In Radolfzell am Bodensee haben Bauherren einen 34 Meter hohen Wasserturm in ein Nullenergiehotel verwandelt. Die Energieversorgung des 2017 in Betrieb gegangenen Gebäudes erfolgt über 1.000 Photovoltaikmodule, 54 Quadratmeter Solarthermie und eine kleine Windenergieanlage auf dem Dach. Im Keller arbeitet eine Wärmepumpe.
Die sehr gute Dämmung sorgt für geringen Heizbedarf. Das Monitoring des vergangenen Jahres hat nun die hervorragende Energiebilanz des Hotels bestätigt.
Sehr geringer Verbrauch
Die Gebäudetechnik verbraucht mit 31 Kilowattstunden Strom pro Quadratmeter und Jahr nur rund 45 Prozent des vor Ort produzierten Ökostroms. Die Emissionen von Kohlendioxid liegen dank der ausschließlichen Nutzung selbst erzeugter erneuerbarer Energien und der geringen Verbrauchswerte bei null.
Auf das vorbildhafte Sanierungsprojekt mit seinem hohen Nutzerkomfort weist Zukunft Altbau hin, das vom Umweltministerium in Baden-Württemberg geförderte Informationsprogramm.
Ein interessierter Architekt
Bereits mit 17 Jahren interessierte sich Norman Räffle für den alten Wasserturm in Radolfzell. Nach Lehre und Studium wagte er sich im Jahr 2008 schließlich an den Umbau des außergewöhnlichen Gebäudes. Gemeinsam mit Vater, Mutter und Bruder und den Mitarbeitern einer eigens für das Projekt gegründeten Baufirma wollte der Architekt dem alten Turm neues Leben einhauchen.
Eine Vision wird Wirklichkeit
In der achtjährigen Umbauphase hat das Team die unterschiedlichsten Arbeiten ausgeführt. Dazu gehörten Tiefbau, Abbruch, Rohbau, Fassade und Dämmung, Fenstermontage sowie die Heizungs-, Sanitär- und Elektroarbeiten.
Einfach war die Sanierung nicht. „Für den komplexen achteckigen Baukörper mussten wir einige Speziallösungen erfinden, um das Gebäude mit Passivhaustechnologie auszustatten“, sagt Planer Norman Räffle.
Sonnenschutz integriert
Da es beispielsweise zur Zeit der Sanierung keine geeigneten Passivhausfenster für Hochhäuser gab, entwickelte Räffle mit einem Fensterhersteller Doppelfenster mit einer Holz-Alu-Konstruktion: außen zweifach und innen dreifach verglast, mit einer speziellen Zwischenraumbelüftung über Thermoschieber.
In diesen Zwischenraum ist der Sonnenschutz integriert – außen angebracht würde er durch die stärkere Windlast in der Höhe rasch beschädigt werden. Beim Umbau legten die Bauherren zudem großen Wert auf ökologische Maßnahmen. So erfolgte die Dämmung der Fassade und des Daches mit Steinwolle in Stärken zwischen 20 und 36 Zentimeter. Die Kellerdecke erhielt eine Steinwolledämmung mit 20 Zentimetern Stärke.
Für frische Raumluft sorgen dezentrale Lüftungsanlagen. Diese verfügen über eine Wärmerückgewinnung mit mehr als 90 Prozent Effizienz und Feinstaub- sowie Pollenfilter. Damit gelingt ohne nennenswerte Energieverluste der kontrollierte Austausch von verbrauchter Luft gegen frische, saubere und sauerstoffreiche Außenluft.
Der umgebaute Turm verfügt über ein innovatives Energiesystem aus Sonnen- und Windenergie sowie Geothermie. Zur Nutzung der Sonnenenergie wurden CIS-Module mit einer installierten Leistung von fast 70 Kilowatt windsicher und wärmebrückenarm befestigt.
70 Kilowatt Sonnenkraft
Die thermischen Solarkollektoren sind an einen Wärmespeicher gekoppelt und decken rund 45 Prozent des Heizwärmebedarfs sowie 80 Prozent des Warmwasserbedarfs. Der restliche Energiebedarf wird mit einer Wasser-Wasser-Wärmepumpe gedeckt.
