Herr Ostermann, hätten Sie gedacht, dass Sie mal für einen internationalen Ölmulti arbeiten würden?
Christoph Ostermann: So gefragt, muss ich natürlich mit Nein antworten. Diese Entwicklung konnte in den letzten Jahren noch niemand vorhersehen. Andererseits werden immer mehr Energiekonzerne zu Akteuren in der neuen Energiewelt. Angefangen hat das mit großen Stromversorgern, nun sind auch Erdgaskonzerne und Mineralölfirmen hinzugekommen. Und darum geht es letztendlich auch bei der Energiewende: Alle müssen mitmachen. Und dass sie es machen, ist ein Riesenerfolg. Erst vor wenigen Wochen hat Maarten Wetselaar, der Chef von Shells Gasgeschäft, öffentlich die Richtung vorgegeben: In den nächsten zehn Jahren will der Konzern zum weltgrößten Stromkonzern werden, und das größtenteils mit Ökostrom. Ein bis zwei Milliarden Dollar investiert Shell jährlich in erneuerbare Energiequellen.
Welche Veränderungen bringt der Einstieg von Shell?
Sicher weniger, als man sich das so vorstellt. Die Geschäftsführung und unsere Standorte werden so bleiben, wie sie sind. Sonnen bleibt also Sonnen. Ich würde den Einstieg auch als eine Bestätigung für unseren Kurs bei Sonnen sehen – Shell kann und will uns dabei unterstützen.
Wie kann Ihnen Shell konkret helfen?
Der Heimspeichermarkt steht vor dem Wendepunkt hin zum Massenmarkt. Wir müssen unsere Produktion massiv hochfahren, allein schon um entsprechend mitzuwachsen. Zudem ist Shell international weltweit vertreten, mit Tochtergesellschaften, die teilweise seit gut 100 Jahren in den Ländern sind. Dieses Netzwerk wollen wir nutzen, um in für uns neue und entlegene Märkte einzusteigen. Als süddeutscher Mittelständler bekommen wir das allein nicht hin.
Hilfreich ist dabei sicher eine volle Kriegskasse.
Das ist nur eine Seite der Medaille, die andere strategisch wichtige Komponente ist, dass Shell innerhalb der Gruppe Unternehmen hat, die komplementär gut zu uns passen. Shell ist seit einigen Jahren schon viel mehr als ein Erdölkonzern. Seit 2016 fließen Investitionen in die New-Energies-Sparte. Diese Synergien mit anderen Unternehmen von Shell wollen wir nutzen, um den Kunden eine breitere Palette anzubieten.
Ein Ölkonzern und Sonnen, das passt auf den ersten Blick nicht zusammen. Wann haben Sie erstmals mit dem Shell-Konzern zusammengearbeitet?
Seit 2015 gibt es Kontakt. Shell hat Sonnenbatterien getestet und experimentiert, was man mit unserer Technologie machen kann. Im vergangenen Jahr stieg Shell bekanntlich als Gesellschafter bei uns ein. Dabei haben wir gesehen, dass wir überraschend viele Gemeinsamkeiten haben. Das betrifft sowohl unsere Ziele, was saubere Energie angeht, als auch diese Ziele konsequent und schnell umzusetzen.
Wird der Heimspeicher weiter bei Ihnen zentral sein oder werden Sie sich verstärkt in Richtung Elektromobilität bewegem?
Das Kernprodukt wird weiter der Heimspeicher bleiben. Das macht aus verschiedenen Gründen Sinn. Denn technologisch gesehen ist der Heimspeicher der Schlüssel zur dezentralen Energiewende, er kann aber mit weiteren Angeboten ergänzt und komplettiert werden. Dafür haben wir ja zum Beispiel den Charger in unserem Programm, mit dem der selbst erzeugte Strom auch ins Auto gelangt. Unser Mehrwert liegt darin, eine neue Infrastruktur aufzubauen, möglicherweise in Zukunft auch eine Stromheizung oder Wärmepumpe mit zu steuern und so mehr Flexibilität für den Netzbetreiber anzubieten. Denn genau darum geht es in den Netzen in Zukunft. Aber auch darum, das Energiemanagement im Haus für den Kunden zu optimieren. In den USA steuern wir bereits über eine automatische Haussteuerung kritische Lasten.
Wie wichtig sind Dienstleistungen für Sonnen?
