Ullrich: Österreich setzt mit der Regierungsbeteiligung der Grünen neue Maßstäbe für den Klimaschutz und die Energiewende in ganz Europa. Das Programm ist ambitioniert: Das Land will nicht nur bis 2030 auf 100 Prozent Ökostrom umsteigen, sondern auch bis 2040 klimaneutral werden.
Gewessler: Beides spielt eine wichtige Rolle. Die Photovoltaik muss sich damit verzehnfachen. Das ist ambitioniert, aber weltweit sieht man, dass die Photovoltaik ein großes Potenzial hat. Klar ist, dass unsere Pläne in Abstimmung mit den Branchenvertretern entwickelt werden. Es geht darum, für Bürger und Unternehmer stabile Rahmenbedingungen zu schaffen.
Ullrich: Immerhin stehen schon die ersten Vorhaben fest. Sie haben im Koalitionsvertrag aus dem 100.000-Dächer-Programm der alten Regierung ein Eine-Million-Dächer-Programm gemacht. Das wird nicht ausreichen, um Österreich 2030 komplett mit Ökostrom zu versorgen, ist aber schon ein erster großer Schritt.
Gewessler: Klar ist: Österreich wird nutzen, was da ist, um klimaneutral zu werden. Denn die eigenen Dächer sind Möglichkeiten, wie alle direkt etwas zum Klimaschutz beitragen können – Menschen, die öffentliche Hand, Betriebe. Wir möchten ihnen das erleichtern, damit jeder Eigentümer hier aktiv werden kann. Natürlich werden wir Österreich nicht ausschließlich durch Solardächer komplett mit Ökostrom versorgen. Aber wir werden damit einen erheblichen Beitrag für den Zuwachs an erneuerbaren Energien ermöglichen.
Ullrich: Viele Österreicher haben schon in Anlagen investiert. Der Zubau ist aber abhängig davon, dass die Rahmenbedingungen stimmen.
Gewessler: Schon bisherige Förderschienen haben gezeigt, dass es eine große Nachfrage gibt. Mit unserem Programm werden wir uns darum kümmern, dass die Rahmenbedingungen auf Bundesseite stimmen. Erstens wird diese Bundesregierung mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz stabile Rahmenbedingungen für die Menschen und die Wirtschaft schaffen. Das heißt langfristig planbare Förderungen. Zweitens betrifft das natürlich rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen. Auf Bundesebene werden wir uns ansehen, was da notwendig ist.
Ullrich: Die neue Regierung will genossenschaftliche Konzepte stärken. Dadurch könnte ja die Bürgersolaranlage in Österreich zur Regel werden.
Gewessler: Das werden die Menschen entscheiden. Wir werden jedenfalls alles daransetzen, dass es diese Möglichkeit gibt und sie praxisnah umgesetzt werden kann. Die Menschen wollen etwas beitragen, und wir wollen diese Dynamik bestmöglich unterstützen.
Ullrich: Für das anvisierte Ziel sind auch Speicher notwendig. Da geht Österreich mit der Konzentration auf Quartierskonzepte einen etwas anderen Weg als beispielsweise Deutschland, wo der Heimspeicher im Mittelpunkt steht.
Gewessler: Was Speicher betrifft, sind wir bereits mitten in einem gewaltigen technologischen Umbruch. Speicher werden ein wichtiger Baustein für die Energiewende sein und beispielsweise auch in Quartierslösungen eine Rolle zur lokalen Vernetzung, für Netzdienstleistungen und generell natürlich für die effiziente Nutzung erneuerbarer Energien spielen.