Japan macht es vor: Bislang wurden im Land der aufgehenden Sonne rund 200.000 stationäre Brennstoffzellen installiert. Panasonic ist der weltweit wichtigste Anbieter der Geräte, die in Deutschland von Viessmann eingesetzt und vertrieben werden. Jedes Jahr werden in Japan 50.000 neue Aggregate installiert. Die Regierung in Tokio will insgesamt rund fünf Millionen stromerzeugende Brennstoffzellenheizungen unter die Leute bringen. Seit 2009 werden sie mit Zuschüssen gefördert.
Das deutsche Förderprogramm 433 der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ist gerade ein Jahr alt. Üppig ausgestattet ist es auch, bis zu 16.000 Euro kann ein Hausbesitzer bekommen, wenn er sich von der alten Erdgasheizung verabschiedet. Bis zu 40 Prozent der Investitionssumme kann er sich bezuschussen lassen, um den Systemwandel zu vollziehen. So viel Unabhängigkeit war nie: Im Tandem können Photovoltaik und Brennstoffzellen ein Wohnhaus komplett versorgen.
Vitovalor leistet 750 Watt
Viessmann bietet seine Brennstoffzelle seit 2014 unter dem Produktnamen Vitovalor 300-P an, die 750 Watt elektrisch leistet. Bei rund 7.300 Betriebsstunden im Jahr entspricht das 5.500 Kilowattstunden. Zudem liefert ein Gasbrenner thermische Energie, je nach Wunsch des Kunden zwischen einem und 25 Kilowatt (thermisch). Damit lässt sich ein Einfamilienhaus elektrisch und thermisch weitgehend voll versorgen, die entsprechenden Speicher für Strom und Wärme vorausgesetzt.
Mit 1,5 Kilowatt elektrischer Leistung ist das Bluegen von Solid Power aus Heinsberg doppelt so kraftvoll. Solid Power hat mittlerweile 1.000 solcher Aggregate installiert, kann auf Millionen Betriebsstunden im Feld verweisen. Im Unterschied zum Viessmann-System gibt die Feststoffbrennstoffzelle im Bluegen fast keine Abwärme ab. Man kann sie als stromgeführtes System laufen lassen und muss sich um die Abwärme nicht kümmern.
Stromgeführte Systeme im Vorteil
Mittelfristig werden sich stromgeführte Systeme durchsetzen. Viele Experten sehen in der stromerzeugenden Heizung mithilfe von Brennstoffzellen eine Technik, die gasgetriebene Heizkessel ersetzt, aber weiterhin die wassergeführte Heizung bedient. Das ist zu kurz gedacht: Denn Heizwärme wird nur in der Heizperiode benötigt. Steht ausreichend Sonne zur Verfügung, erfolgt die Versorgung des Hauses mit Sonnenstrom, der auch Duschwasser bereiten kann.
Erst wenn die Sonnenkraft nicht mehr ausreicht, springt die Brennstoffzelle ein. Dann macht es aber eigentlich keinen Sinn, ein zweites Versorgungssystem zu aktivieren, das Heizwärme unter hohem Aufwand und Verlusten über Heizungswasser an die Heizkörper bringt. Viel einfacher wäre es, die Räume über elektrische Heizflächen zu versorgen.
Besonders stark mit E-Mobilität
Die Brennstoffzelle läutet den Abschied von der wassergeführten Heizung ein. Sie ist der entscheidende Baustein zur Dekarbonisierung der Gebäudeversorgung.
Zwar werden die Aggregate von Viessmann oder Solid Power derzeit noch mit Erdgas gespeist. Doch perspektivisch wird aus Sonnenkraft erzeugter Wasserstoff zum Einsatz kommen, wie es die Berliner Firma Home Power Solutions im vergangenen Jahr auf der Intersolar zeigte. Solche Brennstoffzellen kommen ohne Reformer aus, indem das Methan in Wasserstoff zerlegt wird. Dann dürften die Systeme noch einfacher werden.
Wirklich Zugkraft entfalten die Brennstoffzellen, wenn man sie mit E-Fahrzeugen koppelt. Elektrisch getriebene Autos sind in der Regel die größten Verbraucher eines Hauses, wenn sie eine eigene Ladesteckdose haben. Dadurch steigt die elektrische Grundlast an, was den Einsatz der Brennstoffzelle wirtschaftlicher macht.
