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PV + Brennstoffzelle

Autark mit Wasserstoff

Es ist ein außergewöhnliches Haus. Das sieht man allein schon daran, dass nicht nur auf dem Dach, sondern auch an der Fassade zahlreiche Photovoltaikmodule angebracht sind. Fast jeder Fleck wird für die Solarstromerzeugung genutzt, was insgesamt eine Leistung von 32 Kilowatt ergibt. Bei einem Haus dieser Größe sind sonst neun Kilowatt schon viel.

Rund 32.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr liefern die vielen Photovoltaikmodule, erklärt Andreas Schulz, Besitzer dieses Gebäudes. Es handelt sich um eines der ersten Bestandsgebäude hierzulande, das zum quasi energieautarken Gebäude umgebaut wurde.

Gebäudehülle gut gedämmt

Dafür sorgen neben den vielen Photovoltaikmodulen auch zwei Brennstoffzellen und zwei Elektrolyseure. Die Elektrolyseure spalten mithilfe des Sonnenstroms von den Solarmodulen Wasser in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff. Letzterer wird eingespeichert und dann im Winter in den Brennstoffzellen zur Erzeugung von Wärme und Strom genutzt.

Der Wasserstoff dient auf diese Weise als Speichermedium für den Solarstrom. „Das Wichtigste ist aber die hoch wärmegedämmte Gebäudehülle. Ohne die würde ein Wasserstoffhaus nicht funktionieren“, betont Andreas Schulz. „Denn der Wärmebedarf wäre sonst einfach viel zu hoch.“

Als der Pensionär das Elternhaus mit Baujahr 1967 von seiner Mutter erbte, stand er vor der Frage, was damit tun. „Es gab zahlreiche Interessenten. Ich hätte das Haus 20-mal verkaufen können“, erzählt Andreas Schulz im Garten. Die Sonne scheint vom wolkenlosen Himmel auf Neutrauchburg, einen Ortsteil von Isny im württembergischen Allgäu.

Thema Wasserstoff kam auf

Aber ein Verkauf des Hauses kam nicht infrage. Genauso wenig wie das Gebäude abzureißen und ein neues, größeres an der gleichen Stelle zu bauen. „Da steckt doch so viel graue Energie drin“, meint der Ingenieur und ehemalige Abteilungsleiter bei der Bayerischen Eisenbahngesellschaft, der in allen Lebensbereichen großen Wert auf Klimaschutz und eine nachhaltige Lebensweise legt.

Bei einem Vortrag im Rahmen des Isnyer Energiegipfels wurde Andreas Schulz auf Dieter Herz aufmerksam. Dieser betreibt im nahe gelegenen Weitnau das Planungsbüro Herz & Lang, das sich auf energieeffizientes Bauen und Sanieren spezialisiert hat. Dieter Herz gilt als Passivhauspionier und ist weit über die Grenzen des Allgäus als Experte auf diesem Gebiet bekannt.

Zunächst sah laut Dieter Herz alles danach aus, das Gebäude mit seinen 210 Quadratmetern Wohnfläche auf Effizienzhaus-100-Niveau zu sanieren. „Aber dann sagte der Bauherr, das sei ihm zu wenig. Zudem kam das Thema Wasserstoff auf“, erinnert sich Dieter Herz.

Wärme zurückgewinnen

Und so wurde in der Planung nachgebessert, um die Gebäudehülle noch energieeffizienter zu machen – indem zum Beispiel in verschiedenen Bereichen Passivhauskomponenten der Vorzug gegeben wurde. In der Planung als auch in der Ausführung wurde laut Dieter Herz auch sehr stark auf die Reduzierung von Wärmebrücken und eine besonders luftdichte Bauweise geachtet.

In energetischer Sicht der schlechteste Bereich war der Keller, der dank einer Hanglage für die Einliegerwohnung teilweise auch für die Hauptwohnung genutzt werden kann. Daher wurde auf die alte Bodenplatte eine 16 Zentimeter dicke Dämmung gepackt. „Die Raumhöhe gab das her“, sagt Dieter Herz. Allerdings mussten die Tür- und Fensterstürze höher gesetzt werden.

Das Energieherz des Gebäudes: Hausbesitzer Andreas Schulz (links) zusammen mit Planer Dieter Herz (Mitte) und Mieter Andreas Stiehler im Technikraum. Hier stehen die beiden Brennstoffzellen und die Elektrolyseure.

Foto: Roland Wiedemann/Jensen Media

Das Energieherz des Gebäudes: Hausbesitzer Andreas Schulz (links) zusammen mit Planer Dieter Herz (Mitte) und Mieter Andreas Stiehler im Technikraum. Hier stehen die beiden Brennstoffzellen und die Elektrolyseure.

