E in Jahr ist wie ein Quantensprung, sechs Jahre eine kleine Ewigkeit: In der Photovoltaik gelten besondere Gesetze, denn die Innovationen werden im Turbo ausgebrütet. Gerade sechs Jahre ist es her, dass Willi Bihler im Solarzentrum Allgäu zum ersten Mal die solare Kraft-Wärme-Kopplung erprobte. Er suchte einen Weg, die im Sommer überhitzten Photovoltaikmodule zu kühlen. Denn ausgerechnet in der ertragreichsten Zeit des Jahres sinkt der Wirkungsgrad der kristallinen Module ab, um ein halbes Prozent pro Grad Celsius Modultemperatur. „Ihre Leistung sinkt, bei 65 Grad Celsius auf dem Modul immerhin um rund ein Fünftel“, rechnet er vor. „Zuerst habe ich die heißen Module von vorn mit dem Schlauch abgespritzt, aber das brachte keine guten Ergebnisse, weil das Wasser natürlich auch den Lichteinfall störte. Mit Kühlung von hinten hatte ich viel bessere Ergebnisse.“ Die Wärme der stromenden Solarzellen ließ sich von dieser Seite besser ableiten, kühlere Module erzielen höhere Erträge. „Also haben wir von hinten einen Wärmetauscher angebracht, damals noch als Bastelei.“
In die Fertigung investiert
Die Idee eines Hybridmoduls war geboren, das Kraft und Wärme zugleich vom Sonnendach liefert. 2008 erhielt Bihler dafür den Bundespreis, 2009 bestellte er die ersten Maschinen. Will man ein solches Kombibauteil für den Markt fertigen, kommt man mit Basteleien meist nicht weit. „Wir haben den Wärmetauscher dann aus lasergeschweißtem Tiefziehblech gebaut, das mit dem Laminat des Solarmoduls verbunden ist“, erzählt Bihler. „Im Jahr 2010 lief die Produktion an. Damals haben wir die Laminate noch aus China bezogen, weil uns kein deutscher Hersteller beliefern wollte.“
Mittlerweile hat das Solarzentrum rund eine halbe Million Euro in die Fertigung investiert. Der Kunststoffrahmen, der das Laminat mit dem Wärmetauscher verbindet, wird in einer Schäumanlage produziert. Auch die hydraulischen Anschlüsse werden damit hergestellt. Seit Ende 2011 kann Bihler auch die Photovoltaiklaminate selber fertigen. So kauft er nur noch die Zellen ein. „Die Stringer, Laminatoren und die Rahmenbearbeitung haben wir im Haus. Mit der Fabrik können wir im Jahr rund 30 Megawatt Solarlaminate produzieren. Und mittlerweile haben wir schon mehr als 7.500 Module draußen.“ Nur sieben Minuten dauert es, bis ein neues PV-Therm vom Band läuft.
Zwei Fliegen mit einer Klappe
Draußen: Damit meint der Solarpionier die vielen Baustellen, die zwischenzeitlich auch jenseits der deutschen Grenzen zu finden sind. Denn das Wiosun PV-Therm-Modul, so der Markenname, hat sich neue Nischen erobert. Zwar ist der Mehrertrag aus den Solarzellen im Jahresdurchschnitt nur selten so hoch wie in der Spitzenrechnung. „Aber fünf bis zehn Prozent mehr elektrische Leistung sind in unseren Breiten im Jahresdurchschnitt möglich“, wie Willi Bihler sagt. „Die Abwärme ist ideal für Schwimmbäder, die 25 bis 30 Grad Celsius im Wasser brauchen.“
Bisher mussten sich Solarkunden entscheiden: Entweder installieren sie Solarmodule auf dem Dach, um elektrischen Strom zu gewinnen. Oder sie kaufen und bauen thermische Sonnenkollektoren auf, für Warmwasser und die Heizung. Die PV-Thermie-Hybridmodule kombinieren beide Technologien. Das Ergebnis ist eine solare Kraft-Wärme-Kopplung, die in vielen Fällen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen kann.
