Frau Immitzer, wie hat sich der österreichische Photovoltaikmarkt im letzten Jahr entwickelt?
Vera Immitzer: Wir kommen aus einem relativ stabilen Markt. Wir rechnen für das letzte Jahr mit 200 bis 220 Megawatt Zubau. Im Jahr 2017 hatten wir 170 Megawatt.
Worauf führen Sie dieses Marktwachstum im vergangenen Jahr zurück?
Das war das erste Jahr, in dem bei der Tarifförderung der Eigenverbrauch abgezogen und die Anträge nach diesem gereiht wurden. Allein dadurch kann man etwa 40 Prozent mehr Solaranlagenleistung fördern, ohne dass es zusätzlich etwas kostet. Es war auch das erste Jahr, in dem es eine zusätzliche Investitionsförderung für Photovoltaikanlagen bis 500 Kilowatt Leistung und Stromspeicher gegeben hat. Hier rechnen wir mit einem Zubau von zusätzlichen 40 Megawatt.
Spielen in Österreich auch die niedrigeren Anlagenpreise eine Rolle?
Das hat sich auf den Jahreszubau eher marginal ausgewirkt.
Die Rahmenbedingungen werden sich in diesem Jahr nicht verändern. Rechnen Sie deshalb mit der gleichen Nachfrage wie im vergangenen Jahr?
Es gibt wieder die beiden österreichweiten Förderrunden. Wir sind zuversichtlich, dass auch die Förderung für Kleinanlagen durch den Klima- und Energiefonds fortgesetzt wird. Insgesamt rechnen wir aber mit einem Marktwachstum von etwa zehn Prozent.
Wie kommt ein solches Marktwachstum trotz gleicher Rahmenbedingungen zustande?
Weil einerseits die Einspeisetarife gesunken und andererseits die Marktpreise für Strom gestiegen sind. Denn wenn der Marktpreis steigt, sinkt gleichzeitig der Förderbedarf pro Kilowatt Leistung, weil der Marktpreis vom Förderbedarf abgezogen werden kann. Dadurch können mehr Anlagen mit denselben Mitteln gefördert werden.
Welche Entwicklungen werden wir in Österreich jenseits der geförderten gewerblichen und privaten Anlagen sehen?
Dieses Jahr wird sich hoffentlich im Bereich der Gemeinschaftsanlagen mehr tun. Die ersten Pilotprojekte sind im letzten Jahr schon entstanden. Da hat man Erfahrungen gesammelt, was funktioniert und wo noch der Schuh drückt. Außerdem haben solche Projekte einen längeren Planungshorizont, sodass in diesem Jahr Anlagen gebaut werden, die im vergangenen Jahr geplant wurden.
Die Nachfrage nach solchen Gemeinschaftsanlagen steigt also in diesem Jahr?
Wir hatten einen Workshop mit Projektentwicklern und Netzbetreibern, um zu analysieren, was funktioniert und was man weiter optimieren muss auch im Zuge des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes, das im nächsten Jahr in Kraft treten soll. Da waren die Teilnehmer sehr zuversichtlich. Die Regierung hat ja auch schon angekündigt, die Rahmenbedingungen verbessern zu wollen. Aber es gibt noch viel Optimierungspotenzial.
Welche Änderungen hat die Regierung in diesem Bereich bereits angekündigt?
Ab 2020 soll der Anlagenbetreiber alle Abnehmer innerhalb eines Trafokreises versorgen können. Das heißt, dass dann auch Stromlieferungen aus Gemeinschaftsanlagen über die Gebäudegrenzen hinaus möglich sind. Das ist ein Anfang. Aber innerhalb eines Trafokreises reicht nicht überall aus. Denn viele Unternehmen haben einen eigenen Trafo, und dann kommen sie nicht über die Gebäudegrenzen hinaus.
Reicht der Zubau, um das 100-Prozent-Ziel zu erreichen?
Nein. Wenn Österreich sich komplett aus erneuerbarem Strom versorgen will, brauchen wir 15 Gigawatt Solarstromleistung. Aktuell haben wir 1,5 Gigawat, also ein Zehntel davon. Das heißt, wir müssen in den nächsten elf Jahren 13,5 Gigawatt zubauen. Wenn man den jetzigen Zubau fortsetzt, kommen wir auf ein wenig mehr als vier Gigawatt. Um diese Lücke zu schließen, muss die Regierung die Rahmenbedingungen verbessern. Dazu hat sie ja Anfang Dezember 2018 die ersten Eckpunkte für eine Veränderung der Regelungen vorgelegt. Das ist eine Grundlage, mit der wir arbeiten können. Aber an einigen Punkten gibt es noch deutlichen Verbesserungsbedarf.
Welche Punkte haben Sie da im Blick?
