Bereits kurz vor Weihnachten lag das Geschenk unter dem Tannenbaum. Jedenfalls für Peter Heuell, dem Geschäftsführer von EMH Metering. Denn seit 19. Dezember 2019 ist das Gateway Casa von EMH Metering offiziell zugelassen.
Damit sind es nun drei intelligente Messgeräte von drei Herstellern, die von der zuständigen Behörde, dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI), zertifiziert wurden. „Die Voraussetzungen zum verpflichtenden Einbau von intelligenten Messsystemen sind nun gegeben“, weiß auch Heuell. Seine Firma ist der zur Markterklärung notwendige dritte Hersteller.Bereits 2016 hat der Bundestag den Rollout von Smart-Meter-Geräten im Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende beschlossen.
Nur nötige Messwerte versenden
Nun ist der Startschuss für die verpflichtende Ausstattung von Verbrauchern also offiziell gefallen. Das erste Zertifikat für ein Smart-Meter-Gateway hat die Kooperation aus PPC und Open Limit Ende 2018 erhalten. Im September 2019 bekam auch Dr. Neuhaus aus Hamburg die Zertifizierung für das eigene Gateway. Nach EMH Metering befinden sich nun noch sechs weitere Produkte im BSI-Verfahren, so dass im laufenden Jahr 2020 weitere Geräte die Sicherheitsprüfung erfolgreich bestehen dürften.
Nach CC-Standard zertifizierte Smart-Meter-Gateways erfüllen besonders strikte Vorschriften zum Datenschutz. Das Kürzel CC steht dabei für Common Criteria, ein internationaler Standard, der die Kriterien zur Prüfung und Bewertung von Sicherheitseigenschaften bei IT-Produkten im Labor definiert. Das Smart-Meter-Gateway versendet Messdaten nur an berechtigte Empfänger. Dabei werden ausschließlich nur die nötigen Messwerte versandt. Die Daten dürfen nur für klar definierte Zwecke der Energieversorgung verwendet werden.
Das Gateway Casa lässt sich mit Zählern und Schaltgeräten beliebiger Hersteller verbinden. Über Mehrwertmodule können die Energieversorger und Stromkunden neue Geschäftsmodelle erschließen. Beispielsweise können Letztverbraucher über WLAN mit Smartphone, Tablet oder PC auf den im Gateway integrierten Web-Browser zugreifen, um den Energieverbrauch zu überwachen.
Ball im Spielfeld der Behörden
Die gesetzlich erforderliche Markterklärung inklusive Marktanalyse hat das BSI Ende Januar vorgelegt. Intelligente Messsysteme mit BSI-geprüften Gateways sollen künftig in Haushalten und Unternehmen mit einem Jahresverbrauch über 6.000 Kilowattstunden installiert werden. Zudem sollen größere Erzeugungsanlagen mit über sieben Kilowatt installierter Leistung und steuerbaren Verbrauchern wie Ladepunkte für Elektromobile, Wärmepumpen und Nachtspeicherheizungen mit Messgeräten bestückt werden. So sieht es zumindest das Gesetz vor. Umgesetzt werden soll das aber erst nach und nach.
Die dritte Zertifizierung eines Smart-Meter-Gateways befördert den Ball ins Spielfeld der Behörden. „BSI und BMWi haben nun zu klären, was mit den Geräten technisch gemacht werden kann und soll“, sagt Fabian Zuber vom Expertennetzwerk Commetering. „Dies sollte nun auch genutzt werden, um weitreichende Ausnahmen für Photovoltaikbetreiber und ausreichende Übergangsfristen festzuhalten.“
Für Photovoltaikanlagen gilt der Rollout vorerst noch nicht. „Die Zwangsbeglückung mit kostspieligen und aus Betreibersicht in der derzeitigen Form wenig nützlichen Messsystemen bleibt vorerst aus“, das sei eine gute Nachricht für die Betreiber von Photovoltaikanlagen, kommentiert Zuber. Denn in der Marktanalyse erklärt das BSI unter anderem, dass vorerst kein verpflichtender Einbau intelligenter Messsysteme für Erzeugungsanlagen nach dem EEG und KWKG erfolgt, teilt auch die Clearingstelle in einer Auswertung mit.
Aufschub bis zum Herbst
Allerdings könnte der Aufschub ein kurzer sein, sagt Zuber. Denn es sei bereits bis spätestens zum 30. Oktober 2020 eine Aktualisierung der Marktanalyse geplant. „Das Bundeswirtschaftsministerium plant bis dahin für Photovoltaikanlagen vorzuschreiben, dass die Kommunikation der Netzintegration zukünftig über das Smart-Meter-Gateway laufen soll“, vermutet Zuber.
Bisher lässt das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) noch das Steuern und Schalten von Erzeugungsanlagen ohne Gateway-Anbindung zu. Daher sollen nun erst noch entsprechende Änderungen im EEG vorgenommen werden, die dann auch den Weg für den Pflichteinbau freimachen könnten, meint Zuber. Im Ergebnis könnte das bedeuten, dass die oft genutzte 70-Prozent-Regel, um die Einspeisung zu reduzieren, statt über den Wechselrichter über das Gateway erfolgen müsste – und das potenziell auch im Bestand.
Anlagen ab 30 Kilowatt erst später
Insbesondere in der Übergangsphase seien viele Aspekte regulatorisch unklar. Manches bleibt daher Auslegungssache der Behörden und der Politik oder wird sich erst mit der Zeit in der praktischen Umsetzung einspielen.