In diesem Fall dekarbonisiert der Hausbesitzer nicht nur seine Heizung, sondern auch die Mobilität. Emissionen aus Kesseln oder Fahrzeugmotoren gehören der Vergangenheit an, alle drei Sektoren werden durch das Gebäude versorgt.
40 Millionen Euro für neues Werk
Das ist volle Unabhängigkeit für die Kunden, macht das Haus zur Energiezentrale von Familien, Unternehmen und kommunalen Akteuren. Dass die Brennstoffzellen als neue Gerätegruppe für die Installateure interessant werden, beweisen nicht nur die mehr als 1.000 Aggregate, die Viessmann oder Solid Power mittlerweile installiert haben. Vor wenigen Monaten sicherte sich Solid Power eine strategische Finanzspritze in Höhe von 40 Millionen Euro.
Im ersten Investitionsschritt werden die Produktionskapazitäten in Italien erweitert. Außerdem investiert Solid Power in die weitere Forschung der Festoxid-Brennstoffzellentechnologie (SOFC).
Insgesamt schafft Solid Power in Italien bis zum Jahr 2020 circa 80 neue Jobs. Zusammengenommen mit den Werken in Heinsberg (Nordrhein-Westfalen), in der Schweiz und in Australien wächst das Unternehmen auf mehr als 220 Mitarbeiter. Der Ausbau der italienischen Produktion bedeutet den Weg in den Massenmarkt, den bislang nur Panasonic geschafft hat.
Im Jahr 2020 sollen jedes Jahr rund 16.000 Bluegen-Kraftwerke vom Band rollen. Bisher liegt der Ausstoß bei 1.500 Geräten. Diese Ausweitung lässt sich Solid Power einiges kosten: In den nächsten drei Jahren werden 18,9 Millionen Euro in den Ausbau der Werke und in moderne Maschinen gesteckt. Weitere 9,1 Millionen Euro fließen in ein Forschungsprojekt in Kooperation mit der Bruno-Kessler-Stiftung und der Universität Trento, um die Brennstoffzellen zu optimieren.
Am Stromspeicher sparen
Viessmann bietet die Vitovalor 300-P für unter 20.000 Euro an, Solid Power für rund 25.000 Euro. Allerdings sind die Systeme noch netzgekoppelt. Die Umrüstung auf Inselbetrieb ist nur eine Frage der Zeit. Erforderlich ist freilich ein ausreichend großer Stromspeicher.
Eine leistungs- und laufstarke Brennstoffzelle erlaubt es jedoch auch, am Stromspeicher zu sparen. Sie kann entweder durchlaufen (Grundlastabdeckung) oder wird bei Bedarf gestartet, um Strom zu liefern. Allerdings erhöht die Anzahl der Systemstarts den Verschleiß der Reformer und Stacks, deshalb ist Stop-and-go bislang nicht üblich.
In diesem Jahr will Home Power Solutions (HPS) aus Berlin gleichfalls in den lukrativen Markt einsteigen. Im vergangenen Jahr wurde zur Intersolar in München der Prototyp des kompakten Vollversorgungssystems Picea gezeigt, das neben dem Strom auch eine Luftheizung wärmen kann.
Ohne Umweg über Erdgas
HPS geht nicht den Umweg über Erdgas. Das System nutzt Wasserstoff als Arbeitsgas für die PEM-Brennstoffzelle. Der Wasserstoff wird im Sommer über einen Elektolyseur gewonnen, wenn überschüssiger Sonnenstrom zur Verfügung steht. Ein vom TÜV zertifizierter Wasserstofftank nimmt das Gas auf, um es für die sonnenschwachen Monate vorzuhalten. In diesem Jahr will HPS den Vertrieb über die Installateure ankurbeln und die Serienfertigung starten. Picea leistet acht Kilowatt und speist den Strom einphasig ins Hausnetz ein. Bis zu 20 Kilowatt sind kurzzeitig abrufbar. Dieses System muss nicht mit dem Netz gekoppelt sein, es kann ein Wohngebäude durchaus autark versorgen. Der erforderliche Batteriespeicher ist bereits integriert.
