Wer sich auf dem Gelände der Firma Mossau Energy in Aurich umschaut, realisiert sofort: Hier arbeiten Tüftler und Innovatoren. Verschiedene Typen von Kleinwindanlagen rotieren hektisch im Wind, auf allen Firmendächern prangen Photovoltaikmodule. Das eigentliche technische Highlight verbirgt sich jedoch in einer schmucklosen Wellblechhütte neben dem Hauptgebäude: der Blue Hamster, eine Eigenentwicklung von Mossau Energy, mit dem sich Hausbesitzer und Firmen komplett von Stromlieferungen unabhängig machen können.
In der Wellblechhütte kontrolliert Helmut Janßen den Betrieb des Systems. „Wir haben hier eine Insellösung installiert, die eine vollständige Eigenversorgung mit erneuerbaren Energien ermöglicht“, erklärt der Entwicklungschef von Mossau Energy. Gespeist wird die Referenzanlage mit selbst gewonnenem Solarstrom vom Betriebsgelände. Ein Teil davon wird in einen Blei-Gel-Akku abgezweigt, damit Energie auch dann zur Verfügung steht, wenn die Sonne nicht scheint.
Blue Hamster kann aber noch mehr, als den Sonnenstrom nur kurzfristig zu speichern. Bei gängigen Eigenverbrauchslösungen werden Überschüsse ins öffentliche Stromnetz eingespeist, wenn der Akku voll aufgeladen und der Energiebedarf gedeckt ist. Beim Blue Hamster hingegen wandelt ein integrierter Elektrolyseur die Überschüsse in Wasserstoff um. Dieser kann dauerhaft in speziellen Tanks gelagert und bei Bedarf über eine Brennstoffzelle wieder in Strom zurückverwandelt werden.
Nach dreijähriger Entwicklungszeit im firmeneigenen Labor hat Mossau Energy den Blue Hamster im Herbst vergangenen Jahres auf den Markt gebracht. Erhältlich ist er in verschiedenen Leistungsklassen sowohl für Privathaushalte als auch für Gewerbebetriebe. Derzeit ist das System wegen des relativ hohen Kaufpreises ab 50.000 Euro für die „kleine“ Lösung für Haushalte mit bis zu 5.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch zwar noch kein Verkaufsschlager. Bisher wurde erst eine Anlage für 25.000 Kilowattstunden Bedarf verkauft, an einen Folienproduzenten im Westerwald.
Mehr als ein Solarakku
Dennoch ist Janßen vom Erfolg der Entwicklung überzeugt: „Die Menschen wollen Energieautarkie erreichen, denn sie sind frustriert über die hohen Kosten für Energie, über mangelhafte politische Ansätze und verunsichert über Wechselhaftigkeiten bei der politischen Argumentation. Wenn es uns gelingt, über Nischen auf höhere Stückzahlen zu kommen und so die Kosten zu senken, dann wird der Blue Hamster wesentlich gefragter sein.“
Neue Aufträge kämen Mossau Energy sehr gelegen, denn das vorige Jahr lief für den Solarspezialisten alles andere als erfolgreich. Bei den kleinen und mittelgroßen Dachanlagen, dem Kerngeschäft der Ostfriesen, ging die Nachfrage 2013 deutlich zurück. „Die Menschen sind nicht mehr so investitionsfreudig. Der Trend geht von Anlagen mit 20 bis 30 Kilowatt Leistung zu Kleinstanlagen mit fünf bis sieben Kilowatt“, erklärt Janßen. Entsprechend ist im Vorjahr auch der Umsatz der Firma um 35 Prozent gefallen. Das Geschäft mit Speicherlösungen wie dem Blue Hamster könnte neuen Schwung bringen.
Neue Aufträge kommen gelegen
Krisen wie derzeit sind den Aurichern vorher erspart geblieben. Seit sich Günter Mossau 1995 mit dem Vertrieb und der Montage von Solaranlagen und kleinen Windrädern selbstständig machte, wuchs sein Geschäft stetig. Als 2004 dank der Neuauflage des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) der Photovoltaikboom in Deutschland begann, hatte sich der gelernte Bauingenieur als Solarinstallateur in seiner Region bereits einen guten Namen gemacht. Mossau stellte nun Anlage um Anlage auf – und immer mehr Monteure ein. Bis heute hat sein Unternehmen deutschlandweit rund 1.000 Photovoltaikanlagen mit 15 Megawatt Gesamtleistung installiert, 19 Mitarbeiter sind mittlerweile beschäftigt. Außerdem leistet sich Mossau Energy eine eigene Forschungsabteilung, was für eine Firma dieser Größe eher ungewöhnlich ist.
