die Idee der Solarisierung wurde von engagierten Technikern, von Forschern und Visionären getragen.
Das erste Energieforschungsprogramm des Bundesforschungsministeriums brachte Konzerne wie AEG und Siemens dazu, die Anwendung der Photovoltaik zu erproben. Bis Mitte der 80er-Jahre waren die Technik der Solarzelle und die Fertigung der Module im Wesentlichen erforscht und entwickelt. Zwischen 1970 und 1984 landete die einstige Weltraumtechnik auf der Erde, in Deutschland vor allem auf der Insel Pellworm: Dort wurde 1983 der erste Demonstrator (300 Kilowatt) aufgebaut. Ab 1990 stockte der Bund die Forschungsmittel deutlich auf, um die Technologie in Schwung zu bringen.
Die Sache nahm Fahrt auf
Mit dem 100.000-Dächer-Programm und später dem EEG nahm die Sache Fahrt auf. Georg Salvamosers Solar-Fabrik in Freiburg, Solarworld, Solaras Sonnenstromfabrik in Wismar, Solon in Berlin, Q-Cells in Bitterfeld und Solarwatt in Dresden markierten den Aufbruch der Solarindustrie in Deutschland, nach den frühen Aktivitäten von Siemens (München), Pilkington (Gelsenkirchen) und Telefunken/AEG (Wedel).
Mit dem EEG ging es rasant aufwärts. Heute sind in Deutschland mittlerweile vier Millionen Solaranlagen installiert, die sauberen Strom oder saubere Wärme liefern. „Die Photovoltaik hat sich in den vier Jahrzehnten von einer Weltraumtechnologie zur günstigsten Stromquelle entwickelt“, resümiert Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW-Solar in Berlin. „Keine andere Energieform verfügt über eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung, kann höhere Zuwachsraten vorweisen und bietet so viel saubere Energie fürs Geld. Das hätten wir ohne den leidenschaftlichen und beharrlichen Einsatz des BSW und seiner Vorgängerverbände sowie unzähliger Weggefährten und Mitstreiter niemals erreicht.“
Die ersten Verbände
Schon 1979 wurde der Verband Mittelständischer Solarindustrie (VSI) gegründet, 1986 in Deutscher Fachverband Solarenergie (DFS) umbenannt. Die erste Vertretung in Berlin war die 1997 gegründete Unternehmensvereinigung Solarwirtschaft (UVS), die 2006 mit dem DFS zum heutigen BSW-Solar verschmolz. 1999 gelang es, das 100.000-Dächer-Programm zu initiieren.
Im Folgejahr kam das EEG in die Welt, übrigens gegen den Widerstand des damaligen Bundeswirtschaftsministers Werner Müller (SPD). „Dieses Gesetz kam aus der Mitte des Parlaments“, erinnert sich Hans-Josef Fell (B90/Grüne), der das EEG damals gemeinsam mit Hermann Scheer (SPD) durch den Bundestag boxte. „Es hatte seinerzeit nur zwölf Paragrafen. Sie brachten die solare Energiewende ins Rollen.“
Die Menschen überzeugen
2004 folgte ein Vorschaltgesetz für das EEG, um die Photovoltaik auch Gewerbekunden schmackhaft zu machen. Diese politische Strategie – maßgeblich durch die Branchenverbände vorgetragen – brachte Milliardeninvestitionen in die Branche. Die Folge: Der Zubau stieg an, die Fabriken wuchsen, die Kosten sanken.
Ganz wesentlich für den Erfolg der Solarbranche in Deutschland waren die Aktionen, die eine breite Mehrheit der Bevölkerung über die Chancen der Solartechnik informierten. Die Woche der Sonne zwischen 2007 und 2017 war Europas größte Kampagne, um Verbraucher zu erreichen. 2013 folgte die Förderung der Stromspeicher, innerhalb weniger Jahre hat sich diese junge Branche zu einem wesentlichen Pfeiler der Energiewende gemausert.
