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Scheidungskinder

Immer mehr Anlagen müssen vor Ende ihres Vergütungsanspruchs von den ursprünglichen Dächern entfernt werden. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Steht eine Scheidung oder Trennung der Hausbesitzer an, müssen sich die Partner darauf einigen, wer der neue Betreiber der Anlage ist und die Einnahmen erhält. Das gelingt nicht immer. Aber auch größere Anlagen sind betroffen. Das Gebäude wird saniert oder abgerissen, der Verpächter kündigt oder neue Gebäudebesitzer wollen keine Photovoltaikanlage betreiben.

Es gibt auch Fälle, in denen die Anlage von Anfang an nicht die gewünschten Erträge brachte, oft kaputt war oder nicht optimal ausgerichtet, dann wollen die Betreiber einfach nur einen Schlussstrich ziehen. In all diesen Fällen ist ein Umzug an einen neuen Standort eine Option, denn der alte, oftmals lukrative Vergütungsanspruch besteht weiter.

„In den letzten drei Jahren ist die Zahl solcher Umzüge tatsächlich kontinuierlich gestiegen“, berichtet Victor Paulsen von Milk the Sun. Über das Onlineportal des Unternehmens finden solche Anlagen ihre neuen Besitzer. Zwar gibt es viele Interessenten, aber das Geschäft ist doch mit einigen Risiken behaftet.

Den Preis finden

Erste Hürde ist oft, einen angemessenen Preis für die Anlage zu bestimmen. „Viele der Besitzer von kleineren Anlagen haben ein Problem damit, den Wert der Anlage richtig einzuschätzen. Sie unterschätzen die Kosten für Abbau, Umzug und Wiederaufbau“, berichtet Paulsen.

Der Wert bemisst sich nach der an den Generator gekoppelten Einspeisevergütung. Entscheidend ist dabei die Höhe der gesicherten Einspeisevergütung und die noch verbleibende Vergütungszeit.

In Kombination mit dem zu erzielenden spezifischen Ertrag am neuen Standort lässt sich ermitteln, welche Erträge die Abbauanlage am neuen Standort zukünftig noch erzielen wird.

Der Installateur muss sich die Altanlage ganz genau anschauen und rechnen. Kosten für Abbau, Umzug und Neuinstallation gilt es zu kalkulieren. Häufig müssen auch neue Wechselrichter gekauft werden, weil die alten nicht mehr den technischen Normen entsprechen und deshalb nicht verbaut werden können. Auch die Unterkonstruktion passt in den seltensten Fällen.

Dachreparaturen

Zusätzlich können Kosten für Dachreparaturen am alten Standort anfallen. Erst nach dieser genauen Betrachtung hat der Käufer eine realistische Einschätzung, welcher Preis für die alte Anlage wirtschaftlich ist. Und dann gilt es, diesen Preis dem Verkäufer zu vermitteln.

Milk the Sun vermittelt die Anlagen, die genaue Kalkulation macht der Käufer. Dennoch hat Victor Paulsen einen ungefähren Überblick über die erzielten Preise. Die Preisspanne ist in der Praxis weit gespreizt. Von 350 Euro pro Kilowatt bis hin zu 800 oder 900 Euro hat Paulsen schon gesehen. Seiner Einschätzung nach liegt der Mittelwert bei 500 Euro pro Kilowatt Leistung.

Für Dünnschicht verschiebt sich die Rechnung etwas. Denn hier ist dann leicht die doppelte bis dreifache Anzahl Module pro Kilowatt zu bewegen – ein Kostenfaktor.

Lehrgeld bezahlt

Christian Brugger von B und S Sicherheits- und Elektrotechnik aus Altenstadt an der Iller hat in den letzten zwei Jahren rund zehn gebrauchte Anlagen gekauft und von Dach zu Dach umgezogen. Der Installationsbetrieb hat in den letzten 15 Jahren rund 4.000 Solaranlagen neu errichtet. An Erfahrung mangelt es also nicht. „Trotzdem haben wir unser Lehrgeld bezahlt“, berichtet Brugger. Die Risiken stecken in den Überraschungen, die man bei der ersten Begehung nicht sieht.

Er berichtet von einer größeren Anlage, bei deren Abbau seine Techniker feststellen mussten, dass die MC-Stecker bei allen Modulen defekt waren: „Da haben dann zwei Monteure eine Woche damit zugebracht, alle alten Stecker zu entfernen und neue anzubringen.“ Die Kosten dafür waren in der Kalkulation nicht eingepreist.

Brugger weist noch auf einen anderen Aspekt hin: „Ein Modul ist dafür konzipiert, einmal montiert zu werden und auf dem jeweiligen Dach 25 bis 30 Jahre zu ruhen. Bei einem Modul, das schon zehn bis 12 Jahre der Witterung ausgesetzt war, kann man davon ausgehen, dass das Laminat nicht mehr so elastisch wie bei einem neuen Modul ist.“

Zellbrüche und Mikrorisse beim Abbau, beim Transport und der Neuinstallation werden wahrscheinlicher. Ähnliches gilt für Kabel und Stecker, auch sie können durch Witterungseinflüsse spröde werden.

