Lithium-Ionen-Speicher sind so eine Sache. Es gibt vieles zu beachten, um die Sicherheit zu garantieren. Das wissen die meisten Installateure. Vielen machen deshalb einen Bogen um diese Technologie und ziehen Bleispeicher vor. Wer mit Lithium-Ionen-Akkus arbeitet, muss sich zunächst einiges an Wissen aneignen. Das war bisher aber verstreut und die Einarbeitung in das Gebiet deshalb schwierig. Dies ändert sich gerade. So lohnt es sich, etwas genauer hinzuschauen, um in das lukrative Geschäft einzusteigen.
Lithium-Ionen-Speicher werden immer billiger. „Die Durchschnittspreise sind allein im Verlauf dieses Jahres um ein Fünftel gesunken“, sagt Sam Wilkinson, Forschungsleiter für die Energiespeicherung bei den US-Marktforschern von IHS. Und sie werden weiter sinken, prognostizieren die Marktforscher. Deshalb wird dieses Segment auch für Installateure immer wichtiger. Zugleich hat sich in den letzten Jahren eine Vielzahl von Gremien mit der Sicherheit bei Speichersystemen im stationären Bereich und speziell mit der Sicherheit von Lithiumspeichern beschäftigt. Schon lange arbeiten die Experten an Sicherheitsregeln für stationäre Speicher und speziell für Lithium-Ionen-Akkus.
Entwurf der VDE-AR-E 2510-50 vorgelegt
Der VDE hat den Entwurf der Anwendungsregel VDE-AR-E 2510-50 „Stationäre Energiespeichersysteme mit Lithium-Batterien – Sicherheitsanforderungen“ im November veröffentlicht. Die Anwendungsregel, die den Einsatz dieser Geräte auch im privaten Haushalt adressiert, unterliegt derzeit noch einem Einspruchsverfahren und wird voraussichtlich im Frühjahr 2015 formal erscheinen.
Um sofort etwas in der Hand zu haben, hat ein Zusammenschluss von Verbänden ebenfalls im November den „Sicherheitsleitfaden Lithium-Ionen-Hausspeicher“ veröffentlicht. Er stellt keine Norm dar, sondern ergänzt den aktuellen Stand der Technik. Da Normen als „allgemein anerkannte Regeln der Technik“ einen längeren Prozess durchlaufen müssen, stellt der Leitfaden während des Normungsprozesses und bis zur Veröffentlichung der Normen bei der Herstellung und dem Betrieb von Batteriespeichersystemen auf Lithium-Ionen-Basis eine Empfehlung für die Branche dar.
Die Expertengruppe der Verbände lädt alle noch nicht in den Prozess involvierten Marktteilnehmer ein, ihre Erfahrungen und ihr Wissen zum Thema Batteriesicherheit ebenfalls einzubringen. Selbst bei einem Fehler, beispielsweise in der Schutztechnik, darf kein unsicherer Zustand auftreten. Somit definiert der Leitfaden ein eigensicheres Batteriespeichersystem. Es werden insgesamt 41 Schutzziele definiert und hierzu anwendbare Normen benannt. Außerdem zählt der Leitfaden mögliche präventive oder korrektive Maßnahmen auf. Hinzu kommen Sicherheitsanforderungen an solche Produkte, die nicht durch Normen, Richtlinien, Verordnungen und Fachregeln abgedeckt sind.
Mit dem Sicherheitsleitfaden entwickeln der Bundesverband Solarwirtschaft und der VDE den Speicherpass für Batteriespeicher in Kombination mit Solarstromanlagen weiter.
Sicherheit steht ganz oben
In ihn wird jetzt ein umfassendes Sicherheitskonzept integriert. „Mit der Veröffentlichung des Sicherheitsleitfadens für Lithium-Ionen-Hausspeicher gibt es nun bereits vor Abschluss des zeitaufwendigen Normungsprozesses erstmals einheitliche Empfehlungen für die Herstellung und den Betrieb von Speichersystemen“, kommentiert Speicherexperte Martin Rothert von SMA. Dies sorge in einem wachsenden Markt für zusätzliche Sicherheit.