Doch die Verantwortlichen sind sich bewusst, dass schwierige Zeiten bevorstehen. Die Einspeisetarife für neue Solarstromanlagen sanken in den vergangenen zwei Jahren um 56 Prozent, während die durchschnittlichen Preise für neue schlüsselfertige Solarstromsysteme nur um 25 Prozent reduziert werden konnten. Die Konsequenz: Nur 3.304 Megawatt an Solarstromleistung gingen 2013 neu ans Netz – 57 Prozent weniger als im Jahr 2012. Und der Abwärtstrend setzt sich weiter fort.
Schwieriger Markt
Damit wächst der Druck auf die Installationsbetriebe. Wollen sie ihren Kunden trotz stagnierender Modulpreise weiterhin Systeme anbieten, die sich bezahlt machen, müssen sie die Vergütungsdegression irgendwie abfedern.
Das Problem ist nur, dass die Händler kaum noch Spielraum für Preisnachlässe haben. Manche bestücken ihre Systeme mit günstigen Modulen aus China, um die sinkende Einspeisevergütung zu kompensieren. Aber selbst mit Fernostware dürfte es bald schwierig werden, in Deutschland noch profitable Preise zu kalkulieren.
Auch Mossau Energy stößt mit seiner Strategie allmählich an Grenzen. „Durch das Aufbausystem bringen unsere Photovoltaikanlagen bis zu zehn Prozent mehr Leistung als andere Anlagen“, erklärt Chefentwickler Janßen. Liegt der durchschnittliche jährliche Ertrag in der Region bei 870 Kilowattstunden pro Kilowatt installierter Leistung, erreichen Mossaus Anlagen nach eigener Statistik in der Regel ein Jahresergebnis von mindestens 950 Kilowattstunden.
Breiter aufstellen
Außerdem verkaufen die Auricher ausschließlich europäische Solartechnik, Module des deutschen Herstellers Antaris Solar und Wechselrichter des Schweizer Anbieters Solarmax. „Die Kunden können sich sicher sein, dass der Service stimmt und im Problemfall schnell Ersatzteile verfügbar sind“, sagt Janßen.
Dennoch kommen die Angebote nicht mehr so gut an wie früher. „Durch die Politik und die Medien ist Solarenergie zuletzt stark verunglimpft worden. Das hat bei den Menschen Spuren hinterlassen“, analysiert der Ingenieur. Mossau Energy will sich deshalb breiter aufstellen.
Zum einen bietet die Firma neuerdings auch LED-Leuchten an, die laut Unternehmen bei gleicher Lichtleistung 70 Prozent weniger Energie verbrauchen als Leuchtstoffröhren oder Energiesparlampen.
Zum anderen hat Mossau Energy sein Portfolio um Speicher- und Steuerungstechnologien für den solaren Eigenverbrauch erweitert. Solarstrom lässt sich bereits für weniger als zehn Cent pro Kilowattstunde erzeugen, Haushaltsstrom aus der Steckdose kostet hingegen im Durchschnitt schon 25 Cent, Tendenz steigend. Was liegt also näher, als sich aus einer eigenen Photovoltaikanlage selbst zu versorgen?
Die Auricher haben deshalb Speicher des niederländischen Herstellers Nedap in ihr Programm aufgenommen. Damit sei es möglich, mehr als die Hälfte des erzeugten Stroms für den eigenen Bedarf zu nutzen, erklärt Janßen. Bei Mossau Energy sieht man Solaranlagen mit Akkuspeichern aber nur als eine Übergangslösung. „Auf Messen werden wir von Nachfragen nach Blue Hamster überrannt. Das zeigt uns, dass wir mit der Idee des autarken Hauses genau im Trend liegen“, sagt Janßen. Dann verabschiedet sich der Entwicklungschef zu einem wichtigen Telefonat in sein Büro ins Hauptgebäude. Bei der Speicherung des Wasserstoffs gebe es Herausforderungen, die man besser mit Partnerfirmen aus dem Bereich Kompressoren- und Tanktechnik lösen könne. Eine solche Kooperation will Janßen jetzt anbahnen. Denn das hat sich nicht geändert: Nach wie vor brennt Mossau Energy für die Energiewende.