Wind und Wetter hatten das Containerschiff ordentlich durchgeschüttelt. Sechs Wochen war es auf den Weltmeeren unterwegs auf seiner Fahrt von Schanghai nach Antwerpen. An Bord war diesmal aber ein ganz besonderer Container, ausgestattet mit sensibler Messelektronik. Ansonsten hatte der spezielle Frachtbehälter Module geladen. Die eingebauten Sensoren zeichneten alles auf, was Einfluss auf das Modul hatte oder eventuell hätte haben können: Temperatur, Feuchtigkeit, Beschleunigungen, Vibrationen. Die überwachte Reise war Teil eines kontinuierlichen Transportmonitorings, durchgeführt vom TÜV Rheinland und DB Schenker. „Wir haben ein Verfahren entwickelt, das dazu beiträgt, ein verlässliches, auf validen Messungen beruhendes Warenausgangssystem zu etablieren und Transportschäden zu erkennen, bevor die Leistung eines Solarkraftwerks oder einer Solaranlage geschmälert wird“, erläutert Willi Vaaßen vom TÜV Rheinland. „Dank kontinuierlich durchgeführter Messungen können wir feststellen, ob Transportbelastungen die Module vielleicht doch geschädigt haben.“ Vaaßen ist seit drei Jahrzehnten als Experte in der Solarbranche tätig und Geschäftsfeldleiter für Solarenergie beim TÜV Rheinland.
DB Schenker steht für die Transport- und Logistikaktivitäten der Deutschen Bahn und belegt unter den weltweit größten Transport- und Logistikdienstleistern einen führenden Platz. Das Unternehmen ist auch auf den Transport und die Lagerhaltung von Photovoltaikmodulen spezialisiert. „Wir begannen vor etwas mehr als einem Jahr mit den Planungen“, erinnert sich Joachim Marxer, Global Vice President im Bereich Vertical Market Semicon/Solar bei DB Schenker, an den Beginn der Kooperation mit dem TÜV. „Wir haben zunächst eine ganze Reihe bereits existierende Studien zusammengetragen.“ Nachdem die Erkenntnisse ausgewertet waren, ging es an die Entwicklung eines eigenen Prüfprogramms, um daraus ein Logistikprüfsystem zu entwickeln, das mehr Transparenz und Sicherheit beim Modultransport schafft. Das Ganze sollte dann zunächst in einem realen Testgang überprüft werden.
Dazu machten sich TÜV-Rheinland-Messtechniker und Experten von DB Schenker nach China auf, direkt zu einem Hersteller, der sich an dem Testlauf beteiligte. In der Fabrik untersuchten die Experten zunächst die zu verfolgenden Module genau auf ihre Leistungsdaten hin. Außerdem wurden die Paneele auf Mikrorisse geprüft, erzählt Vaaßen. „Wir haben uns beispielsweise angeschaut, ob die Flasher wirklich richtig funktionieren, so wie sie beim Warenausgang konfiguriert sind.“ Wenn die Module später in Deutschland mit Mängeln ankommen, sollte schließlich klar sein, ob die Blessuren schon aus der Produktion stammen oder wirklich Transportschäden sind. Außerdem haben die Prüfer die dazugehörigen Verpackungen unter die Lupe genommen, um sicherzustellen, dass diese den Modulen den erforderlichen Schutz geben.
Dabei haben die Experten berücksichtigt, welchen Belastungen die Verpackungen beim Reiseweg ausgesetzt sind. Dazu mussten sie die Route berücksichtigen und prognostizieren, was passieren konnte: beim Verladen, auf den Landtransporten und auf hoher See. Überprüft wurden die Prognosen dann bei den verschiedenen Messungen auf der tatsächlichen Reise. Beispielsweise mit den Shock Watch System von DB Schenker. Was die Experten vom TÜV Rheinland und DB Schenker hinterher feststellen konnten: „Die Vibrationen waren viel gravierender als einzelne Schocks“, erinnert sich Marxer. „Bestimmte Resonanzfrequenzen machen den Modulen sehr zu schaffen.“ Auch hier können spezielle Verpackungen helfen. In Antwerpen war die Reise für die Module noch nicht zu Ende. Von hier ging es für die Container auf die überwachte Landreise nach Köln, wo der TÜV Rheinland sitzt. Was in dem Testlauf noch nicht berücksichtigt wurde: der Transport von Stückgut, also einzelnen Modulpaletten aus dem Container heraus zum Installationsort.
