Den Anfang macht eine dürre 13-Zeilen-Meldung in der FAZ. „Amerikanische Wissenschaftler haben einen Generator konstruiert, der aufgefangenes Sonnenlicht in elektrischen Strom verwandeln soll“, heißt es dort am 28. April 1954. „Die Erfinder glauben, etwa sechs Prozent der Sonnenenergie umwandeln zu können.“ Der Schluss ist ein Ausblick in Bildern: Facetten der Sonnenwende, die die aktuelle und künftig mögliche Bedeutung der Solarenergie für die Welt illustrieren. Und dazwischen schildert Autor Bernward Janzing in seinem Buch „Solare Zeiten“ ebenso informativ wie unterhaltsam den Jahrzehnte währenden Kampfengagierter Bürger und Forscher, Politiker und Unternehmer, der schließlich den Durchbruch der Sonnenenergie sowie die Entwicklung von der universitären Grundlagenforschung hin zu einer milliardenschweren internationalen Industrie möglich machte.
Es ist dieser Entwicklungsprozess, der das Lesen des Buches so spannend macht. Gerade zu Beginn hatten die Solar-Akteure sehr unterschiedliche Ziele: Weltraumforscher brauchten Strom für ihre Satelliten, Politiker suchten Ersatz für das knapper werdende Erdöl, Bürger setzten sich ein für den Klimaschutz und Alternativen zur Atomkraft. Das führtejedoch nicht zu einer Spaltung der Bewegung, sondern dazu, dass viele Menschen Teil einer großen Solargemeinschaft wurden, jeder auf seine Weise – vom Garagenbastler bis zum Umweltverband, vom Wissenschaftler bis zum Architekten, vom Kommunalpolitiker bis zum Unternehmer. Ihre Motive waren ebenso unterschiedlich wie ihre Wege und die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel, aber gemeinsam setzten und setzen sich alle Aktiven für den Anbruch solarer Zeiten ein – und die etablierte Energiewirtschaft mit ihrem atomar-fossilen Kraftwerkspark zunehmend unter Druck. Janzing erzählt eine Geschichte von technischenDurchbrüchen und ökonomischen Hemmnissen, von bewussten Fehleinschätzungen und Irrtümern aus Unwissenheit, eine Geschichte von großen Zielen, aufgelockert mit kleinen Kuriositäten und Anekdoten – wer erinnert sich schon noch daran, dass der Bundesverband Solarenergie einst seinen Sitz in der Essener RWE-Zentrale hatte oder dass 1983 auf der Nordseeinsel Pellworm das mit 300 Kilowatt größte Solarkraftwerk Europas und das zweitgrößte der Welt in Betrieb ging? Und auch wenn die erste FAZ-Meldung auf die US-amerikanischen Wurzeln der Photovoltaik verweist: Janzing konzentriert sich in seinem Buch ganz klar auf den deutschsprachigen Raum. Fast auf jeder Seite begegnen dem Lesenden daher bekannte Firmen und Gesichter, Orte und Initiativen.
Ergänzt werden die Schilderungen durch zahlreiche Abbildungen. Janzing zeigt die Anfänge der Solarnutzung in der Raumfahrt ebenso wie das erste Solarmobil, das schon 1978 bei den Sasbacher Sonnentagen zu sehen war, die Entwicklung der deutschen Zell- und Modulproduktion, die Fortschritte beiForschung und Anwendung sowie wichtige Akteure im deutschsprachigen Raum. Deutlich werden die Meilensteine: die Ölkrise 1973, der Beginn der Netzeinspeisung 1979, der Tschernobyl-Schock 1986 und das darauf folgende 1.000-Dächer-Programm, der Einstieg mittelständischer Unternehmen Anfang der 90er Jahre, der Zündfunke des Regierungswechsels von 1998, der schließlich zur Entwicklung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes führte, aus jüngster Zeit die internationalen Impulse von Projekten wie Desertec oder Irena.
Am 26. April 2011, zum 25. Jahrestag von Tschernobyl, ist das Buch im Picea Verlag erschienen. Und mit „Das Ende des Atomzeitalters“ hat Bernward Janzing hoffnungsvoll das Kapitel zum Jahr 2011 überschrieben, in das er kurz vor Redaktionsschluss auch noch die Atomkatastrophe von Japan aufnahm. Denn seit dem 12. März ist die Welt eine andere. „Die verheerenden Atomunfälle“, schreibt Janzing, „werden die globale Energiepolitik gravierend verändern, viel stärker, als es 25 Jahre zuvor die Katastrophe von Tschernobyl vermochte. Denn erstens ist Japan anders als die Ukraine ein hochtechnisiertes Land. Und zweitens haben die erneuerbaren Energien inzwischen eine ganz andere technische und auch ökonomische Reife erlangt – womit sich die Energiewende nun geradezu aufdrängt.“
Janzing, Bernward: Solare Zeiten. Die Karriere der Sonnenenergie. Picea Verlag, Freiburg. Hardcover, 192 Seiten mit 275 Abbildungen. ISBN 978-3-9814265-0-2. 24 Euro.