Für die Hersteller dürfte der Entwurf der Anwendungsregel VDE-AR-E 2510-50 besonders interessant sein. Sie können ihn in Verbindung mit einer Risikoanalyse bereits anwenden. Die Anwendungsregel fasst die bereits existierenden gesetzlichen Vorgaben und Normen für Lithium-Ionen-Batterien übersichtlich zusammen und erleichtert Herstellern von elektrischen Energiespeichern die Normenrecherchen, zu denen sie verpflichtet sind, um den Stand der Technik zu ermitteln. Alle bekannten Risiken und die damit verbundenen Prüfungen sind aufgeführt.
Darüber hinaus bildet die VDE-Anwendungsregel durch den Verweis auf sich im Entwurf befindliche Normen den aktuellen Stand der Technik ab, wie die IEC 62619 für stationäre elektrische Energiespeicher im industriellen Einsatz. „Die vorliegende Norm gilt nur für Batteriespeicher, die aus Lithium-Ionen-Zellen oder einer anderen auf Lithium basierenden Zellenchemie wie Lithium-Polymer-Zellen bestehen“, betont der VDE.
Mit den beiden Dokumenten, dem Sicherheitsleitfaden Lithium-Ionen-Hausspeicher und dem Entwurf einer Anwendungsregel, stehen allen, die mit Speichersystemen auf Litium-Ionen-Basis zu tun haben, wirksame und aktuelle Hilfen zur Seite. So können auch die Installateure umdenken, denen diese Systeme bisher zu riskant waren. Der Leitfaden ist gratis, die AR kostet beim VDE schlappe 93,53 Euro.
Kurz nachgefragt
„Ein gutes Instrument zur Orientierung“
Gab es einen konkreten Anlass, einen Leitfaden für die Sicherheit von Lithium-Ionen-Speichern zu veröffentlichen?
Urban Windelen: Es gab Vorfälle durch unsichere Systeme und auch entsprechende Berichterstattung, die den Markt verunsichert hat, weil gute und sichere Systeme nicht ohne detaillierte Betrachtung von Systemen mit Sicherheitsmängeln unterschieden werden konnten. Durch die KfW-Förderung und Werbung steigt in Deutschland die Nachfrage, und so entstand Handlungsbedarf. Ähnlich anderen Branchen waren noch keine kompletten Standards verfügbar, die den Besonderheiten von Lithium-Ionen-Systemen gerecht wurden. Die Normenentwürfe der IEC werden wohl noch einige Zeit bis zu finalen Versionen brauchen.
Über welche Speichergrößen reden wir?
Die Speichersysteme stehen überwiegend im privaten Umfeld, also dort, wo kaum elektrische Betriebsräume mit entsprechender Sicherheitseinrichtung zu erwarten sind. Das ist auch ein Thema der Produktsicherheit und der Haftung, da bei der Risikoanalyse neben vorhandenen Normen auch der Stand der Technik berücksichtigt werden muss. Doch speziell bei den Technologien für den Einsatz im privaten Umfeld fanden die Experten der Verbände diesen noch nicht klar genug an einer Stelle dargestellt. Deshalb enthält der Leitfaden neben den Schutzzielen auch einen Teil, der den Stand der Technik speziell mit den elektrochemischen Eigenschaften von Lithium-Ionen-Zellen ergänzt. Das alles ist nun für jeden frei zugänglich. Da sich Technologien schneller entwickeln, als die internationale Normierung reagieren kann, ist auch die neue VDE-Anwendungsregel, die vor Kurzem im Entwurfsstatus veröffentlicht wurde, hilfreich.
Wer ist jetzt gefragt und wie wichtig ist es, sich bei der Gestaltung der Anwendungsregel (AR) einzubringen?
Das ist weiterhin sehr wichtig. Normen und Anwendungsregeln leben von Engagement und Beteiligung, und die Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (DKE) bietet die notwendige Struktur. Mehrere unserer Mitgliedsunternehmen entsenden bereits ihre Experten in die entsprechenden Gremien. Wenn sich jemand einbringen möchte, sollte das mit der DKE abgesprochen werden. Dort gibt es bewährte Arbeitsstrukturen für Normen und Anwendungsregeln.