Der Testlauf von China über Belgien bis nach Köln war nur ein Puzzlebaustein bei der Entwicklung des kompletten Überwachungsprogramms. Bisher gab es kaum Transparenz zu Transportschäden bei Modulen und deren Langzeitwirkungen auf den späteren Stromertrag. Allerdings gehen Branchenexperten davon aus, dass zwischen fünf und zehn Prozent aller Module durch den Transport unnötig in Mitleidenschaft gezogen werden. „Schäden an Modulen bleiben meist unentdeckt, wenn sie nicht auf den ersten Blick erkennbar sind, oder sie lassen sich in der Entstehung später nicht mehr nachvollziehen“, erklärt Willi Vaaßen. Oft seien dann langwierige Streitereien zwischen den involvierten Partnern die Folge. „Das wollen wir ändern.“
Dafür haben TÜV Rheinland und DB Schenker ihr Prüfsystem DB Schenker PV chain entwickelt, das sie jetzt natürlich auch gern den Modulproduzenten und Logistikern der Branche empfehlen möchten. Diese könnten dann wiederum mit einem Zertifikat für den sicheren Transport werben. Die Kontrollen sollen deshalb kaum zusätzliche Zeit beanspruchen. Das könnte dann die Effizienz in der gesamten Wertschöpfungskette steigern, weil Ertragseinbußen sowie Verzögerungen vermieden würden.
TÜV-Rheinland-Messstrecke
Kontrollen im Eingangslager
Im Eingangslager von DB Schenker findet eine statistisch berechnete, repräsentative Stichprobenprüfung der gelieferten Module statt. Dort betreibt TÜV Rheinland in Kooperation mit dem Logistikdienstleister eine Messstrecke, in der nach der Sichtkontrolle auch Isolationsprüfungen, Flashermessungen und Elektrolumineszenzanalysen vorgenommen werden. Die Stichprobenprüfungen werden innerhalb des normalen Arbeitsablaufs organisiert. Überflüssige Transporte und Handlings können so gegebenenfalls vermieden werden. Die angefertigten und interpretierten Prüfbilder werden ebenso wie die Ergebnisse der Warenausgangskontrolle im Herstellerwerk in die Datenbank eingestellt und stehen dort dem Lieferempfänger zur Verfügung. Diese Maßnahmen führen entweder zur Bestätigung des Auslieferungszustands der Module ab Werk oder zur Dokumentation von mechanischen Beschädigungen. Am Ende der umfassenden Analysen steht dann eine unabhängige Zertifizierung der Logistikprozesse und einer validen Modulleistung beim jeweiligen Hersteller durch den TÜV.
Transportüberwachung
Lückenlose Kontrolle
Das neu entwickelte Kontrollsystem vom TÜV Rheinland und DB Schenker dient insbesondere der Qualitätssicherung bei Großprojekten oder bei regelmäßig verlaufenden Warenströmen sowie der Aufdeckung von Schäden, die durch raues Handling oder auftretende Umwelteinflüsse während des Transports entstehen. Das System besteht aus drei wesentlichen Schritten: Erste Stufe ist die Prüfung der Transportverpackung und von Qualitätsprozessen in der Herstellung. Durch die in diesem Rahmen erfolgte Zertifizierung der Versandeinheit können Schäden durch unzureichende Verpackung vermieden werden. Zweite Phase ist die Optimierung und Kontrolle der Abläufe bei den Ausgangsmessungen und der technischen Geräte zur Leistungs- und Qualitätskontrolle der Produkte beim Verlassen des Werks. Drittens erfolgt ein kontinuierliches Transportmonitoring sowie eine technische Kontrolle – einschließlich repräsentativer Stichprobenmessungen – der gelieferten Produkte im DB-Schenker-Eingangslager beim Markteintritt in die Europäische Union oder andere globale Zielmärkte.
Belastungstests
Gegen vorzeitiges Altern
Leistungsmessungen sowie weitere Alterungs- und Belastungstests simulieren die Langzeitwirkungen von durch Transportbelastung verursachten Schädigungen und Mikrorissen. Dazu zählen eine Windlastsimulation auf Basis der Prüfanweisung nach DIN EN 12211 beziehungsweise IEC 62787 sowie gemäß Bauartzertifizierung IEC 61215 verschiedene Zug- und Druckprüfungen, Temperaturzyklen- beziehungsweise Feuchtetests in der Klimakammer.
Ausgangskontrolle
Der richtige Blitz
Bei der Ausgangskontrolle qualifizieren die Fachleute von TÜV Rheinland die Flasher sowie die Systematik der Leistungsmessungen des Herstellers und stellen so die Validität der erhobenen Daten sicher. Ein ähnliches Prozedere wird bei der Dokumentation der Mikrorisse angewendet. Alle Messdaten und weiteren notwendigen Informationen werden in ausreichender Auflösung in einer Datenbank abgelegt, die dem Lieferempfänger zugänglich ist.
Speicher Und mehr
Neues Prüfprogramm
Der TÜV Rheinland hat auch ein vollständig neues Prüfprogramm für Photovoltaikanlagen mit Speichern entwickelt, wie sie beispielsweise in Einfamilienhäusern eingesetzt werden. „Wir wenden uns damit direkt an die Hersteller von Batteriespeichern und an Importeure, die Batteriespeicher in den Verkehr bringen“, sagt Ralf Martin Müller, Geschäftsfeldleiter Solarenergie beim TÜV Rheinland.
