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Rechnen mit vielen Variablen

Die Preise für Photovoltaikanlagen sinken stetig. Doch sie werden eine große Investition in die Zukunft bleiben. Nicht nur für die Eigentümer von Einfamilienhäusern, sondern auch für die Investoren in große Anlagen ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Generatoren ihr Geld auch wieder einspielen.

Wenn die Anlage aber am falschen Ort steht, kann sie das nicht. Ein kleines Detail, an das kaum jemand denkt: Die Oberfläche der Module ist aus Glas. Das lässt zwar die Sonnenstrahlen auf die Zellen darunter durch. Es hat aber auch eine unangenehme Eigenschaft: Es reflektiert einen kleinen Bruchteil des eingestrahlten Lichts.

Auch wenn der reflektierte Anteil kleiner ist als die Einstrahlung, so kann er doch groß genug sein, um zu blenden. Aber das ist nicht unberechenbar. Mit einem entsprechenden Gutachten kann die Blendwirkung der Module ziemlich genau vorherbestimmt werden.

Die DIN EN 12665 definiert Blendung als unangenehmen Sehzustand durch ungünstige Leuchtdichteverteilung oder zu hohe Kontraste. Für das menschliche Auge sind dann die Gegenstände auf der Sichtachse zur Blendquelle nicht mehr wahrnehmbar. Wenn zu starkes Licht auf das Auge trifft, wird es nicht nur als störend wahrgenommen, sondern kann tatsächlich im Straßen-, Schienen- oder Luftverkehr gefährlich werden.

Das Auge kann Schaden nehmen

Mit welcher maximalen Intensität das Licht an einem konkreten Punkt ankommt, ist berechenbar. Die entscheidenden Größen sind dabei die Leuchtdichte der Blendlichtquelle und die Beleuchtungsstärke eines Objektes beziehungsweise des Auges.

Die Leuchtdichte wird in Lichtstärke pro leuchtender Fläche angegeben. In der Morgenstunde eines klaren Tages leuchtet die Sonne bereits mit sechs Millionen Candela pro Quadratmeter. Bis zur Mittagszeit steigt diese Leuchtdichte auf 1,5 Milliarden Candela pro Quadratmeter. In beiden Fällen kann das Auge Schaden nehmen, wenn der Mensch zu lange direkt in die Sonne blickt.

Die Beleuchtungsstärke wird als Lichtstrom pro beleuchteter Fläche in Lumen pro Quadratmeter (Lux) gemessen. Die im Zenit stehende Sonne, zusammen mit dem Streulicht des Himmels, beleuchtet die Erde mit bis zu 110.000 Lux. Kurz vor Sonnenuntergang beleuchtet die Sonne bei klarer Sicht eine senkrecht zu ihr stehende Fläche nur noch mit unter 2.000 Lux.

Die Moduloberfläche reflektiert das Licht aber nur mit einem Bruchteil der eingestrahlten Intensität. Die Solarmodule sind so aufgebaut, dass sie möglichst wenig Licht reflektieren, um den größtmöglichen Teil des Sonnenlichts für die Stromproduktion zu nutzen.

Die geringsten Reflexionen entstehen, wenn die Sonne senkrecht auf das Modul trifft. Dann bleiben 95 Prozent des Sonnenlichts im Modul und nur ein kleiner Teil wird reflektiert.

Dieser Anteil kann aber schon ausreichen, um durch eine Blendung die Sehfähigkeit zu behindern und einem Autofahrer für einige Sekunden die Sicht zu nehmen, wenn die leuchtende Fläche groß ist und direkt in die Sichtachse des Fahrers gerät.

Mit sinkendem Sonneneinfallswinkel steigt auch die Reflexion. Bis zu einem Winkel von 25 Grad von der Moduloberfläche werden immer noch bis zu 80 Prozent des Sonnenlichts für die Stromproduktion genutzt.

Sinkt die Sonne noch weiter, nimmt der Grad der Reflexion rapide zu. Trifft das Sonnenlicht in einem Winkel von vier Grad auf das Modul, werden von der Oberfläche etwa 70 Prozent des einfallenden Lichts reflektiert.

Modulneigung beachten

Bei der Begutachtung einer Anlagenplanung ist es deshalb wichtig, wann und wohin wie viel Sonnenlicht reflektiert wird. Zum anderen muss der Gutachter auch die Frage beantworten, was das Sonnenlicht an der Stelle bewirken kann, an der es auftrifft.

Wann und wohin reflektiert wird, hängt natürlich in allererster Linie von allen möglichen Sonnenständen im Jahreszyklus am konkreten Anlagenstandort ab. Sie zu berechnen ist deshalb die Basis eines Blendgutachtens. Dabei muss die mögliche Wolkenbedeckung unberücksichtigt bleiben, da sie zeitlich nicht vorhergesagt werden kann.