Der Wasserstofftank richtet sich nach der Größe der Photovoltaikanlage und nach dem Strombedarf im Winter. „Die Tanks sind für 300 bar konzipiert und nach deutschen Sicherheitsstandards zertifiziert“, erläutert Zeyad Abul-Ella, Geschäftsführer von HPS. „Mit den Versicherungen wird es keine Probleme geben.“ Diese Wasserstofftanks kommen ohne spezielle Gaswarnanlage oder Zwangsbelüftung aus, sind also faktisch hermetisch dicht.
Bisher ist das System auf einen Jahresstrombedarf von 3.000 bis 6.000 Kilowattstunden ausgelegt. Der Wasserstoffspeicher braucht zwischen vier und sieben Quadratmeter und verschwindet gegebenenfalls im Carport, in einem kleinen Anbau oder im Erdreich. Er wird wie ein üblicher Flüssiggastank installiert und ist etwa mannshoch. Das Kompaktgerät im Inneren des Gebäudes benötigt eine Aufstellfläche von drei Quadratmetern.
Im Sommer springt die PEM-Brennstoffzelle nur ein, wenn der Sonnenstrom partout nicht ausreicht. Erst in der Übergangszeit läuft sie an, um den Hausstrombedarf zu decken. Dann leistet sie bis zu 1,5 Kilowatt. Im Winter dürfte sie mehr oder weniger rund um die Uhr laufen.
So gesehen, ist Picea ein stromgeführtes System, die Abwärme wird lediglich über die Wohnungslüftung genutzt. Das Gerät steuert sich komplett selbst, ohne Eingriffe von außen. Und es arbeitet nahezu geräuschlos. Die gesamte Leistungselektronik inklusive inselfähigem Wechselrichter ist integriert. Für kurzzeitigen und Nachtstrombedarf hat das System eine eigene Bordbatterie. In den ersten Prototyp wurden Blei-Gel-Batterien eingesetzt, mit rund 25 Kilowattstunden Kapazität. „Das haben wir als wirtschaftliches Optimum errechnet“, meint Zeyad Abul-Ella. „Die Batterien fahren wir schonend, um eine möglichst lange Lebensdauer zu erreichen. Denkbar ist, dass wir in Zukunft auf Lithium-Ionen-Batterien umstellen. Das hängt vor allem von den Preisen ab.“
Interessante Servicekonzepte
Interessant ist das Servicekonzept, mit dem HPS an den Start geht. Der Systemschrank ist bei allen Varianten gleich. Alle Baugruppen sind als leicht austauschbare Einschübe konstruiert.
Das System ist werkseitig vorverkabelt. „Wir übernehmen mit unserem Servicevertrag das Risiko, dass man im Laufe der Zeit den Stack der Brennstoffzelle tauschen muss“, erläutert Henrik Colell, zweiter Geschäftsführer von HPS. „Der einfache Austausch der Wasserstoffkomponenten kann von jedem geschulten Installationsbetrieb vorgenommen werden.“
Service ist entscheidend, um die neuen Geräte unter die Leute zu bringen. Bei Viessmann gelten die hohen Ansprüche, die der Systemanbieter mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung in der Haustechnik gesammelt hat. Solid Power bietet für seine Brennstoffzellen an, den Stack zu tauschen, wenn die Leistung abfällt – ähnlich wie bei Solarmodulen üblich.
Für Schnelle Leser
Hier lesen Sie:
- Vitovalor von Viessmann: 750 Watt elektrisch, bis 25 Kilowatt thermisch, wird wärmegeführt gesteuert
- Bluegen von Solid Power: stromgeführtes Aggregat mit 1,5 Kilowatt elektrischer Leistung, kaum Abwärme
- Picea von HPS: inselfähig mit 1,5 Kilowatt elektrischer Leistung, nutzt Wasserstoff aus solarem Elektrolyseur
Microsoft/Solid Power
Ersatz für Notstromdiesel in Rechenzentren
Weltweit nutzen immer mehr Menschen das Internet. Daten und Applikationen werden zunehmend in Clouds verlagert. Damit steigt für die Betreiber von Rechenzentren die Herausforderung, den Betrieb durch eine sichere und umweltverträgliche Stromversorgung jederzeit zu gewährleisten. Eines der größten IT-Unternehmen der Welt, Microsoft, hat eine neue Architektur entwickelt, die nun in Betrieb geht: Stromerzeugung auf der „Rack“-Ebene, basierend auf Brennstoffzellen.
