Die klassischen Energieversorger sind noch nicht innovativ genug bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Bisher hinken sie weit hinter der branchenfremden Konkurrenz hinterher, die schon längst ihre Konzepte für Geschäfte im Rahmen der Energiewende umsetzen.
Die Energieversorgungsunternehmen gehen den Weg in die neue Energiewelt noch zu langsam. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Aachener Beratungsunternehmen BET erstellt hat. „Sie zeigt auf, dass Energieversorgungsunternehmen vor dem Hintergrund eines notwendigen Transformationsprozesses hin zu einem modernen, wettbewerbsfähigen Versorger gleich mit zwei Problemen zu kämpfen haben“, erklären die Autoren der Studie. „Einerseits ist es überaus schwierig, gleichzeitig Innovationen zu entwickeln und alte Strukturen beizubehalten. Andererseits ist in den Unternehmen, anders als bei branchenfremden Wettbewerbern, die Aufbruchstimmung noch nicht stark ausgeprägt.“
Innovationsfähigkeit getestet
Um die Innovationsfähigkeit der Energieversorger zu überprüfen, haben die Aachener Analysten zwischen 1. September und 30. November dieses Jahres und Führungskräfte und Mitarbeiter von 75 Unternehmen der Branche befragt. Die Fragen bezogen sich dabei darauf, ob die teilnehmenden Energieversorger organisatorisch innovativ genug aufgestellt sind, um mit der Energiewende Schritt zu halten. Dazu haben die Aachener die typischen hemmenden und fördernden Faktoren der Innovationsfähigkeit von Energieversorgungsunternehmen abgefragt. „Unabdingbar für eine Transformation zum ‚Versorger Plus‘ sind aus unserer Sicht eine innovationsförderliche Unternehmenskultur und die Fähigkeit von Energieversorgungsunternehmen, ihre Organisation innovativ aufzustellen“, betonen die Aachener Analysten von BET. Das Konzept dieses „Versorgers Plus“ ist ein Projekt von BET. Dabei geht es um den erforderlichen Transformationsprozess innerhalb der Unternehmen und um die Entwicklung von innovativen Geschäftsmodellen, mit denen EVU in Zukunft Geld verdienen können. Die Aachener Forscher berücksichtigen dabei neben der Flexibilisierung des Energiemarkts auch Trends wie Digitalisierung, Dezentralisierung und veränderte Mobilitätsmuster.
Branchenfremde Anbieter haben die Nase vorn
Das Ergebnis ist durchwachsen. Knapp 90 Prozent der Führungskräfte der Unternehmen, die an der Studie teilgenommen haben, bestätigen, dass diese strukturellen Innovationen ebenso wie neue Geschäftsmodelle für die Branche zentral sind. Doch die klassischen Energieversorger wie Stadtwerke oder überregionale Anbieter hinken den branchenfremeden Wettbewerber noch hinterher. Um sich gegen solche branchenfremden Konkurrenten behaupten zu können, müssen sich die Versorgungsunternehmen dringend zu modernen Energiedienstleistern weiterentwickeln. Sonst werden sie das Nachsehen bei der Energiewende haben. „Wir empfehlen, spätestens jetzt damit zu beginnen, eine Atmosphäre des Aufbruchs zu kreieren, entschlossener, mutiger und schneller zu werden und ihren Innovationsprozess aktiv anzugehen, um sich als ‚Versorger Plus‘ zu positionieren“, schreiben die Experten von BET.
Denn während die Politik noch diskutiert, ob und wie Verbraucher belohnt werden sollen, die flexibel auf Schwankungen in der Energieerzeugung reagieren, entwickeln bisher branchenfremde Akteure bereits Ansätze, um die Last der Industrie und von Haushalten zu dynamisieren und auf diesem Wege ein Smart Grid zu erschaffen. „Der kleinteilige Wettbewerb um neue Geschäftsmodelle ist bereits im vollen Gange“, beschreiben die Aachener Berater die Situation. Wenn die klassischen Energieversorger überleben wollen, müssen sie sich dringend damit beschäftigen, wie sie ihre Kunden halten und neue Geschäftsmodelle ausarbeiten. (Sven Ullrich)