Außerdem muss der Gutachter auch die Reflexionseigenschaften der verwendeten Module und deren Neigung und Ausrichtung beachten. Bei Modulen mit glatten Oberflächen kann in guter Näherung von der sogenannten idealen Reflexion ausgegangen werden, bei der Einfalls- und Ausfallswinkel des Lichts gleich groß sind.

Dabei spielt eine Antireflexbeschichtung kaum eine Rolle. Sie minimiert zwar die Reflexion etwas, um einen höheren Anteil des Lichts in Strom umwandeln zu können. Aber ihr Ziel ist nicht, das reflektierte Licht so stark zu streuen, dass keine gerichtete Reflexion mehr übrig bleibt.

Nicht auf Liegenschaftskarten verlassen

Hier können eher noch Reflexionen an inneren Oberflächen des Moduls oder äußerliche Verschmutzung zu einer leichten Aufweitung des Bündels von Reflexionsstrahlen oder sogar zu einem Winkelversatz führen. Außerdem kann speziell prismiertes Deckglas die Reflexionseigenschaften der Module erheblich ändern. Geht man bei normalen, glatten Modulgläsern mit oder ohne Antireflexbeschichtung in erster Näherung von idealer Reflexion aus, ist auch die Orientierung der Module im Raum wichtig.

Dabei genügt es keinesfalls, die Angaben für die Ausrichtung und die Neigung der Module ungeprüft als Berechnungsbasis zu nehmen. Zum einen werden Planungen meist aufgrund von Liegenschaftskarten erstellt, die nicht am geografischen Nordpol ausgerichtet sind, sondern an Gitternord. Das kann Abweichungen von einigen wenigen Grad zur Folge haben. Früher nutzte man dafür das Gauß-Krüger-Koordinatensystem. Heute erstellt man die Karten auf der Basis des ETRS89/UTM-Systems.

Jedes Modul reflektiert anders

Wesentlicher ist aber der Untergrund bei Freiflächen. So hat ein Modultisch zwar in sich meist eine einheitliche Orientierung. Aber bei unebenem Gelände kann sich die Orientierung von Tisch zu Tisch zum Teil erheblich ändern. Das führt dazu, dass nur die Module auf Tischen mit annähernd gleicher Orientierung gleichzeitig zu einem bestimmten Blickpunkt reflektieren, während die Module auf den gegenläufig geneigten Tischen „stumpf“ wirken. Die Auswirkungen derartiger Unterschiede müssen in die Betrachtungen einbezogen werden.

Hat man eine zur Blendung führende Reflexionsrichtung ausgemacht, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass das reflektierte Licht auch bis zum Betrachter gelangen kann. Ist die Blickverbindung durch Geländeerhebungen oder Häuser unterbrochen, kann auch nichts blenden.

Der Zeitpunkt einer möglichen Reflexion zu einem Betrachtungsort kann auch verschiedene Auswirkungen haben. Einerseits hängt die Intensität der Sonnenstrahlung von der Sonnenhöhe ab. Andererseits gibt es Zeiten, wo auch starke Blendung kein Problem darstellt, wenn nämlich kein Beobachter gestört werden kann. So stören Reflexionen morgens um sieben Uhr auf einer Landebahn nicht, wenn der Flugbetrieb erst um acht Uhr beginnt.

Blendforschung steckt in den Anfängen

Wenn die Anlage aber tatsächlich blendet, geht es noch darum, wer geblendet wird. Denn die Begutachtung spaltet sich in zwei recht unterschiedliche Zweige auf. Einerseits geht es um die mögliche Belästigung im Wohn- oder stationären Arbeitsbereich. Auf der anderen Seite steht die verkehrsgefährdende Beeinträchtigung der Sehfähigkeit von Fahrzeugführern.

Beiden Zweigen ist eigentlich nur eins gemeinsam: Es gibt keinerlei wissenschaftlich fundierte Untersuchungen zu den Auswirkungen einer Blendung!

Weder zu belästigender Wirkung im Wohnbereich noch zu Verkehrsgefährdung durch Sonnenlichtreflexionen wurden bisher systematische Untersuchungen angestellt. Ergebnisse aus der Blendforschung zu nächtlichen Phänomenen, für die es schon Untersuchungen gibt, sind nicht auf Tageslichtbedingungen übertragbar. Dazu unterscheiden sich die Augenfunktionen bei den verschiedenen Adaptionslevels des skotopischen Sehens in der Nacht, des mesopischen Dämmerungssehens und des photopischen Tagessehens viel zu sehr.