Kleine Anlagen relativ teuer

Weil es bei jeder Altanlage einen Grundaufwand gibt, lohnt sich der Umzug für Kleinstanlagen meist nicht. Hier kommt außerdem noch die oft langwierige Preisfindung erschwerend ins Spiel.

Milk the Sun veranschlagt eine Mindestprovision von 1.000 Euro pro Anlage. Da ist bei einer kleinen Anlage mit einem Restwert von 6.000 Euro oft eine Preisbarriere. Es lohnt sich einfach nicht. Bei größeren Anlagen greift der Provisionspreis von 15 Euro pro Kilowatt Leistung. Auch Brugger interessiert sich eher für größere Anlagen. Er sagt: „Wir schauen uns in der Regel nichts unter 200 Kilowatt Leistung an.“

Anlagenumzug melden

Der Verkäufer selbst muss die Anlage nur beim Netzbetreiber abmelden. Für den neuen Besitzer ist die Neuanmeldung allerdings mit einigem Arbeitsaufwand verbunden. Auch darin verbergen sich mitunter einige Schwierigkeiten.

Denn wurde bei der Erstinbetriebnahme keine vollständige Dokumentation erstellt, macht es Mühe nachzuweisen, dass tatsächlich die alten Module, auf die der Vergütungsanspruch läuft, am neuen Standort verbaut werden. Das ist das Wichtigste beim Anlagenumzug: Die Module müssen identisch sein, das prüft der Netzbetreiber regelmäßig.

Knackpunkt Dokumentation

Auch Christian Brugger weiß gute Dokumentationen für den Fall eines Umzuges zu schätzen. „Umso besser die Dokumentation ist, umso weniger Arbeit haben wir“, sagt er. Jedoch sind für ihn Verschaltungspläne eher uninteressant, weil die Anlage sowieso neu aufgebaut wird, meist sogar mit neuen Wechselrichtern.

Aber Brugger sagt auch: „Ich finde immer irgendetwas beim alten Betreiber. Zur Not tut es auch die letzte Abschlagrechnung mit dem Anlagenschlüssel, anhand dessen ich mit dem Netzbetreiber in Kontakt treten kann.“

Der Umzug im gleichen Netzbereich ist mit Sicherheit einfacher, als wenn der Netzbereich gewechselt wird. Victor Paulsen kennt Kunden, die es vermeiden, Anlagen in einen neuen Netzbereich umzuziehen. Wenn der Netzbereich gleich bleibt, muss ja im Prinzip nur der neue Standort mitgeteilt werden. Wenn der Netzbetreiber wechselt, muss die komplette Dokumentation neu eingereicht werden.

Nach der Einschätzung von Paulsen ist die nicht vorhandene oder nicht ausreichende Dokumentation der häufigste Knackpunkt für das Scheitern eines Umzuges. Die Erfahrung zeigt, dass Installateure den Umzug am liebsten machen, wenn sie auch den Netzbetreiber gut kennen.

Kleiner geht, größer nicht

Die Anlage darf zudem nicht größer werden. Auch das prüfen die Netzbetreiber. Wird sie hingegen kleiner, weil das Dach beispielsweise nicht groß genug ist, ist das kein Problem. Rein theoretisch könnte eine 100-Kilowatt-Anlage in fünf neue 20-Kilowatt-Anlagen aufgeteilt werden.

Große Projektierer haben in den letzten Jahren eine große Zahl von Dachflächen akquiriert, die sich jetzt mit der aktuellen Vergütung im Neubau nicht rechnen würden.

Setzt man darauf eine Altanlage mit alter Vergütung, sieht das häufig anders aus.

Bei Eigenheimen kauft so gut wie niemand eine gebrauchte Anlage. Neue, leistungsstärkere Module und Garantien sind einfach ein unschlagbarer Vorteil, wenn es um die Anschaffung einer Photovoltaikanlage geht. Kleinere Anlagen wandern deshalb häufig auf die Dachflächen von Installateursbetrieben.

Kunden für gebrauchte Anlagen

Installateur Christian Brugger schaut regelmäßig in den einschlägigen Portalen nach gebrauchten Anlagen. Er hat eine Reihe Investoren, die auch für dieses Geschäftsmodell offen sind.

Die neuen Dächer findet er vor allem in den neuen Bundesländern. Sie werden dann meist gepachtet.

Brugger rät jedem Endkunden ab, eine gebrauchte Anlage zu kaufen und diese selbst umzuziehen. Erfahrung ist unbedingt notwendig. „Der Installateur muss sich da echt einen Kopf machen und genau hinschauen“, sagt er. Zudem steigt das wirtschaftliche Risiko mit der Anlagengröße.

www.milkthesun.com

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