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Das etwas andere Klimabuch

Schon auf den ersten Seiten sagt die Berliner Professorin für Volkswirtschaftslehre ganz klar, woran sie glaubt. Erstens: Klimaschutz spart Geld. Denn tun wir nichts, kostet uns der Klimawandel bis 2050 rund 800 Milliarden Euro. Zweitens: Wir können sofort klimaneutral leben. Für etwa 70 Cent pro Tag und Person. Und drittens: Wenn wir klug investieren, bringt der Klimaschutz sogar Gewinne.

Auf den folgenden 250 Seiten erklärt sie – aus dem Blickwinkel der Ökonomin, nicht als Ökologin, das ist ihr wichtig – wie ihrer Ansicht nach Politik, Wirtschaft und der Normalverbraucher dazu beitragen können, diese Vision umzusetzen. Dafür führt Kemfert in unkomplizierten Worten einmal quer durch die Zusammenhänge – von der Energiekrise, die durch die schwindenden fossilen Rohstoffe entsteht und durch die wachsende Weltbevölkerung noch verschärft wird, zu dem sich in Stürmen und Überflutungen ankündigenden Klimawandel. Dazu widerlegt sie unter anderem die Klimaskeptiker, indem sie erklärt, warum der Klimawandel sehr wahrscheinlich ist. Sie erzählt die Erfolgsgeschichte des schwarzen Goldes und zeigt, wo sie enden wird. Und setzt sich für einen verbesserten Handel mit Emissionszertifikaten ein.Claudia Kemfert will jeden überzeugen: den klimaskeptischen Wirtschaftsboss,den zaghaften Politiker und die breite, auf günstigen Konsum gepolte Leserschaft. Sie will mit geringem Aufwand und genau kalkulierten Kosten gegen den Klimawandel vorgehen. „Innovation statt Depression“ lautet daher auch der Untertitel des Buches. Damit sich kein Trübsinn einstellt, erzählt sie ihre Sichtweise auf die nahende Umweltkatastrophe heiter und hält vergleichende Beispiele betont einfach.

Ungenaue Details

Ob der Leser, der sich für die wirtschaftlichen Zusammenhänge des Klimawandels interessiert, durch Scherze und Anekdoten aus dem Leben der Autorin aufgeheitert werden möchte, ist Geschmacksfrage. Das Problem liegt in der Glaubhaftigkeit des Buches. Dass die Autorin eine Wissenschaftlerin auf der Suche nach der Wahrheit ist, sagt sie schon auf den ersten Seiten und wiederholt es von da an bei jeder Gelegenheit. Aber es drängt sich die Frage auf: Stimmt das? Schließlich haben sich schon bei einfachen Sachverhalten Fehler eingeschlichen. Anders als Kemfert in der Mitte des Buches voraussetzt, hat China nämlich das Kyoto-Protokoll ratifiziert. Das Land der Mitte ist allerdings als Schwellenland vorerst nicht verpflichtet, seinen Ausstoß an Kohlendioxid zu reduzieren. Am Ende des Buches fällt es ihr dann auch wieder ein.An anderer Stelle schreibt die Professorin, dass in den USA „etwa 30 Prozent der Erwachsenen zur Gruppeder Lohas“ gehören sollen. Lohas ist die Abkürzung für Lifestyle of Health and Sustainability und bezeichnet Menschen, die Konsumfreude, gesunde Lebensweise, Klima- und Umweltschutz in einem Lebensstil vereinen. Das hieße, dass heute fast ein Drittel der Amerikaner überzeugte „Mittelstands-Ökos“ sind. Das klingt unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist, dass Kemfert die Zahlen eines Berichts des World Watch Institute aus dem Jahr 2006 falsch übernommen hat, in dem es heißt, dass ungefähr 30 Prozent der Haushalte bei ihren Einkäufen auf Umwelt und Gesellschaft Rücksicht nehmen. Also etwa 63 Millionen Menschen – anstatt 90 Millionen. Das bleibt allerdings Spekulation, denn die Wirtschaftsprofessorin hat darauf verzichtet, ihre Quellen anzugeben, wie es bei einem Sachbuch üblich ist. Daher ist es schwierig, Kemferts kompliziertere Annahmen nachzuvollziehen. Wie genau der Klimawandel die Kosten von 800 Milliarden Euro verursachen wird, bleibt genauso schwammig wie die Aussage, dass jeder mit 70 Cent pro Tag und Kopf klimaneutral leben kann. In einem Punkt ist Kemfert allerdings glaubwürdig: Der Klimawandel steht vor der Tür – und mit ihrem Buch macht sie vor, dass man davon profitieren kann. Das klimaneutral gedruckte Buch von Claudia Kemfert heißt: Innovation statt Depression – Die andere Klima-Zukunft, Murmann Verlag, Hamburg, gebunden, 264 Seiten, 19,90 Euro.

BD

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