Stromüberschuss langfristig steigern

Die Dämmstärke im Dachbereich beträgt insgesamt 24 Zentimeter. Die Dämmung besteht aus 18 Zentimeter Zellulosedämmung und sechs Zentimeter Holzweichfaserplatte. Die Putzfassade ist mit 20 Zentimeter Steinwolle gedämmt. Zusätzlich wurden die alten Fenster durch dreifach verglaste Passivhausfenster ersetzt. Für ein angenehmes Raumklima sorgt zudem eine zentrale Komfortlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. „Ein sehr wichtiger Aspekt“, betont Dieter Herz. Denn durch den hohen Grad an Wärmerückgewinnung der Lüftungsanlage können im Winter die Energieverluste bei der Frischluftzufuhr auf ein Minimum reduziert werden.

Auf der Grundlage einer intensiven Planung und einer konsequenten Bauleitung entstand dank der sehr guten Wärmedämmung und der hohen Luftdichtheit der Gebäudehülle sowie der Umstellung der Basistechnik von ­einem Ölkessel auf eine Erdwärmepumpe ein Effizienzhaus 70. „Damit waren die baulichen Voraussetzungen für das Wasserstoffhaus geschaffen“, erklärt Hausbesitzer Andreas Schulz, während er die Tür zum Technikraum im Keller öffnet.

Noch 500 Kilowattstunden bis zur Autarkie

Dort steht das Herzstück der Haustechnik. „Das Prinzip, das hinter der Wasserstofftechnik steckt, ist eigentlich recht simpel“, sagt Andreas Schulz. Im Sommer liefern die Photovoltaikmodule Sonnenstrom im Überfluss. Ein kleiner Teil des überschüssigen Stroms wandert in einen Kurzzeitbatteriespeicher, um das Haus nach Sonnenuntergang mit Strom zu versorgen. Oder er wird zum Laden eines Elektroautos genutzt. Der restliche Sonnenstrom versorgt die beiden Elektrolyseure mit Strom, der aus Wasser Wasserstoff produziert. Dabei entsteht Abwärme, die für den Brauchwasserspeicher genutzt wird.

Der Wasserstoff wiederum wird über eine Leitung in Stahlbehältern gesammelt, die in einem kleinen Häuschen im Garten stehen. Auf diese Weise lässt sich die Sonnenenergie über Monate hinweg speichern und auch im Winter einsetzen – dann, wenn die solaren Gewinne gering sind.

Reichen die solaren Erträge an Wintertagen nicht aus, um genügend Strom und Wärme zu produzieren, wird Wasserstoff aus dem Speicher den beiden Brennstoffzellen zugeführt. Diese wandeln den Wasserstoff in Strom um. „Den Strom nutzt die Wärmepumpe, die entstehende Abwärme wird über die Lüftung fürs Heizen genutzt“ , erklärt Schulz.

Die Erfahrung aus dem ersten Winter zeige, so der Hausbesitzer, dass die Anlage für die komplette Autarkie derzeit noch ein wenig unterdimensioniert sei. „Nur 500 Kilowattstunden haben gefehlt“, berichtet der Hauseigentümer.

Energiepreise stabilisiert

Bevor der Wasserstoffspeicher vergrößert wird, will er aber noch den nächsten Winter abwarten, um weitere Erkenntnisse zu sammeln. „Ich habe es noch keine Sekunde bereut, diesen Weg zu gehen“, betont Andreas Schulz. Gleichzeitig macht er keinen Hehl daraus, dass die Investitionskosten für die Wasserstofftechnik sehr hoch waren und sich derzeit bei Weitem nicht rechnen. „Kostendeckend arbeitet die Anlage grob geschätzt ab einem Strompreis von einem Euro für die Kilowattstunde“, erklärt Andreas Schulz. „Davon sind wir trotz aller Preissteigerungen immer noch ein gutes Stück entfernt. Aber wer weiß, wie sich die Energiekosten weiterentwickeln.“

Bis dahin darf sich Andreas Schulz als Idealist und Vorreiter fühlen, der mit seinem Haus zeigt, dass energieautarke Gebäude keine Utopie sind. Und seine Mieter im Wasserstoffhaus profitieren schon einmal von stabil bleibenden Nebenkosten. Davon können andere Mieter derzeit nur träumen.

Auch an der Fassade wurden Solarmodule angebracht. Der Vorteil: Sie liefern an sonnigen Wintertagen selbst dann Strom, wenn Schnee auf dem Dach und auf den Solarmodulen dort liegt.

Foto: Roland Wiedemann/Jensen Media

Auch an der Fassade wurden Solarmodule angebracht. Der Vorteil: Sie liefern an sonnigen Wintertagen selbst dann Strom, wenn Schnee auf dem Dach und auf den Solarmodulen dort liegt.

Der Autor

Roland Wiedemann
schreibt unter anderem für die Fachpresseagentur Jensen Media über energie­effizientes Bauen und Sanieren – ein ­Thema, mit dem er sich seit vielen J­ahren intensiv beschäftigt.

Foto: Roland Wiedermann/Jensen Media

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