Wegen der Coronapandemie ist dieses Jahr von vielen Unwägbarkeiten geprägt. Wie hat Solarwatt die Krise bislang durchgestanden?
Wir hatten uns zum Ende des vorigen Jahres sehr ambitionierte Ziele gesetzt, bis zu 25 Prozent Wachstum. Da war von Corona noch keine Rede. Jetzt sehen wir, dass wir unsere Ziele teilweise deutlich übererfüllen. Obwohl einige Märkte wie Spanien monatelang im Lockdown verharrten, konnten wir diese Einbußen wettmachen und sogar noch einiges obenauf legen.
Können Sie das in Zahlen ausdrücken?
2019 haben wir rund 90 Millionen Euro Umsatz gemacht. Das Ziel für 2020 lag etwa bei 110 Millionen Euro. Wir werden aber wahrscheinlich bis Jahresende die Marke von 120 Millionen Euro knacken. Damit können wir absolut zufrieden sein.
Die Märkte brummen, vielleicht werden es noch mehr …
Die Nachfrage ist höher, aber wir sind in diesem Jahr an die Grenzen unserer Kapazitäten gelangt. Die neue Modulfabrik kommt erst zur Jahresmitte 2021, bis dahin produzieren wir auf Anschlag.
Welche Produkte liefen besonders gut?
Unsere Glas-Glas-Module haben sich sensationell gut verkauft, dort sind wir um über 50 Prozent gegenüber 2019 gewachsen. Auch unser EnergyManager ist mittlerweile zum Standard geworden, bei fast jeder verkauften Anlage ist diese intelligente Verbrauchsoptimierung dabei. Bei den Speichern haben wir unseren Plan erreicht, immerhin.
Wie viele Speichersysteme des My-Reserve haben Sie 2020 verkauft?
Es werden ungefähr 4.000 Systeme sein. Da hätte ich gern mehr Wachstum gesehen. Wir haben zwar ein sehr effizientes DC-System, aber kein AC-System, weder einphasig noch dreiphasig. Wir haben auch keine DC-Batterie zum Anschluss an einen Hybridwechselrichter, können also nur einen Teil des Stromspeichermarktes bedienen So gesehen sind die Verkaufszahlen gut, aber wir sehen eindeutig, dass wir unsere Produktpalette verbreitern müssen.
Der Markt für stationäre und mobile Stromspeicher ist noch jung, er nimmt langsam Fahrt auf. Wie sehen Sie sich dafür gerüstet?
Abgesehen davon, dass wir weitere Speicherprodukte brauchen, geht es vor allem um Produkte in Industriequalität. Gehen Sie davon aus, dass wir an unseren Hausaufgaben arbeiten. Und man muss die ganze Sektorenkopplung im Angebot haben. Unser EnergyManager ist ein wichtiger Baustein des Gesamtsystems.
Dynamisches Wachstum zu organisieren, wird die vorrangige Aufgabe für die Solarindustrie und die Installateure in den kommenden Jahren. Wie gehen Sie damit um?
Wir haben – trotz Corona – in diesem Jahr mehr als 70 Mitarbeiter neu eingestellt. Die Solarwatt-Gruppe hat nun 460 Mitarbeiter, bis Ende 2020 werden wir über 500 Personen sein. In den schwierigsten Zeiten der Krise waren es gerade 130. Unser Vorteil ist, dass die jungen Leute nach sinnvollen Zukunftsbranchen suchen, sie wollen zu Unternehmen wie Solarwatt. Da haben wir eine Pole Position, was Nachwuchskräfte angeht. Dennoch ist es kein einfaches Geschäft. Beispielsweise Entwickler für die Leistungselektronik zu finden, kann sehr langwierig sein.
Die nächste EEG-Novelle steht an. Wie bewerten Sie den Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier?
Sie betrifft vor allem uns, als Vertreter der deutschen Solarindustrie. Gerade haben wir nach schwierigen Jahren wieder Fuß gefasst. Wir investieren im dreistelligen Millionenbereich. Da kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, warum der Minister neue Bremsen vorschlägt, neue Hürden für die Photovoltaik plant – obwohl breiteste Kreise der Bevölkerung und der Wirtschaft in Sonnenstrom investieren wollen. Wir brauchen weniger Bremsen und mehr Wachstum, keine halbherzigen Gesetze, die uns nur behindern. Wir wollen weg von der Förderung, also muss es einfacher werden.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Die Eigenverbrauchsbesteuerung für Anlagen zwischen 10 und 30 Kilowatt ist nicht nur widersinnig, sondern verstößt wahrscheinlich auch gegen europäisches Recht. Auch die Pflicht zur Ausschreibung von Dachanlagen von derzeit 750 Kilowatt auf 500 Kilowatt oder in einigen Jahren auf nur noch 100 Kilowatt zu senken, ist völlig widersinnig. Unternehmen, die ihre Energiekosten mit Eigenstromversorgung senken und sich für den harten, internationalen Wettbewerb fit machen wollen, werden ausgebremst. Wenn Sie eine Anlage auf Ihr eigenes Dach setzen und den Strom selbst verbrauchen wollen, haben Sie gar nichts von dieser Investition. Sie müssen die Anlage ausschreiben, den Sonnenstrom voll einspeisen, um die Einspeisevergütung zu bekommen, und dann ihren Strom beim Energieversorger teuer zurückkaufen. Das ist hanebüchen!
Solarwatt ist vor allem im Marktsegment der privaten Endkunden unterwegs. Wie stellt sich die EEG-Novelle bei dieser Kundengruppe für Sie dar?
Mindestens ebenso hanebüchen ist die geplante Vorschrift, dass der Solarkunde für jede Anlage ab einem Kilowatt künftig einen teuren Smart Meter braucht. Die Häuslebauer müssen schon heute jede Menge Zettelchen ausfüllen, wenn sie eine Solaranlage installieren wollen. Der bürokratische Aufwand schreckt viele ab, das überfordert die Menschen. Und auch hier sehe ich kein sinnvolles Argument, dass diese Vorschrift begründet. So wird die positive Stimmung in der Gesellschaft und im Markt überhaupt nicht genutzt. Man müsste die Bremsen eher herausnehmen, als neue zu erfinden. (HS)
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