Perowskite: Was genau versteht man darunter?
Rutger Schlatmann: Das ist in der Tat ein sehr spannendes Thema. Die Perowskite sind eine Materialklasse aus der Mineralogie, die eine ganz typische Kristallstruktur aufweist. Ein deutscher Forscher hat sie um 1840 aus Fundstücken aus dem Ural klassifiziert und nach seinem russischen Kollegen Lew Perowski benannt. Die Perowskite, so wie jetzt in der Photovoltaik genutzt, gehören zu den Halbleitern, speziell zu den Verbindungshalbleitern, wie beispielsweise CIGS oder Cadmiumtellurid. Etwa 2009 wurden die Perowskite erstmals als Solarmaterial untersucht, seinerzeit in Japan. Mittlerweile beschäftigen sich weltweit sehr viele Forschergruppen mit diesem Thema.
Welche Stoffe bilden diesen Verbindungshalbleiter?
Es ist ein sehr komplexes Material. In der ursprünglichen Form war es ein Methylammoniumbleijodid, also ein Hybrid aus organischem Methylammonium und Bleijodid, das anorganisch ist. Weil sie Hybride sind, unterscheiden sie sich von CIGS, das rein anorganisch ist. Mittlerweile gibt es eine ganz große Familie von Perowskiten, die zum Beispiel mit Cäsiumbleijodid sogar auch rein anorganische Materialien umfasst.
Welche Eigenschaften der Perowskite werden für Solarzellen ausgenutzt?
Sie haben eine recht große Bandlücke, die man obendrein sehr gut einstellen oder anpassen kann. Die Bandlücke der Perowskite fängt vor allem sichtbares und ultraviolettes Licht ein, also den Anteil im Sonnenspektrum, der höhere Frequenzen und geringere Wellenlängen zeigt. Silizium hat eine feste, eher kleine Bandlücke und Siliziumzellen nutzen auch rotes und infrarotes Licht, um daraus elektrischen Strom zu generieren, lassen aber von dem sichtbaren Licht relativ viel Energie verloren gehen.
Was folgt daraus?
Zum einen sind die elektrischen Spannungen aus Perowskitzellen höher als aus den Siliziumzellen. Allerdings sind die elektrischen Ströme geringer. Zum zweiten erscheint es sinnvoll, hauchdünne Perowskitzellen mit Siliziumzellen in Tandems zu kombinieren, um das Sonnenspektrum möglichst breit und effektiv auszunutzen. Wir arbeiten aber auch daran, die Bottomzelle aus CIGS herzustellen. Silizium und CIGS haben eine ähnliche Bandlücke, die gut zu den Perowskiten passt. An den Perowskit-basierten Tandemzellen forscht bei uns vor allem die Nachwuchsgruppe von Professor Steve Albrecht im Labor „Hysprint“ sehr intensiv.
Also wird es in Zukunft eher keine Einzelzellen aus Perowskiten geben, sondern Tandemzellen?
Das ist der Trend, ziemlich eindeutig, wobei es langfristig nicht notwendig ist, dass die Bottomzelle eine Silizium- oder CIGS-Zelle ist. Die Topzelle, die aus Perowskit besteht, liefert dabei rund zwei Drittel der Leistung, die Bottomzelle aus Silizium, CIGS oder langfristig eventuell auch aus einem Perowskit mit kleiner Bandlücke liefert etwa ein Drittel. In beiden Zellen ist die Stromstärke gleich, da sie elektrisch gekoppelt sind.
Seit wann befassen Sie sich in Berlin mit solchen Solarzellen?
Seit 2012, also recht schnell nach dem Anfang vor zehn Jahren in Japan. Wir haben sehr viel Erfahrung mit CIGS- oder auch mikromorphem Silizium. Das zahlt sich bei solchen Tandemzellen aus. Die Perowskite lassen sich grundsätzlich relativ leicht im Labor herstellen, allerdings gibt es noch eine ganze Reihe Fragen zu klären.
Zum Beispiel?
Die Perowskite müssen beständiger gegen höhere Temperaturen werden. Sonst überstehen sie den Laminierprozess bei der Verkapselung mit der Polymer- beziehungsweise EVA-Folie nicht, der bei 150 Grad Celsius abläuft. Generell müssen wir die Stabilität der Zellen noch verbessern, etwa durch Beimischungen bestimmter Substanzen wie Brom oder hydrophober Moleküle. Und natürlich wollen wir das Blei im Halbleiter verringern oder ersetzen. Auch wenn aufgrund der sehr dünnen Perowskit-Zelle nur sehr wenig Blei in den Solarzellen enthalten ist.
Wie viele Forschergruppen sind am Helmholtz-Zentrum in Berlin damit befasst?