Denn neben der höheren elektrischen Leistung wirft das Kombimodul unter Umständen eine erstaunliche Hitze ab. „Bis zu 55 Grad Celsius sind machbar, weil der Kollektor immer ungefähr 30 Grad Celsius über der Außentemperatur liegt“, meint Bihler. „Vorausgesetzt, es scheint die Sonne. Das gilt auch im Winter.“ Damit eignet er sich sehr gut für Heizsysteme, die mit geringen Systemtemperaturen auskommen. Mit 50 oder 55 Grad Celsius kann er im Sommer ohne weiteres warmes Wasser erzeugen, quasi als Abfallprodukt der Stromproduktion. Im Winter kann das PV-Therm-Modul die Wärmequelle einer Wärmepumpenanlage thermisch aufladen, bevor der Verdichter im Aggregat die Temperaturen hochtreibt.
In der Quelle von Wärmepumpen
Auf diese Weise erzielen die Wärmepumpen eine viel höhere Effektivität, die sich in der Jahresarbeitszahl ausdrückt. Denn über den Daumen gepeilt, gilt diese Faustregel: Je geringer die Temperaturdifferenz ist, die die Wärmepumpe zwischen Wärmequelle und Wärmenutzung überwinden muss, desto besser und effektiver arbeitet sie.
„Allein für Warmwasser oder eine solare Heizung reicht die gewonnene Energie des PV-Therm-Moduls nicht aus, nicht in unseren Breitengraden“, bekennt Willi Bihler. „In der Übergangszeit und im Winter ist es ideal für Wärmepumpen geeignet.“ Deshalb bietet das Solarzentrum mittlerweile auch eine erdgekoppelte Wärmepumpe an, im Paket mit den Hybridmodulen. Das Aggregat kommt von einem bulgarischen Zulieferer. Die Steuerung wird in Biessenhofen programmiert und an die Wünsche der Kunden genau angepasst. „Dazu benutzen wir einen Regler von der Technischen Alternative, der 16 Fühlereingänge und acht Ausgänge besitzt.“
Angepasste Steuerung
Das Solarzentrum im Allgäu stellt die Kombimodule selbst her, rund 5.000 Module wurden in eigenen Anlagen verbaut. Der Vertrieb läuft über kooperierende Installateure, die im firmeneigenen Schulungszentrum in die Technik eingewiesen werden. Bei größeren Aufträgen sind Bihlers Experten auch vor Ort, damit die Technik richtig eingebaut wird. Denn das PV-Therm muss nicht nur elektrisch korrekt angeschlossen, sondern auch hydraulisch eingebunden werden.
Die Steuerung ist auf die örtlichen Anforderungen einzustellen, das kann nicht jeder Installateur sofort und aus dem Effeff. „Gerade haben wir zwei Campingplätze in Luxemburg ausgestattet“, sagt Willi Bihler. „Denn für Hotels, Campingplätze oder Schwimmbäder bietet sich diese Technik besonders an.“ Eine große Lieferung ging nach Schweden, wo die Allgäuer die Sonnenwärme in tiefe Erdbohrungen leiten, um sie dort im Fels für die eisigen Winter zu speichern. „Dort ist es gelungen, die winterlichen Temperaturen im Gestein auf fünf Grad Celsius anzuheben. Mit zehn Grad Celsius fährt die Sole aus den Sonden dann in das PV-Therm, welches sie mit 20 Grad Celsius an den Verdichter der Wärmepumpe führt.“ Dort werden 240 Kombimodule verbaut, für eine große Wohnsiedlung. Die Sonnenwärme wird über 15 Brunnen in den Fels geführt, aus dem sich eine große Wärmepumpe speist. Zunehmend fragen auch Privatkunden nach den Kombimodulen, denn Eigenverbrauch und Autonomie in der Energieversorgung werden immer wichtiger. „Bei einem Eigenheim kann man bis zu 80 Prozent des Energiebedarfs mit solchen Hybridmodulen abdecken“, rechnet Bihler vor. „Am besten bewährt hat sich die Kombination mit einer Wärmepumpe und Fußbodenheizungen sowie einem kleinen Holzofen, für besonders klirrende Tage.“ Die Wärmepumpe, deren Solekreis durch das PV-Therm geführt wird, deckt die thermische Grundlast ab, sie leitet die Nutzwärme in einen Pufferspeicher. Daraus decken sich der Heizwärmebedarf und der Bedarf für Warmwasser. Fußbodenheizungen kommen mit 35 Grad Celsius im Heizungsvorlauf aus. Das ist für die Wärmepumpe und das PV-Therm viel leichter zu bewältigen, als beispielsweise 65 oder 75 Grad Celsius in einem Heizkörper unterm Fenster.
