Mit einer Leistung von 3,4 Megawatt ist im niederbayrischen Pilsting eine der größten Dachanlagen in Bayern ans Netz gegangen. Insgesamt wurden auf einer Gewerbehalle 8.460 Solarmodule auf rund 31.000 Quadratmetern Fläche montiert. Dies entspricht mehr als vier Fußballfeldern. Projektentwickler und Generalunternehmer war Fima Projekt GmbH aus Hofkirchen, die Montagesysteme lieferte die Schletter Group aus Kirchdorf.
Neben der Größe gehörten die statischen Anforderungen zu den planerischen Besonderheiten des Projekts. „Die Resttragfähigkeit des Daches war begrenzt“, erläutert Stephan Wild, der die technische Beratung für Dachsysteme bei Schletter leitet und das Projekt verantwortet hat. „Weil unsere Flachdachsysteme mit sehr wenig Ballast auskommen, waren wir dennoch in der Lage, die nötigen statischen Reserven einzuhalten.“
Geringe Traglasten optimal ausnutzen
So wurden die Module mit dem Flachdachsystem Fixgrid 18-100 montiert. Durch die Leichtbauweise und aerodynamische Optimierung hält das System mit einer minimalen Ballastierung auch hohen Windlasten stand. Damit erlaubt es die sichere, durchdringungsfreie Befestigung selbst bei geringer Resttragfähigkeit des Daches. „Mit dem System konnten wir standardmäßig die zulässige Flächenlast unterschreiten“, erläutert Stephan Wild. „Durch seine schnelle und einfache Montage ist das System außerdem besonders wirtschaftlich.“
Dieses Beispiel zeigt, dass auch bei großen gewerblichen Solardächern der Bann gebrochen scheint. Die Abschaffung der EEG-Umlage zur Jahresmitte, die steil ansteigenden Energiekosten der Unternehmen und die vereinfachten Regelungen im EEG 2023 dürften für zusätzlichen Schub sorgen. Eigenverbrauch in Gewerbe und Industrie wird zum wichtigsten Trend der modernen Energiewirtschaft.
Wirsol: Vorreiter aus Waghäusel
Ein Vorreiter bei der systematischen Erschließung von Dachflächen für Gewerbekunden ist die Firma Wirsol Roof Solutions aus Waghäusel bei Philippsburg, am Nordrand des Landkreises Karlsruhe in Baden-Württemberg gelegen. Allein im Gewerbegebiet Unterspeyerer Feld in Waghäusel konnte Wirsol 15 gewerbliche Dachanlagen mit einer Gesamtleistung von über zwei Megawatt bauen. Die Anlagen leisten zwischen 15 und 700 Kilowatt. Darunter sind Anlagen für möglichst hohen Eigenverbrauch bis hin zur Volleinspeisung.
Konzertierte Aktion der Unternehmer
Immer häufiger werden zusätzlich Speicher und Wallboxen installiert. „Waghäusel ist bereits heute im Vergleich zu anderen Kommunen und deren Gewerbegebieten gut auf die hohen Stromkosten eingestellt“, erzählt Johannes Groß, Geschäftsführer von Wirsol Roof Solutions. „Die Betriebe in Waghäusel haben gemeinsam mit uns als Photovoltaikspezialisten schon vor einiger Zeit mit der Umsetzung der Energiewende begonnen.“
Viele Gewerbekunden versuchen, einen großen Teil ihres Strombedarfs selbst zu erzeugen. Aktuell kommen vor allem immer häufiger Batteriespeicher hinzu, um den Stromverbrauch im Betrieb zu optimieren und die Leistungsanforderungen der Sektorkopplung zu bewältigen.
Nach Auffassung des Experten zeigt das Waghäuseler Gewerbegebiet exemplarisch, was in einer Kommune möglich ist, wenn der Ausbau der erneuerbaren Energien forciert wird und Kommune und örtliche Gewerbebetriebe gemeinsame Ziele verfolgen. „Die klimafreundliche Stromerzeugung ist allein aus der unternehmerischen Eigeninitiative unserer Gewerbekunden hier in der Stadt entstanden“, erläutert Johannes Groß.