Zum Speichersystem gehört mehr als nur der Akku. Die Tests von TÜV Rheinland beziehen sich auf einzelne Komponenten des gesamten Systems und auf das sichere und verlässliche Zusammenspiel aller Komponenten. Dazu gehören die Wechselrichter, das Ladegerät, das Batteriemanagementsystem und die Batterie selbst. „In den neuen Standard haben wir alle aktuellen Ansätze für Sicherheits- und Prüfnormen, die es weltweit gibt, einfließen lassen“, erklärt Müller. „Auch Aspekte der Leistungsfähigkeit von Speichern berücksichtigen wir bei unseren Tests.“ So ist das Prüfsystem beispielsweise auch für Integratoren wie Wechselrichterhersteller interessant, die andere Komponenten des Ladesystems zusammenführen.
Bisher hat ein solches Prüfprogramm gerade im Heimbereich gefehlt. In der Industrie gibt es Fachexperten, die sich um die Einhaltung der einschlägigen Normen für die Errichtung und den Betrieb der Speichersysteme kümmern. Die neuen Prüfnormen dagegen sollen die Sicherheit vom Hersteller bis zum Eigenheim gewährleisten.
Bei der Entwicklung des Prüfprogramms haben die Experten alle relevanten Bereiche berücksichtigt. Dazu gehören die Anforderungen für den sicheren Transport von Batterien (UN 38.3). „Der Installateur fährt mit den Batterien vielleicht über Wald und Wiesen“, erklärt Stephan Scheuer, Experte für Batteriespeicher beim TÜV Rheinland.
Ebenso sind die Sicherheitsvorgaben nach EN 50272-2 für Batteriespeicher berücksichtigt wie auch die Vorgaben EN 62040 und EN 60950-1 für die Sicherheit von Photovoltaik-Speichersystemen und die Prüfvorgaben der Battery Safety Organisation BATSO. Hierbei geht es insbesondere um Schutz vor Feuer, Feuchtigkeit und andere schädliche Umwelteinflüsse.
Zu den Tests zählen eine Überladungsprüfung ebenso wie Vibrations- und Schockprüfungen, Klimatests mit extremen Temperaturwechseln und als Leistungsprüfungen insbesondere die Aspekte Selbstentladung und Zyklenfestigkeit. Wechselrichter werden im Hinblick auf Sicherheit und Netzkonformität getestet, unter anderem nach EN 62109-1/2 und VDE-AR N 4105, VDE 0124-100 als auch nach der Anwendungsregel FNN Speicher.
„Die technische Entwicklung im Bereich der Photovoltaik- und Speichersysteme für Einfamilienhäuser ist in vollem Gange“, sagt Müller. „Entsprechend werden sich auch die Prüfungen künftig weiter verändern und anpassen. Mit der aktuellen Prüf- und Zertifizierungsgrundlage bilden wir jedoch den Stand der Technik umfassend ab.“
Das Expertennetzwerk vom TÜV Rheinland für die Solarbranche umfasst heute über 200 Fachleute weltweit und Testlabore in Deutschland, Indien, Korea, Japan, China, Taiwan sowie den USA.
ContainerÜberwachung
Strategien gegen zu viel Stress
Beim kontinuierlichen Monitoring während des Transports werden alle Container mit vom TÜV Rheinland auditierten Schock- und Vibrationssensoren ausgestattet. Gleichzeitig werden via GPS Informationen über den aktuellen Aufenthaltsstandort der Sendung geliefert. Anhand der permanent erhobenen Daten während des Transports lässt sich dann nachvollziehen, ob eine Transporteinheit über das vorher ermittelte und bei der Prüfung der Verpackungen getestete Stressniveau belastet wurde oder nicht. Falls das Belastungsniveau überschritten wurde, wird die hiervon betroffene Ware unmittelbar nach Ankunft einer Leistungsmessung und Schadensanalyse unterzogen.
Verpackungen
Schutz vor Gefahren
Die Prüfungen der vom Hersteller vorgesehenen Transportverpackungen werden in spezialisierten Laboren nach dem von TÜV Rheinland maßgeblich mitentwickelten Normentwurf IEC 62759-1 vorgenommen und bestehen aus drei Schwerpunkten: Zunächst erfolgt eine Aufzeichnung der realen Transportstrecken und damit eine Bestimmung der Einflüsse während des See- und Landtransports zur Verifizierung von Normbelastungen. Dem schließen sich im zweiten und dritten Schritt eine Transportsimulation mit Belastung der Module in der vorgesehenen Verpackungseinheit sowie eine Umweltsimulation für einzelne Module im Labor an. Zu den Belastungstests gehören beispielsweise Transportsimulationen mit Schwingungen zwischen 5 und 200 Hertz bei 0,49-facher Erdbeschleunigung. Es folgen unter anderem eine horizontale Stoßprüfung, eine Kipp- und Fallprüfung, 100 Schocktests mit dem 10-Fachen der Erdbeschleunigung sowie einer horizontalen Bremsverzögerung mit einfacher Erdbeschleunigung. „Hierbei greift das jeweilige Know-how unserer beiden Unternehmen hervorragend ineinander“, so Joachim Marxer. „Entspricht eine Verpackung des Modulherstellers nicht den Anforderungen von TÜV Rheinland, so stehen mit unseren Kollegen bei DB Schenker Europac ausgewiesene und erfahrene Experten für Verpackungslösungen der Solarindustrie zur Seite.“