Gerade hinsichtlich der Fernsteuerbarkeit, die insbesondere Anlagen ab 30 Kilowatt betrifft, gelte es als wahrscheinlich, dass die Rollout-Pflicht erst später komme. Denkbar sei aber auch, dass Erzeugungsanlagen insgesamt vorerst verschont blieben, vermutet Zuber. Wahrscheinlich sei ein differenziertes Vorgehen, meint er weiter.
Kein Mehrwert ohne Steuerung
„Das bedeutet, dass bestimmte Anlagentypen vorerst ausgenommen werden oder aber Erzeugungsanlagen erst spater berücksichtigt werden. Commetering habe immer wieder darauf hingewiesen, dass der Smart-Meter-Rollout mit den Gateways der ersten Generation das Messwesen zwar wesentlich teurer machen würde, aber für die Betreiber selbst keine nennenswerten Vorteile bedeuten.
Der Messstellenbetrieb für einen Überschusseinspeiser kostet 20 Euro (brutto), beim Wechsel zu Commetering 60 Euro. Wenn der Rollout kommt, werden die Kosten auf 100 Euro (7 bis 15 Kilowatt) beziehungsweise 130 Euro (15 bis 30 Kilowatt) steigen.
Kosten für die Messstelle sportlich
Commetering rechnet aktuell nicht damit, dass ein wettbewerblicher Messstellenbetreiber in den nächsten Jahren unterhalb der Preisobergrenze von 100 Euro operieren kann. Schon die Preisuntergrenze von 130 Euro sei demnach sehr sportlich. Fraglich sei deshalb, ob die Erzeuger freiwillig mit dem Rollout starten sollten. „Eine pauschale Empfehlung kann es nicht geben“, schreibt Commetering in einer Analyse. Prinzipiell sei es kein Fehler auf die acht Jahre Übergangszeit zu setzen.
„Der vom Gesetzgeber gewählte strenge Regulierungsansatz bei der Einführung von Smart Metern ist verantwortlich dafür, dass der Rollout mit drei Jahren Verzögerung beginnt und die jetzt zertifizierten Geräte keine der notwendigen Funktionen abdecken“, sagt Robert Busch, Geschäftsführer des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft (BNE). Die nun zertifizierten Geräte bieten kaum mehr Funktionen als bisher genutzte analoge Zähler. Deutschland führt damit digitale Zähler ein, die technisch längst überholt seien. Insbesondere fehlten einige Funktionen, die eigentlich als Begründung für den gesamten Vorgang dienten. Darunter seien auch die Bereitstellung von Echtzeitdaten und eine Steuerungsfunktion.
BNE: Innovative Messsysteme zulassen
Auf dieser Basis könnten Energievertriebe weder die von der Politik den Verbrauchern versprochenen lastvariablen Stromtarife anbieten, noch ermöglicht sie so eine intelligente Steuerung von Solarstromanlage, Stromspeicher, Wärmepumpe und das Laden des Elektrofahrzeugs im Sinne des Verbrauchers, kritisiert der BNE.
Aber nur mit intelligenter Verknüpfung von Erzeugung und -verbrauch lassen sich erneuerbare Energien bestmöglich nutzen und effizient in das Energiesystem integrieren. Busch fordert deshalb: „Es braucht deshalb eine Öffnung des Messstellenbetriebsgesetzes für innovative Messsysteme und -lösungen“.
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
Wallboxen sprechen nicht mit Smart-Meter-Gateways
Smart-Meter-Geräte, deren Rollout in Kürze beginnt, sind nicht in der Lage, mit den handelsüblichen Wallboxen zu kommunizieren. Die Ladevorgänge könnten also nicht über Smart Meter zeitlich gesteuert werden, bestätigt die Bundesregierung.
„Nach Kenntnis der Bundesregierung sind die handelsüblichen Wallboxen derzeit in der Regel technisch noch nicht dafür ausgelegt, mittels der vom Schutzprofil geforderten Protokolle bzw. Schnittstellen mit Smart-Meter-Gateways zu kommunizieren“, sagt Christian Hirte, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie auf eine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen. Technisch sei mit den aktuell verfügbaren Geräten eine Steuerbarkeit von Anlagen über den sogenannten CLS-Proxy-Kanal in Verbindung mit Steuereinheiten möglich. Diese würden durch die Gateway-Hersteller angeboten. Allerdings müssten noch technische und rechtliche Aspekte weiterentwickelt werden, erklärt Hirte. „Hierzu laufen aktuell zwei umfassende Prozesse von beteiligten Firmen.“
Verbraucher mit über 6.000 Kilowattstunden Stromverbrauch pro Jahr sollen ab diesem Jahr intelligente Stromzähler bekommen. Bei den Privathaushalten dürften es vor allem Besitzer von E-Autos sein. Nun bestätigt die Bundesregierung allerdings, dass die Wallboxen, die E-Autobesitzer zum Laden brauchen, gar nicht mit dem Smart Meter kommunizieren können.
„Das zeigt, welchen Stellenwert Elektromobilität und Digitalisierung in dieser Bundesregierung haben“, kommentiert Oliver Krischer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender bei Bündnis 90/Die Grünen. Das sei absurd und würde der Energiewende nicht helfen, sagt Krischer. „Die Smart Meter sollten ja gerade das Laden des E-Autos steuern, je nachdem, ob viel oder wenig Strom im Netz ist.“