Zunächst muss endlich die Strafsteuer für selbst verbrauchten Solarstrom weg. Diese Eigenverbrauchsabgabe von 1,5 Cent pro Kilowattstunde macht einen ziemlich hohen Anteil an den Stromkosten aus, weil wir in Österreich einen relativ geringen Strompreis haben. Damit hat sie einen großen Einfluss auf den Markt für gewerbliche Anlagen. Die Regierung plant allerdings, die Eigenverbrauchsabgabe erst im Zuge der Steuerreform abzuschaffen. Die ist für 2022 angedacht.
Das ist ja noch lange hin, oder nicht?
Wir müssen jetzt noch drei Jahre darauf warten. Vor allem gibt es keinen Grund, die Eigenverbrauchsabgabe zu behalten. Denn sie spült ohnehin nicht viel Geld in die Steuerkasse. Um den Markt für größere Anlagen zu beleben, schlagen wir außerdem noch eine Solarverpflichtung für Einkaufszentren und öffentliche Gebäude vor. Auch die Förderung von Solaranlagen in der Landwirtschaft – also die Kombination von Strom- und Nahrungsmittelproduktion – ist noch kein Bestandteil des Eckpunktepapiers.
Wie wird die künftige Förderung aussehen?
Die Regierung will die Investitionsförderung nur für Anlagen bis 250 Kilowatt. Alles darüber hinaus soll mit einer versteigerten Marktprämie vergütet werden. Hier schlagen wir vor, dass für Anlagen bis 500 Kilowatt die Wahlfreiheit zwischen Investitionszuschuss und Marktprämie bestehen soll. Anlagen mit großem Eigenverbrauch könnten die für sie vorteilhaftere Investitionsförderung bekommen. Für Gebäude wiederum, wie beispielsweise Lagerhallen ohne Eigenverbrauch, könnte man die Marktprämie wählen. Damit wird für jede Anwendungsart die optimale und damit effizienteste Förderung angeboten und ein Investitionsanreiz geschaffen.
Soll der Investitionszuschuss weiterhin ein Mal pro Jahr vergeben werden?
Nein. Das Wichtigste, was wir brauchen, ist Kontinuität bei der Förderung, damit das Gewerbe laufend ausgelastet ist, damit Bürger und Investoren laufend ihre Anlagen planen und einreichen können. Dass man immer wieder monatelang warten muss, bis eine neue Förderrunde beginnt, ist schädlich für die Branche. Deshalb schlagen wir vor, dass das jährlich verfügbare Förderbudget quartalsweise aufgeteilt zur Verfügung steht.
An welchen Punkten müsste da die Regierung noch nachsteuern?
An der Anpassung der Abschreibedauer, der Anpassung der Mehrwertsteuer und an der Ausfallhaftung müsste die Regierung noch arbeiten. Parallel werden wir auch das Gewerbe und die Industrie brauchen, die die Anlagen installieren. Um von einem Zubau von 220 Megawatt auf einen Zubau von 1,5 Gigawatt am Ende der Laufzeit zu kommen, brauchen wir viele Elektriker und Solarteure, die das qualitativ gut verbauen können. Deshalb muss die Ausbildung der Fachkräfte ein Schwerpunkt sein.
Wie sollte die Abschreibungsdauer angepasst werden?
Die ist aktuell auf 20 Jahre angelegt. In Zukunft sollte sie flexibel sein. Unternehmen sollten wählen können, ob sie die Anlage über 20 Jahre abschreiben möchten oder nur über zehn Jahre. Denn oft hat es für Betriebe einen wirtschaftlichen Vorteil, schneller abzuschreiben. Das kostet nichts, bringt aber Vorteile. Auch Privatpersonen sollten die Kosten für die Photovoltaikanlage mit in ihren Steuerjahresausgleich nehmen können.
Sie haben ein Strategiepapier veröffentlicht. Darin stehen konkrete Fördersätze. Die werden in der Regel angepasst an die Anlagenpreise. Ist das ein Durchschnittspreis oder ein Einstiegspreis?
Die Vorschläge sind erst einmal Einstiegspreise aufgrund der aktuellen Situation für die nächsten zwei Jahre. Sie müssen aber laufend an die Marktbedingungen angepasst werden. Wenn sich der Strompreis oder die Anlagenpreise ändern oder zusätzliche Kosten anfallen aufgrund des Netzanschlusses, müssen in den neuen Förderrunden die Zuschüsse sowohl nach oben als auch nach unten korrigierbar sein.
Das Gespräch führte Sven Ullrich.
Vera Immitzer
ist seit Anfang dieses Jahres Geschäftsführerin des Bundesverbandes Photovoltaic Austria. Zuvor war sie Generalsekretärin des Branchenverbandes. Begonnen hat Immitzer beim Fachnetzwerk Energiekommunikation, wo sie sich eingehend mit der Gestaltung der Rahmenbedingungen für die Photovoltaik in Österreich beschäftigt hat.