Wir vertreiben bereits Strom, sind also Versorger und damit auch Dienstleister für unsere Kunden. Wir sind mit unserem vernetzten Batteriepool aber auch Dienstleister für die Netzbetreiber. Wir sind im Prinzip ein neuer Energieversorger für ein neues Energiesystem. Darin sind Dienstleistungen neben unserem Hardwaregeschäft der wesentliche Bestandteil unseres Angebots.
Deutschland ist der Leitmarkt für Heimspeicher. Wie viele Speicher planen Sie in der DACH-Region abzusetzen?
Unsere konkreten Vorhaben können wir natürlich nicht kommunizieren. Wir wollen weiter in einer führenden Position im Markt bleiben. Die DACH-Region hat im letzten Jahr rund 50 Prozent unseres Umsatzes ausgemacht. Die Tendenz verschiebt sich aber zunehmend, da die Märkte in Italien, den USA und Australien weiter anziehen.
Den Käufern von Heimspeichern geht es nachweislich nicht primär um Wirtschaftlichkeit, trotzdem wird immer über den Preis gesprochen. Warum?
Wenn wir ehrlich sind, rechnet man bei vielen Produkten nicht nach, ob sie sich lohnen. Das ist bei der Heizung so, beim Auto und auch beim Smartphone. Davon abgesehen, bin ich der Meinung, dass wir als Branche schon die Aufgabe haben, wirtschaftliche Produkte anzubieten. Andernfalls werden Heimspeicher nicht zu einem Massenmarkt werden. Analog zum Photovoltaikmarkt hat man gesehen, welche Entwicklung sich vollzieht, wenn die Module immer billiger werden.
Das schaffen die Unternehmen in der Branche vor allem über eine starke Skalierung der Produktion.
Und genau da können wir zusammen mit Shell nun noch stärker in Vorleistung gehen als bisher. Aber die Wirtschaftlichkeit basiert ja nicht nur auf dem Preis, sondern auch darauf, ob zusätzliche Einnahmen möglich sind. Über die Teilnahme am Netzdienstleistungsmarkt können Kunden mit ihrer Sonnenbatterie heute schon von zusätzlichen Einnahmen profitieren, die den Speicher auf diesem Weg noch mal ein ganzes Stück wirtschaftlicher machen.
Wie schätzen Sie mobile Batteriespeicher in E-Autos ein? Werden diese die Heimspeicher künftig immer mehr ersetzen?
Aus unserer Sicht werden E-Autos die Heimspeicher eher ergänzen als ersetzen. Ein Grund: Der Autospeicher muss immer vor Ort sein, wenn die Solarstromanlage produziert. Zudem könnten es die Fahrer kritisch sehen, wenn das Auto Strom ins Haus zurückspeist. Die Batterie verzeichnet so zusätzliche Zyklen und verschleißt schneller. Bisher gibt es auch deshalb nur wenige bidirektionale Wechselrichter fürs E-Auto.
Welche internationalen Heimspeichermärkte entwickeln sich besonders gut?
Australien hat sehr gute Bedingungen. Bei den hohen Strompreisen ist der Speicher in vier bis sieben Jahren wieder amortisiert. Das kommt etwas auf die Region an, im Outback liegen die Preise für Strom durchaus bei 40 Cent pro Kilowattstunde. Das Thema Notstromversorgung ist hier besonders wichtig. Ein interessantes Detail: Es gibt in Australien rund zwei Millionen Photovoltaikanlagen auf Eigenheimen – und das obwohl nur etwa ein Drittel der Bevölkerung im Vergleich zu Deutschland lebt. Auch in den USA läuft der Speichermarkt sehr gut. In Europa sind es Italien, UK und auch Spanien, in denen die Nachfrage wächst. Andere Länder wie Südafrika stehen am Anfang, haben aber großes Potenzial. Hohe Strompreise und ein unzuverlässiges Stromnetz sind generell gute Voraussetzungen für Strompuffer.
Welche Kapazitäten und Leistungen decken Ihre Sonnenbatterien ab?
In Europa bieten wir bis zu 9,9 Kilowatt Leistung und 45 Kilowattstunden an. Das Segment für Gewerbespeicher sparen wir vorerst noch aus, wir wollen nicht in das Projektgeschäft einsteigen. In den USA bieten wir allerdings auch größere Speicher an.
Das Interview führte Niels H. Petersen.
Christoph Ostermann
ist studierter Betriebswirt. Vor Sonnen hat er bereits vier Unternehmen aufgebaut, das erste davon im Alter von 18 Jahren. Darüber hinaus war er fünf Jahre in der Unternehmensberatung mit Schwerpunkt Marketing und Vertrieb tätig. Ostermann ist heute CEO und Managing Director bei Sonnen.