Es gibt noch unzählige weitere Anlagen von Gewerbebetrieben und auf privaten Wohngebäuden im Stadtgebiet der Kreisstadt. Photovoltaikanlagen auf kommunalen Gebäuden sind in Waghäusel dagegen bisher die Ausnahme. „Durch die hohen Strompreise erleben wir eine extrem hohe Nachfrage nach Photovoltaikanlagen mit Speicher und Wallboxen im gewerblichen und privaten Bereich“, analysiert Johannes Groß. „Wir stocken unsere Montageteams weiter auf und erweitern unsere Kapazitäten für die Planung und im Lager.“
Dazu hat das Waghäuseler Unternehmen das eigene Schulungszentrum Solarteur Camp Rhein-Neckar mit einem Übungsgebäude zur Dachmontage für die Weiterbildung und Schulung der Mitarbeiter aufgebaut. Das Camp ist nicht nur in der Region einmalig in der handwerklichen Weiterbildung, sondern sucht bundesweit seinesgleichen.
78 Kilowatt auf der Kletterhalle
Natürlich spielt bei der Planung von Anlagen für den Eigenverbrauch neben der Dachgröße auch die Art des Unternehmens eine wichtige Rolle. Davon hängen die Lastprofile des Verbrauchs von elektrischem Strom ab. Ein Beispiel sind Sporthallen. So hat die Sektion Karlsruhe des Deutschen Alpenvereins (DAV) die Experten von Wirsol Roof Solutions mit dem Bau einer Photovoltaikanlage beauftragt.
Installiert wurden 78 Kilowatt auf dem Dach des DAV Kletter- und Boulderzentrums in Karlsruhe. Auf knapp 385 Quadratmetern erwirtschaftet die Anlage 76.800 Kilowattstunden pro Jahr. Der Löwenanteil des Sonnenstroms wird im Gebäude genutzt.
Netzanschluss mit 110 Kilovolt
Das Potenzial der Gewerbedächer ist riesig. Auf dem ehemaligen Goodyear-Gelände im Industriepark Philippsburg entstand im Frühjahr 2022 derzeit ein riesiges Dachkraftwerk, das gleichfalls von Wirsol Roof Solutions gebaut wurde. Es versorgt rund 1.100 Haushalte mit grünem Strom und leistet drei Megawatt.
2021 wurde auf einer Teilfläche des riesigen Hallenkomplexes bereits eine Photovoltaikanlage ans Netz angeschlossen. Nun folgte das zweite Dachkraftwerk mit 7.784 Solarmodulen.
Bei der Planung und Umsetzung des Projekts waren einige technische Herausforderungen zu meistern. Dazu gehörte die Anforderung, die Anlage in das ehemalige Arealnetz mit 2,4 Kilovolt einzubinden. Zusätzlich war es notwendig, die Kriterien des Hochspannungsnetzes zu erfüllen, da der Netzverknüpfungspunkt das eigene Umspannwerk des ehemaligen Industriekomplexes (110 Kilovolt) ist.
Sonnenstrom für Beauty-Produkte
Ende des vergangenen Jahres erhielt Wirsol Roof Solutions den Auftrag, Solarmodule auf 1.000 Quadratmeter Dachfläche der Parsa Haar- und Modeartikel GmbH in Sinsheim zu installieren. Das Dach gehört zu einer Lagerhalle, in dem die Parsa-Produkte kommissioniert werden. Insgesamt wurden über 500 Module und drei Wechselrichter verbaut. Die installierte Leistung beträgt knapp 200 Kilowatt. Die Anlage wurde für den Eigenverbrauch mit Überschusseinspeisung konzipiert.
Parsa erzeugt damit fast 200.000 Kilowattstunden Solarstrom im Jahr. Davon verbraucht das Familienunternehmen in Sinsheim etwa 166.000 Kilowattstunden selbst, was rund 84 Prozent der erzeugten Energie entspricht. Parsa verkauft jährlich mehr als 85 Millionen Produkte in über 30 Länder.
Klimaneutraler Betrieb in Sinsheim
Der Autarkiegrad liegt über 30 Prozent. Parsa hat sich auf die Fahnen geschrieben, die ökologische Bilanz seiner Produkte deutlich zu verbessern, beispielsweise durch FSC-zertifiziertes Holz und Papier sowie Biomaterialien wie Kork oder Weizenstroh. „In Sinsheim sind wir zu 100 Prozent klimaneutral und gleichen unvermeidbare CO₂-Emissionen durch die Unterstützung von international zertifizierten Klimaschutzprojekten aus“, erläutert Frank Hohl die Strategie, Geschäftsführer von Parsa. „Wir freuen uns sehr, dass wir durch die Zusammenarbeit mit Wirsol zusätzlich unseren eigenen Strom erzeugen können und damit unsere Umwelt entlasten.“