Im US-amerikanischen Seattle, nur wenige Kilometer von Microsofts Hauptquartier entfernt, werden zurzeit in einem riesigen Rechenzentrum zehn Brennstoffzellen-Generatoren als Energiequelle für Server eingerichtet. Die Systeme, basierend auf dem in Europa vertriebenen Mikrokraftwerk Bluegen, werden jeweils oberhalb eines Serverracks installiert und erzeugen Strom direkt am Rack.
Jedes Rack einzeln versorgt
Brennstoffzellen kommen bereits in verschiedenen Rechenzentren als saubere und zuverlässige Stromlieferanten zum Einsatz, jedoch in zentralisierten Systemen. In einem Nebengebäude oder einem Container werden sie installiert und von dort an die Server angebunden. Dadurch werden zusätzliche Investitionen in komplexe Verteilsysteme notwendig und darüber hinaus wird die Effizienz des Gesamtsystems verringert. Bei der neuen Architektur, die Microsoft in den vergangenen vier Jahren entwickelt hat, werden die Brennstoffzellen stattdessen direkt an den Racks installiert. Dadurch sinken die Komplexität und der damit verbundene Investitionsaufwand deutlich.
Die von Solid Power entwickelten Brennstoffzellen können das ganze Jahr über ununterbrochen betrieben werden und erzeugen Strom mit hohem elektrischem Wirkungsgrad. Damit werden sowohl die Betriebskosten als auch der Kohlendioxidausstoß reduziert. Dank des dezentralen Aufbaus und der vorhandenen Redundanzen bei den Serverkapazitäten werden Dieselgeneratoren überflüssig, die bisher zur Notstromversorgung der Rechenzentren vorgehalten wurden.
Riesiger Markt
Die nun in Betrieb gehende Installation in Seattle ist die erste ihrer Art. „Die Technologie soll schon bald in deutlich größerem Umfang in Rechenzentren zum Einsatz kommen“, erläutert Alberto Ravagni, CEO von Solid Power. „Hierbei wird eine speziell für diesen Zweck entwickelte Version unserer Technologie eingesetzt, die auf der Zuverlässigkeit und Effizienz des Bluegen aufbaut.“
Moderne Rechenzentren sind in Bezug auf ihren Stromverbrauch vergleichbar mit mittelgroßen Städten. Setzt Microsoft in Zukunft auf die innovative Technologie, könnte das Unternehmen im Vergleich zu den bisherigen Systemen viel Geld sparen: Konkret geht es um mehrere Hundert Millionen US-Dollar jährlich. Für Solid Power eröffnet sich durch die Kooperation mit Microsoft ein neuer Markt, da bislang vorwiegend Gewerbebetriebe und Privathaushalte mit den Brennstoffzellen ausgestattet werden.
SFC Energy AG
Bundeswehr ordert autonome Stromversorger
Die Bundeswehr hat kürzlich neue Brennstoffzellensysteme vom Typ Emily 2200 bestellt. Der Auftrag hat einen Wert von rund 860.000 Euro. Ähnliche Systeme werden beim Militär seit Dezember 2011 eingesetzt. Schon im Dezember 2017 hatte der Hersteller SFC Energy einen Auftrag des Ministeriums erhalten. Diese Lieferung der Emily-Systeme hatte einen Umfang von 3,6 Millionen Euro.
Die Brennstoffzellen versorgen Bordgeräte von Armeefahrzeugen und die Soldaten im Feld. Die Zulassung für das Militär zeigt, dass sich die Brennstoffzellentechnik längst zu massentauglichen Produkten gemausert hat.
Sie ist robust und zuverlässig. „Der hocheffiziente, leise und umweltfreundliche Stromerzeuger stellt überall und zu jedem Zeitpunkt in Fahrzeugen, im Feld und als Batterieladegerät die zuverlässige Versorgung elektrischer und elektronischer militärischer Geräte im Einsatz sicher”, sagt Peter Podesser, CEO von SFC Energy.
Das System Emily 2200 wurde eigens für die Armee entwickelt und qualifiziert. Die Brennstoffzellen und das Zubehör verfügen über eine Versorgungsnummer und sind gemäß UN 3473 für den Lufttransport zugelassen.