Sprungbrett für neue Dynamik
Mittlerweile stehen alle politischen Zeichen auf einen Ausbau der Photovoltaik in Deutschland, und zwar auf massiven Ausbau. Große Solarparks kommen bereits ohne EEG-Förderung aus, zudem haben die Ausschreibungen die Preise auf unter fünf Cent je Kilowattstunde gedrückt. Der vom BSW-Solar seit 2006 geführte Geschäftsklimaindex der Branche befindet sich Ende 2019 auf einem Allzeithoch – die Aussichten sind optimistisch. Die bisher erreichten Ziele sind das Sprungbrett für eine weitere, dynamische Entwicklung der Solarbranche.
Denn die Zubauraten sind noch immer viel zu niedrig, um die drohende Stromlücke zu schließen. Zudem ist das Hauptproblem der modernen Industriegesellschaft – die hohen Emissionen – noch nicht ansatzweise gelöst. So wird es auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten eines starken Verbands bedürfen, um die unterschiedlichen Akteure der solaren Energiewende mit den politischen Strukturen in Deutschland zu vernetzen. Es geht darum, die Barrieren der Marktentwicklung abzubauen und bürokratische Hemmnisse zu beseitigen.
Dann, nur dann, werden Photovoltaik und Stromspeicher den notwendigen Zubau erreichen – und Millionen Dächer, Fassaden und Grundstücke in den Dienst der Energiewende stellen.
Vier Millionen Solaranlagen bis Ende 2019, das kann nur der Anfang sein. Denn die solare Energiewende ist auch und vor allem ein Wettlauf mit der Zeit.
Erwin Perkonigg/Siemens
„Wir haben mit nichts begonnen“
Mitte der 1980er-Jahre kam ich nach mehrjähriger Tätigkeit für Siemens aus Malaysia zurück. Mein neuer Auftrag lautete: „Beginnen Sie mit Solarmodulen!“
Ich bin studierter Energietechniker und kam in ein kleines Solarteam in München am Frankfurter Ring. Meine Aufgabe wurde es, die Fertigung der Module für Funkanlagen zu realisieren.
So entstand Siemens Solar
Zuerst habe ich die Fertigung von Solarmodulen analysiert und entwickelt. So nahm ich beispielsweise Unterricht in Fensterbau. Modultechnik war großflächige Glastechnik, die Solarzellen hat Siemens damals selbst in Kooperation mit Wacker gefertigt. Wacker lieferte die Siliziumwafer, die Prozessierung (Diffusion) erfolgte bei Siemens. Seit Mitte der 1980er-Jahre gab es eine erste kombinierte Fertigung von Zellen und Modulen in München.
So entstand die Siemens Solar GmbH als Joint Venture aus der Siemens AG und Bayernwerke in München. Wir haben die ersten Module gebaut und getestet und weiter verbessert.
Ladetechnik für Batterien
Die Solarmodule gab es als Kleinspannungsserie mit 15 bis 17 Volt Leerlaufspannung. Das ergab 12,5 bis 14 Volt als optimale Spannung für die Ladetechnik von Zwölf-Volt-Batterien. Die Module mussten immer passen, um den Ladestrom und die Ladespannung für die Batterien zu liefern. Die Module waren robust und haben die große Hitze in der Sahara oder im Orient ausgehalten. Wir fertigten Glas-Laminate, keine Glas-Glas-Module, denn diese wären zu schwer geworden.
Die Marktlage entwickelte sich in den 90er-Jahren schwierig. Die Fabrik in München wurde nicht ausgelastet, auch das Richtfunkgeschäft von Siemens schrumpfte. Ich holte damals den Vertrieb nach München, bin auf Messen gegangen, habe versucht, Architekten zu gewinnen. Damals habe ich die erste Solaranlage mit dem Architekten Rolf Disch in Freiburg gebaut.
Dann stieg Shell ein
Um die Fertigung zu verbessern, haben wir viel mit dem Fraunhofer-Institut in Freiburg kooperiert. Schließlich stieg Shell bei Siemens Solar ein, als Joint Venture.