Eine AR berücksichtigt verschiedene Normenauszüge. Welche sind das bei Lithiumspeichern?
Da sind viele Bereiche für ein Gesamtsystem aus Batterie, Umrichter und Steuerung relevant. Das geht unter anderem von elektrotechnischen Themen wie zum Beispiel Isolation, Berührschutz über elektrotechnische Verträglichkeit und funktionale Sicherheit bis zur Software. Aus Sicht des Bundesverbandes Energiespeicher ist das sehr hilfreich, speziell weil solche Anwendungsregeln unseren Mitgliedern ihre Entwicklungsarbeit erleichtern und für mehr Produktsicherheit sorgen.
Nimmt der Leitfaden die Regelungen in der neuen Anwendungsregel weitgehend vorweg?
In den aktuellen Versionen nicht. Es gibt wenige Überschneidungen, die nicht zu vermeiden waren, weil Standardfehler wie zum Beispiel Kurzschlüsse oder Überladung natürlich in jedem Sicherheitspapier für Batteriespeicher enthalten sein müssen. Die Schwerpunkte sind unterschiedlich. Der Sicherheitsleitfaden hat die elektrochemischen Themen zu Lithium-Ionen-Technologie im Fokus, die bisher in dieser Form noch nicht in den IEC-Normen oder harmonisierten Normen zu finden sind. Worauf ist bei der Zellauswahl zu achten? Bei welchen Fehlern werden auch hochwertige Zellen unsicher und sollen nicht weiter genutzt werden?
Werden sich Anregungen aus dem Leitfaden in der Anwendungsregel niederschlagen?
Beim Punkt der funktionalen Sicherheit ergänzt der Sicherheitsleitfaden die AR, weil er detaillierte Punkte zur Lithium-Ionen-Technologie liefert, die in der Anwendungsregel berücksichtigt werden können. Im Sicherheitsleitfaden wiederum wurden die elektrotechnischen Anforderungen nicht nochmals detailliert aufgeführt, weil diese schon in bestehenden Normen und zusammengefasst in der AR stehen. Einige Ersteller waren in beiden Arbeitsgruppen vertreten und hatten ein Auge darauf, dass die Überschneidungen nicht zu groß werden.
Gibt es eine Methodik, um die Auswirkungen solcher Fehler gezielt zu minimieren?
Kritische Fehler, die sofort zu Vorfällen führen können, müssen vorher erkannt und abgefangen werden. Einfehlersicherheit und Zellüberwachung sind hier sehr wichtig, weil selbst gute Lithium-IonenBatterien bei fehlerhafter Steuerung oder Nutzung in kritische Zustände gebracht werden können und daher die Sicherheit nicht von einzelnen Komponenten abhängen darf. Ist es trotzdem zu einer Schädigung der Lithium-Ionen-Zellen gekommen, die nicht sofort, aber bei weiterem Betrieb zu Problemen führen kann, muss sich das System vor Weiterbetrieb bis zur Instandsetzung schützen.
Gibt es darüber hinaus einen Fahrplan für die weitere Ausgestaltung der Sicherheitsregeln?
Der Sicherheitsleitfaden wird noch auf Englisch übersetzt für ausländische Hersteller. Und die noch nicht in Normen enthaltenen Punkte wurden schon für internationale Normen vorgeschlagen. Der Leitfaden wird sich in seiner jetzigen Form bewähren. Falls Anpassungen notwendig werden, wird das passieren. Auf die Dauer können die Punkte in die bestehenden Normenstrukturen einfließen. Insgesamt sind wir mit der zwar zeitintensiven Arbeit, aber kurzen Erstellungszeit und dem Ergebnis sehr zufrieden. Für den deutschen Markt steht nun ein gutes Orientierungsinstrument zur Verfügung. Sollten andere Länder den Leitfaden übernehmen wollen, werden wir das unterstützen.
Das Gespräch führte William Vorsatz.
Themendossier
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