Im Durchschnitt reichen zwischen 20 und 40 Kombimodule, um ein Einfamilienhaus nahezu autark zu versorgen. Die Fachleute vom Solarzentrum haben aber auch schon viel größere Anlagen aufgebaut. In der Nähe von Rosenheim wurde ein Hotel ausgestattet, dessen Anlage nun eine elektrische Leistung von 250 Kilowatt erreicht. Auf einer Grundschule in Österreich wurden hundert PV-Therm installiert, auf einem Freibad 160 Stück. Bei einem Schulneubau in Fürth wurden die Hybridmodule mit Erdwärmepumpen gekoppelt.
Umfangreiche Tests
Nun will Bihler ein Indachsystem entwickeln. „Denn der Wärmetauscher hinter den Modulen erlaubt es, die Module sehr einfach zu kühlen und die Wärme abzuführen“, erläutert Willi Bihler. „Das ist viel einfacher, als eine aufwendige Hinterlüftung zu konstruieren.“ Im Frühjahr 2014 könnte dieses System auf den Markt kommen.Chancen sieht Willi Bihler zunehmend im Altbau, in der Modernisierung. Allerdings müssen dazu beispielsweise die Kosten für die Bohrungen der Erdsonden für die Wärmepumpen sinken. Sie sind in Deutschland extrem hoch, verglichen beispielsweise mit Schweden.
Das Solarzentrum Allgäu war ein Schrittmacher dieser Technik. Es hat das PV-Therm-Modul vom TÜV Rheinland testen lassen, unter den staubheißen Bedingungen der Wüste von Arizona, in den United Laboratories, unter Standardtestbedingungen (STC) und den strengen Spielregeln für Solar Keymark. Für Bihler bieten die Kombimodule eine Alternative zur Flächenkonkurrenz der Photovoltaik und der Solarthermie.
Übereinander statt nebeneinander
„Eine solarthermische Anlage ist normalerweise sehr teuer, es dauert viele Jahre, bis sie sich amortisiert“, sagt er. „Über das Photovoltaiklaminat und den elektrischen Strom erhält man beim PV-Therm eine viel schnellere Amortisation, vor allem beim Eigenverbrauch des Sonnenstroms. Man kann ihn gut mit günstigen Standardmodulen kombinieren.“
Als Vision sieht er ein Energiedach ohne Dachplatten oder Ziegel, bei dem Kombimodule, Wärmepumpen, thermische Pufferspeicher und Batterien für den Solarstrom in einem System vernetzt sind. „Damit kann man 90 Prozent seines Energiebedarfs decken“, rechnet er vor. „Innerhalb von 13 Jahren hat sich so ein System durchaus amortisiert, das werden die Kunden bald verstehen.“
Und er denkt schon weiter: „Ich habe 800 Kilowatt aus Kombi- und Solarmodulen auf dem Dach unserer Fertigungshalle“, sagt er. „Wenn die Batterien noch ein bisschen billiger werden, könnten wir unseren Betrieb autark machen. Wir kombinieren die PV-Therm-Module mit einer Wärmepumpe von 50 Kilowatt Leistung und Betonkernaktivierung durch Sonnenwärme.“ Im vergangenen Winter, bei minus sieben Grad Celsius, habe er damit die Halle auf 19 Grad Celsius beheizt, 1.600 Quadratmeter. „Die Stromkosten beliefen sich auf acht Euro am Tag. Mehr nicht.“