Später hat Shell die Firma übernommen, das wurde Shell Solar. Ich ging mit zu Shell, was für mich ein großer persönlicher Fehler war. Shell hat zunächst viel Geld investiert, denn der Konzern wollte die Pumpen und Heizstationen seiner Pipelines mit Sonnenenergie versorgen.
Aber dann wurde Shell Solar an Frank Asbeck verkauft, der daraus Solarworld machte. Asbeck wollte günstiger produzieren als die Konkurrenz aus Asien. Kurz vor dem Verkauf der Shell Solar bin ich ausgestiegen und in Pension gegangen.
Große Freude bei der Arbeit
Mir hat die Arbeit gefallen, ich bin stolz darauf. So waren wir beispielsweise bei Fronius, um geeignete Wechselrichter bauen zu lassen. Dann kamen schweizerische Anbieter.
Unsere Anlagen bereiteten große Freude, denn nach zehn bis 15 Jahren wiesen sie nur sehr geringe Degradation von 1,5 bis zwei Prozent auf. Das war eine gute und richtige Technologie, wir haben gute Arbeit geleistet. Wir haben mit nichts begonnen und versucht, es gut und besser zu machen.
Erwin Perkonigg war Leiter der früheren Modulfabrik von Siemens in München.
Kurz nachgefragt
„Wir brauchen viel mehr kreative Ideen“
Wie bewerten Sie die Chancen der Solarwirtschaft für ein Industrieland wie Deutschland?
Joachim Goldbeck: Wir müssen hier bei uns in Deutschland die Produkte und Lösungen der Solarindustrie zur Anwendung bringen und entwickeln. Wenn wir hier die notwendigen Erfahrungen gesammelt haben, können wir sie ins Ausland verkaufen. Die Chancen sind enorm.
Welche Trends unterstützen die solare Energiewende?
Hier gibt es drei Haupttrends. Zuerst gibt es einen wachsenden Strombedarf durch Sektorkopplung. Gleichzeitig müssen veraltete Atom- und Kohlekraftwerke aus politischen und wirtschaftlichen Gründen abgeschaltet werden. Aus diesen beiden Trends ergibt sich eine Stromlücke. In diese stößt der dritte Trend, nämlich die in den vergangenen Jahren sehr deutlich gesunkenen Preise für Photovoltaik. Dadurch ist der Gegenwind aus der Bevölkerung und Teilen der Wirtschaft abgeebbt. In dieser Melange hat Solarenergie heute den höchsten Zuspruch in der Bevölkerung. Weltweit wird die Photovoltaik zur wichtigsten Säule der Energieversorgung. Mit der Kombination von Sonnenstrom, Windkraft und Speichern kann man sogar Dunkelflauten begegnen. Die Solarthermie kann in der Wärmeversorgung sehr große Beiträge leisten, auf Privathäusern sowieso und inzwischen auch in der Fernwärme.
Braucht die Photovoltaik noch finanzielle Förderung durch den Staat?
Große Solarkraftwerke lassen sich bereits ohne Förderung bauen und betreiben. Der Zubau bei den großen Solarparks auf der freien Fläche wird also eigenständig vorangehen. Immer mehr Unternehmen, Banken und Fonds wollen ihre Energieversorgung von Emissionen befreien, indem sie den Sonnenstrom direkt vom Anlagenbetreiber kaufen. Da entsteht eine Dynamik auf politischer, sozialer und wirtschaftlicher Ebene, die ich sehr positiv sehe. Allerdings ist es notwendig, bei uns in Deutschland die Beschränkungen für die verfügbaren Flächen aufzuheben. Auch dass die Ausschreibungen auf maximal zehn Megawatt beschränkt sind, ist nicht mehr zeitgemäß.