Derzeit sind es die drei Gruppen von Steve Albrecht, Eva Unger und Antonio Abate mit jeweils zehn bis 15 Wissenschaftlern. Hinzu kommen Analytiker, die an verschiedenen Themen arbeiten, und diejenigen Forscher, die sich der Anpassung der Bottomzelle für die Anwendung in den Tandemzellen widmen. Das können CIGS- oder waferbasierte Siliziumzellen sein. Das Schöne ist, dass wir in unseren Laboren die komplette Tandemtechnologie beherrschen, was eine schnellere Entwicklung der Technologie sehr unterstützt.
Welchen Stand haben die Forschungen erreicht?
Im Mai hatten wir eine Laborzelle mit 26 Prozent Wirkungsgrad hergestellt und publiziert. Zwischenzeitlich haben wir schon weitere Schritte in Richtung unseres Langzeitziels von 30 Prozent geschafft, die wir jedoch erst noch weiter bestätigen müssen. Diese Zellen sind stabil. Zwar sind 26 Prozent nicht der Weltrekord, aber wir spielen ganz oben mit. Den Weltrekord hält die Firma Oxford PV, die gerade in Brandenburg an der Havel eine Modulfabrik baut, für 200 Megawatt Jahresausstoß. Oxford PV hat bereits 28 Prozent Wirkungsgrad auf einer nicht spezifizierten Silizium-Bottomzelle geschafft und ist ein wichtiger Kooperationspartner bei unseren Forschungen.
Wo liegt die oberste Grenze für den Wirkungsgrad der Tandemzellen?
Theoretisch sind bis zu 33 Prozent erreichbar mit den heute bekannten Materialien. Rechnet man die Verluste in der Modulfertigung ein, dürften Solarmodule mit Perowskit-Silizium-Tandemzellen deutlich leistungsfähiger sein als Module mit Siliziumzellen.
Sie erwähnten Oxford PV: Wann könnten die ersten Module aus Brandenburg kommen?
Nach Angaben von Oxford PV sollen Ende 2020 die ersten Perowskit-basierten Tandemzellen von den Bändern rollen. Bei den Maschinen arbeitet das Unternehmen eng mit Meyer Burger zusammen. Die ersten Maschinen wurden bereits geordert. Der Zeitplan ist sportlich, aber machbar. Die wesentlichen Prozessschritte sind weitgehend geklärt, nun geht es um die Skalierung in einer Fabrik.
Welche Aufgaben liegen vor Ihnen?
Einige habe ich bereits beschrieben. Auch wollen wir unsere Erkenntnisse von den kleinen Laborzellen nun auf größere Formate übertragen, bis zu M2-Wafern. Die kleinen Zellen stellen wir mit Spincoating her. Das können Sie sich wie einen Schleudertisch vorstellen, beispielsweise beim Töpfern. Für größere Zellen geht das nicht mehr. Dafür könnte man die dünnen Perowskitzellen auf die Siliziumwafer aufdampfen oder sie wie in einem Tintenstrahldrucker abscheiden. Auch daran arbeiten unsere Wissenschaftler.
Die Fragen stellte Heiko Schwarzburger.
Karlsruhe Institut für Technologie (KIT)
Höhere Effizienz durch Tandemzellen aus CIGS und Perowskiten
Der Wirkungsgrad marktüblicher Solarmodule lässt sich nur noch begrenzt steigern. Deutlich mehr Potenzial bietet der Einsatz von zwei lichtaktiven Schichten in Tandemsolarmodulen. Im Projekt „Capitano“ kombinieren Forscher dünne Perowskitzellen mit Halbleitern aus Kupfer, Indium, Gallium und Selen (CIGS). Die Kombination ermöglicht höchsteffiziente Tandemsolarzellen mit einem Wirkungsgradpotenzial von über 30 Prozent. Projektpartner sind das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW), das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und die Firma Nice Solar Energy in Schwäbisch Hall.
Mittlerweile stehen mehrere Varianten von Tandemmodulen zur Verfügung. Beim CIGS-Perowskit-Tandem wandelt die Perowskitschicht sichtbares Licht in Strom um. Die darunterliegende CIGS-Zelle absorbiert das Licht im infrarotnahen Spektrum, das die Perowskitzelle durchdringt.
Das Projekt startete im Juli 2019 und läuft drei Jahre. Der Bund fördert es mit insgesamt rund 5,2 Millionen Euro, davon gehen 2,1 Millionen Euro ans KIT. Ziel ist es, Zellen mit stabilen höheren Wirkungsgraden zu entwickeln, um sie zu Tandem-Solarmodulen zusammenzuschalten. Der Industriepartner Nice soll die Produktion im Industriemaßstab bewerten und die Kosten evaluieren.