Zeitliche Grenzwerte reichen nicht

Für den Bereich der Belästigung im Wohn- und Arbeitsbereich gibt es zwar eine behördeninterne Richtlinie (LAI-Lichtrichtlinie), die einen ersten Anhaltspunkt für die Zumutbarkeit beziehungsweise die Unzumutbarkeit von Reflexionen, zeitliche Grenzwerte und eine vereinfachende Berechnungsanleitung anbietet. Diese Richtlinie ist aber höchst umstritten, da sie auf keinerlei Wirkuntersuchungen basiert. Sie übernimmt auf Basis sachfremder Erwägungen Grenzwerte aus einem anderen Regelungsbereich, und sie verleitet manche Behörde dazu, die zeitlichen Grenzwerte als einzig ausschlaggebend anzusehen. Gerichte betonen dagegen immer wieder, dass der konkrete Einzelfall zu bewerten ist.

Im Bereich des Verkehrs, wo es also um mögliche Sichtbehinderungen und Sicherheit geht und nicht nur um Belästigung, ist das Fehlen jedweder Leitlinien und wissenschaftlicher Untersuchungen noch bedenklicher.

Im Verkehr zählt jeder Moment

Die Sehaufgaben, die ein Pilot bei Start oder Landung, ein Lokführer in der Nähe von Bahnhöfen oder -übergängen, ein Kraftfahrer auf der Autobahn oder an einer unübersichtlichen Kreuzung zu bewältigen hat, sind an sich schon sehr unterschiedlich. Größe, Intensität und Position einer oder gar mehrerer Blendquellen im Blickfeld haben zusätzlich noch Einfluss auf die Fähigkeit eines Fahrzeugführers, alle relevanten Details des Verkehrsgeschehens so weit wahrzunehmen, dass ein rechtzeitiges und adäquates Reagieren möglich bleibt. Dazu kommt noch, dass nicht jedes Auge gleich reagiert.

Ein Versuch, die LAI-Regeln für den Wohnbereich auf Fragen des Verkehrs anzuwenden, ist damit völlig ungeeignet. Denn es genügt eine sehr kurze Zeitspanne, in Extremfällen ein einzelner Moment, mit zu starker Lichteinwirkung in der Sichtachse, um die Sehfähigkeit des Auges für einige Sekunden vollkommen zum Erliegen zu bringen.

Im Wohnbereich oder am Schreibtisch mag das sehr unangenehm sein. Aber niemand schaut genau in eine sehr helle Lichtquelle. Im Verkehrsgeschehen dagegen kann der bewegte Beobachter nicht wissen, was ihn hinter der nächsten Ecke, hinter einer Geländeerhebung oder am Waldrand erwartet. Hier zählt der einzelne Moment und keine nach Minuten berechnete Zeitspanne.

All die verschiedenen Faktoren müssen stets in einer Gesamtschau verarbeitet werden, um eine ausreichend sichere Prognose für störungsfreien Anlagenbetrieb der nächsten 20 Jahre geben zu können. Dieser Aufwand treibt den Preis für ein solches Gutachten in die Höhe. Doch dieser ist im Vergleich zur Investitionssumme für einen großen Solarpark so gering, dass es schon fahrlässig ist, darauf zu verzichten. Denn wenn das Blendgutachten im Vorfeld erstellt wurde, kann der Planer auf eventuell auftretende Reflexionen reagieren. Er kann dann die Ausrichtung von Teilen des Generators entsprechend anpassen oder die Modulneigung leicht vergrößern oder verkleinern. Oft reicht auch eine Hecke aus, die neben den Solarpark gepflanzt wird und die Reflexionen von den Solarmodulen abfängt.

Das alles kann zwar den Ertrag der Anlage leicht verringern. Doch kann der Planer dies in seine Wirtschaftlichkeitsberechnung mit einbeziehen. Bleibt die Anlage trotzdem noch rentabel, kann sie realisiert werden. Es ist aber immer noch preiswerter, als im Nachhinein zu versuchen, Reflexionen zu verhindern. Wenn der Generator den Verkehr zu stark blendet und andere Maßnahmen nicht möglich sind, muss die Anlage im Zweifelsfall komplett abgebaut werden. Da ist es preiswerter, leichte Ertragseinbußen hinzunehmen und einen verschwindend kleinen Anteil der Investitionssumme vorher in ein Blendgutachten zu stecken.

www.solarpraxis.com

Der Autor

Wolfgang Rosenthal

ist Projektingenieur bei der Solarpraxis Engineering. Seit 2009 hat er über 170 Blendgutachten erstellt beziehungsweise deren Erstellung durch Kolleginnen und Kollegen begleitet und entwickelt die hausinterne Berechnungssoftware laufend fort.