Große Solarkraftwerke lassen sich bereits ohne Förderung bauen und betreiben. Der Zubau bei den großen Solarparks auf der freien Fläche wird also eigenständig vorangehen. Immer mehr Unternehmen, Banken und Fonds wollen ihre Energieversorgung von Emissionen befreien, indem sie den Sonnenstrom direkt vom Anlagenbetreiber kaufen. Da entsteht eine Dynamik auf politischer, sozialer und wirtschaftlicher Ebene, die ich sehr positiv sehe. Allerdings ist es notwendig, bei uns in Deutschland die Beschränkungen für die verfügbaren Flächen aufzuheben. Auch dass die Ausschreibungen auf maximal zehn Megawatt beschränkt sind, ist nicht mehr zeitgemäß.
Warum nicht?
Wir müssen viel mehr Photovoltaik zubauen als bislang geplant. Zwar wurde der 52-Gigawatt-Deckel aufgehoben und es wurde ein Zielwert von 98 Gigawatt bis 2030 genannt. Doch auch diese Solarleistung wird bei Weitem nicht ausreichen, die drohende Stromlücke zu decken. Elektrischer Strom wird in der Versorgung mit gewerblicher Wärme und Kälte und in der Klimatisierung eine wachsende Rolle spielen. Hinzu kommen die steigenden Zulassungen bei den E-Autos. Wir rechnen mit 162 Gigawatt Leistungsbedarf bis 2030. Also müssten wir im Jahr mindestens zehn Gigawatt zubauen, nicht nur fünf Gigawatt.
Was folgt daraus?
Wir müssen die Flächenkulisse für Freilandanlagen öffnen und die Genehmigungsverfahren vereinfachen. Der jährliche Zubaukorridor, der die Einspeisevergütung bestimmt, muss entsprechend erhöht werden. Der Eigenverbrauch ist von der EEG-Umlage zu entlasten, ebenso der solare Mieterstrom in den Städten und im Gewerbe. Mieter müssen ja weiterhin die volle EEG-Umlage zahlen. Auch der Handel mit Solarstrom muss einfacher werden, um Sonnenstrom in der Nachbarschaft oder innerhalb eines Gewerbegebiets zu verkaufen.
Das würde völlig neue Geschäftsmodelle erlauben …
Darum geht es. Man könnte virtuelle Strombanken aufbauen, die den Solarstrom von vielen Lieferanten in großen örtlichen Batteriespeichern sammeln. Dazu müsste man eine doppelte EEG-Umlage auf eingespeicherten und ausgespeicherten Strom abschaffen. Das gilt übrigens auch für E-Autos, die bald rückspeisefähig sind. Juristische Hürden behindern Speicher, die an der Primärregelung teilnehmen wollen und dann nicht mehr für die Notstromversorgung genutzt werden dürfen. Wir brauchen viel mehr Freiraum für solche kreativen Ideen, wenn die deutsche Industrie von der weltweiten Energiewende profitieren will.
Sie erwähnten den Wärmesektor. Was müsste dort getan werden, um die Chancen zu nutzen?
Der Austausch von Ölheizungen wurde beschlossen, das ist ein wichtiges Signal. Auch den Einstieg in die Bepreisung von Kohlendioxid sehe ich positiv, auch wenn der Preis viel zu niedrig angesetzt wurde. Wichtig ist die steuerliche Absetzbarkeit von Maßnahmen zur Gebäudesanierung, davon dürfte auch die Solarthermie profitieren.
Welche Motivation treibt Sie, sich immer wieder neu in die politischen Auseinandersetzungen zu begeben?
Ich habe 1998 in der Solarbranche angefangen. Schon damals war ich von der Technologie überzeugt. Ich hatte und habe große Hoffnungen in unsere Branche. Denn ich habe gesehen, wie schnell sich die Photovoltaik entwickelt hat. Wir sind jetzt bereits bei Preisen angelangt, die wir in früheren Studien erst 2040 oder 2050 für möglich gehalten haben. Wir sind mittendrin im Tornado des gesellschaftlichen Umbruchs, der die Welt ein Stück besser machen wird. Das motiviert mich enorm und begeistert mich nach wie vor.
Das Gespräch führte Heiko Schwarzburger.