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Rückwärts in die Zukunft

Einst vernetzte sie Städte, ermöglichte vollautomatischen Brieftransport von Haus zu Haus: Die Rohrpost. Doch mit dem Vormarsch des Telefons geriet sie langsam in Vergessenheit. Paris, London und Berlin schalteten die Röhren wieder ab; nur Prag unterhält noch heute ein nostalgisch anmutendes Röhrensystem, durch das mit Briefe gefüllte Kapseln rauschen – pneumatisch angetrieben.

Doch mit ihrem Aussterben geschah der Röhre unrecht, ist Michael Thalhammer aus Graz überzeugt. Der gelernte Altenpfleger setzt auf eine solargetriebene Transportröhre als Ersatz für die Straße, und taufte sein – patentiertes – Konzept „TubeWay“.

Die Beschreibung seiner Idee erinnert dabei ein wenig an die farbenprächtigen Zukunftsvisionen der sechziger und frühen siebziger Jahre: TubeWay soll aus gläsernen Röhren bestehen, mit fast zweieinhalb Metern Durchmesser; die Kapseln sollen bis zu sieben Meter über den klassischen Straßen gleiten. An den Haltestellen sammeln sich die Menschen auf einer Plattform zu ebener Erde. Rauscht eine Kapsel in den Haltepunkt, hebt sich die Plattform bis in die Höhe der Glasrohre und lässt die Fahrgäste ein- und aussteigen.

Dann fließt die Kapsel weiter, gezogen und gedrückt von Luft. Vor ihr saugt ein Unterdruck, hinter ihr presst der Überdruck. Der muss von Kompressoren erzeugt werden, die alle ein bis acht Kilometer aufgestellt werden und über Solarzellen mit Strom versorgt werden sollen. Die Zellen sollen ihren Platz auf den Röhren finden – das System würde damit seinen Verbrauch vor Ort selbst erzeugen.

Experten skeptisch

Eine Röhrenbahn in dieser Größenordnung hat bis heute noch niemand gebaut. Im Zuge der ersten Rohrpost-Begeisterung im vorletzten Jahrhundert hatten zwar Thomas Webster Rammell und Latimer Clark in London sowie Alfred Beach in New York Versuche mit pneumatischen Röhren für den Transport von Paketen und auch Menschen unternommen. In London wurde in den 1860er Jahren sogar eine Paketbahn eröffnet, aber nach nur knapp zehn Jahren wieder eingestellt. Die Bahn brachte nicht den gewünschten Gewinn. New York sah 1870 sogar die Eröffnung einer kurzen Linie der Beach Pneumatic Transit Company unter dem Broadway – ein Vorläufer der U-Bahn.

Doch die wurde spätestens 1873 wieder eingestellt – die Schienen-Konkurrenz war einfach schon zu weit fortgeschritten, als dass pneumatische Züge noch viele Vorteile hätten bieten können. Das werde heute anders sein, zeigt sich Thalhammer auf seinen Internetseiten überzeugt. Heute könnten Röhrenbahnen – getrieben von Sonne und Luft – der Bahn und dem Auto das Wasser reichen.

Doch davon sind andere nicht ganz so überzeugt. Eine Entwicklergruppe um den inzwischen emeritierten Rohrtechnik-Experten Dietrich Stein, die derzeit ein neues, unterirdisches Rohr-Gütersystem entwickelt, hatte dabei zunächst auch an pneumatische Kapseln gedacht. Aber die Berechnung des Energieverbrauchs zeigte, dass schon bei einem Durchmesser von 1,6 Metern viel zu viel Energie erzeugt werden müsste, um die Kapseln voran zu treiben. Eine genaue Angabe des Energieverbrauchs bleibt Thalhammer dann auch schuldig. Stein setzt für seine „CargoCaps“ inzwischen auf konventionelle Rad-Schiene Technik mit Elektromotoren.

Ein weiterer Nachteil in den Augen des Ingenieurs: TubeWay soll oberirdisch gebaut werden. „Bei einem oberirdischen Bau hat man aber sofort das Problem, dass die Röhren störend in die Landschaft eingreifen“, sagt Stein. Und er schätzt, dass man mit heftigen Protesten rechnen muss, sollte ein Unternehmen oder eine Stadt auf die Idee kommen, mitten durch die City Röhren auf Stelzen zu führen, die fast so breit und hoch sind wie Kleintransporter.

Die Batterien von Fahrzeugen mit Solarzellen aufzuladen, die entlang des Weges oder auf den Wagen selbst montiert werden, ist zwar eine gute Idee. So könnten sich zum Beispiel Triebwagen der Bahn zusätzlich mit Energie versorgen lassen – was den zusätzlichen Charme hätte, nicht gleich eine ganz neue Infrastruktur aufbauen zu müssen. Futuristisch anmutenden Kapseln in Glasröhren jedoch dürfte ein ähnliches Schicksal beschieden sein wie jenen bunten Bildern einer besseren Zukunft: Sie wurden nie gebaut.

Sönke Gäthke

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