Eine kleine Windkraftanlage mit 5,5 Kilowatt installierter Leistung auf dem Dach und ein Stromspeicher ergänzen das Energiekonzept. Bei seiner Fertigstellung war das Hotel das weltweit erste Hochhaus mit Passivhaustechnologie, das mindestens so viel Energie erzeugt, wie es für die gesamte Gebäudetechnik benötigt.
5,5 Kilowatt Windkraft vom Dach
So liegt der Stromverbrauch zur Beheizung des Gebäudes, für Warmwasser, Kühlung, den Betrieb von Lüftung, Aufzug, Pumpen und für den Hilfsstrom bei 31 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr. Ihm stehen 48 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr vor Ort produzierten Ökostroms gegenüber.
Inklusive Wellness, Küche und Elektroladestationen liegt der Gesamtenergiebedarf des Hotels bei 58 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr. Durch diverse Optimierungsmaßnahmen wurde er in den ersten Monaten dieses Jahres um 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesenkt. Verstetigt sich die Tendenz im Jahr 2019, erreicht das Gebäude auch unter Einbeziehung dieser zusätzlichen Energieverbrauchsposten eine ausgeglichene Energiebilanz beim Gesamtverbrauch.
Nachhaltige Innenausstattung
Auch bei der Innenausstattung legten die Bauherren Wert auf regionale Wertschöpfung und ökologische Materialien, wie Holz, recycelte Holzwerkstoffe, Natursteinböden sowie Kalk- und Tonputz. Letzterer besteht aus natürlichen Rohstoffen und verbessert die Behaglichkeit und Luftqualität durch seine Eigenschaften wie Schad- und Geruchsstoffabbau sowie seine antistatische Wirkung.
Der Turm verfügt außerdem über den sparsamsten Wasserhahn der Welt, der den Wasserverbrauch auf nur 0,7 Liter pro Minute reduziert. „Familie Räffle ist ein einzigartiges Bauwerk mit energetischem Vorbildcharakter gelungen“, lobt Frank Hettler von Zukunft Altbau. „Man kann die Bauherren für das entstandene Plusenergiehotel mit hervorragender Ökobilanz nur beglückwünschen.“
Steckbrief
Sanierung des Wasserturms in Radolfzell zum modernen Hotel
- Dämmung von Fassade, Dach und Kellerdecke,
- fünffach verglaste Verbundfenster als Alu-Holz-Konstruktion mit Sonnen- und Blendschutz sowie passiver sommerlicher Hinterlüftung,
- Lüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung,
- Photovoltaik, Windkraft, Solarthermie, Wasser-Wasser-Wärmepumpe mit Saug- und Schluckbrunnen, Fußbodenheizung mit Einzelraumregelung,
- CO2-optimierte Materialien wie Zement mit großem Hüttensandanteil, Steinwolledämmung, CIS-Dünnschicht-Solarmodule, Holzfenster mit Aludeckblende, Tonputz, Recycling-Holzbaustoffe und Wandtapeten,
- Mess- und Regelungstechnik über frei programmierbare Heizungs- und Kühlregler, Energieverbrauchserfassung über Impulszählung.
Ergebnisse des Monitorings
Komfort steigt, Kosten sinken
- Hotelgäste profitieren ganzjährig von Komfort und Wohlfühlklima,
- Stromverbrauch Gebäude: 30,65 kWh/m²a,
- Eigenerzeugung Strom: 47,95 kWh/m²a,
- Gesamtstromverbrauch: 58,40 kWh/m²a,
- CO2-Emissionen liegen bei nahezu null kg/m²a
- unsanierte Gebäude verursachen 35 bis 75 kg/m²a.
Zukunft Altbau
Informationen für Bauherren und Unternehmer
Zukunft Altbau informiert Wohnungs- und Gebäudeeigentümer neutral über den Nutzen einer energetischen Sanierung und wirbt für qualifizierte Gebäudeenergieberater. Das vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg geförderte Informationsprogramm berät gewerkeneutral, fachübergreifend und kostenlos. Baufachleute finden bei ihm Weiterbildungsangebote, Kontaktmöglichkeiten mit Kollegen und Informationen für ihre Kunden. Zukunft Altbau hat seinen Sitz in Stuttgart und wird von der KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg umgesetzt.
Informationen gibt es kostenfrei über das Beratungstelefon von Zukunft Altbau (08000) 12 33 33 oder per E-Mail: beratungstelefon@zukunftaltbau.de