Christian-Herbert Fischer nutzt gerne die Bezeichnung Chalkopyrite, um über seine Technologieentwicklung zu sprechen. Chalko kommt aus dem Griechischen und heißt Kupfer, Pyrit kommt von Feuer. Das klingt besser als die nüchterne Aufzählung der Elemente, aus denen das Halbleitermaterial zusammengesetzt ist, das das Sonnenlicht absorbiert: Kupfer, Indium und Selen oder Schwefel, kurz CIS. Fischer erforscht am Helmholtz-Zentrum für Materialien und Energie in Berlin, wie diese Zellen günstiger hergestellt werden können, und ist dabei gleichzeitig auf eine Methode gestoßen, wie sie deutlich ökologischer werden können.
Denn damit dieser Typ Solarzelle möglichst effektiv funktioniert, wird meist ein Stoff dazugemischt, der weniger gut klingt und über den nicht so viel gesprochen wird: Cadmium. Das Schwermetall ist krebserregend, schädigtNieren und Knochenmark, und wer es lötet oder schweißt, geht das Risiko ein, seine Lunge zu schädigen, so der Toxikologe und Leiter der Abteilung Materials-Biology Interactions an der Empa in St. Gallen, Harald Krug. Die meisten CIS-Hersteller verwenden trotzdem eine rund 50 Nanometer dünne Pufferschicht aus Cadmiumsulfid zwischen der Frontkontaktschicht und der Halbleiter-Absorberschicht (siehe Seite 46). Sie dient unter anderem als Schutz für den Halbleiter während der Produktion und bildet zusammen mit der Absorberschicht den von Physikern sogenannten p-n-Übergang, der für die Umwandlung von Sonnenlicht in elektrische Energie verantwortlich ist. Gleichzeitig muss sie sehr transparent für das Sonnenlicht sein. Der Cadmiumanteil liegt bei circa 0,2 Gramm pro Quadratmeter Zellfläche. Ein 60 mal 120 Zentimeter großes Standardmodul, das zwölfKilogramm wiegt, kommt damit gerade einmal auf 270 Milligramm Cadmium. Das ist nicht viel, und trotzdem muss vor allem derjenige, der die Zellen herstellt oder entsorgt, aufpassen. Der Betrieb einer Solaranlage, die mit cadmiumsulfidhaltigen Zellen ausgerüstet ist, ist aber solange unbedenklich, wie „Cadmium in geschlossenen Systemen geführt und auch wieder recycelt wird“, meint auch Harald Krug. „Dann ist es immerhin ein beherrschbares Risiko.“ Trotzdem wurde der Druck auf die Solarbranche größer, als die EU 2005 die Einführung der RoHS (Restriction of the Use of Certain Hazardous Substances in Electrical and Electronical Equipment) beschloss. Ziel ist, den Umlauf toxischer Substanzen so weit wie möglich zu begrenzen. Ausnahmen gibt es nur dort, wo die Industrie nachweisen kann, dass sie keine andere Möglichkeit hat. Der Industrieverband für optische, medizinische und mechatronische Technologien schaffte es damals, für Cadmium und Blei in optischen Gläsern und Filtern eine Ausnahmegenehmigung durchzusetzen, die auch für die CIS-Module gilt. Doch diese Ausnahmegenehmigung gilt nicht für die Ewigkeit. Die meisten Firmen, die CIS-Halbleiterschichten mit Vakuumverfahren produzieren, stellen die Cadmiumsulfid-Pufferschicht noch nasschemisch her, da das bessere Wirkungsgrade bringt, als wenn man die Pufferschicht beispielsweise aufdampft. Die noch nicht fertige Solarzelle muss dazu in sehr toxische cadmiumhaltige Lösungen getaucht werden. Der Prozess reagiert sehr empfindlich, wenn man die optimalen Parameter – der Materialmix, die Temperatur und die Tauchzeit – verfehlt. Vor diesem Hintergrund hat Fischer mit seiner Arbeitsgruppe das ILGAR-Verfahren (Ion Layer Gas Reaction) entwickelt: Eine kombinierte Flüssig-Gasphasenreaktion, die das chemische Bad durch einen Sprühvorgang ersetzt, aber immer noch mit Cadmium arbeitet. Es eignet sich außerdem auch für flexible Substrate und eine Rolle-zu-Rolle-Produktion (siehe Seite 67). Dazu sprühte Fischer in einem ersten Schritt direkt das Cadmiumsulfid mittels eines Indiumchlorid-Alkohol-Aerosols auf die geheizte Absorberschicht. Während des Sprühvorgangs scheidet sich eine Vorläuferschicht ab. Sobald das Aerosol verdampft, bildet sich eine flüchtige Verbindung, die sich auf der heißen Substratoberfläche zersetzt. Bis hierher ist es das in der Fachwelt unter dem Namen Aerosol Assisted Chemical Vapour Deposition bekannte Verfahren. Aber was ILGAR vervollständigt, „ist am Ende die Zugabe von Schwefelwasserstoff“, erklärt Fischer. „Erst dann verwandelt sich diese Vorläuferschicht in eine Pufferschicht. Dieser ganze Vorgang – Sprühen, Gaszugabe, Sprühen – lässt sich beliebig oft wiederholen.“ Das ist noch notwendig, um eine hohe Stabilität und einen hohen Wirkungsgrad der Solarzelle zu erreichen. Auch dabei spielt die Wahl der Prozessparameter eine große Rolle. Da in der Vergangenheit viele Wissenschaftler relativ gute Ergebnisse beim Aufdampfen mit Indiumsulfid gemacht hatten, lag es nahe, Indiumsulfid auch als Pufferschicht für das ILGAR-Verfahren auszuprobieren. Um ihr Verfahren damit zu testen, stellen die Wissenschaftler Zellen zum einen mit einer Cadmiumsulfid Pufferschicht, zum anderenmit einer Indiumsulfid-Pufferschicht her. „Wir liegen mit unseren Ergebnissen gleichauf mit einem zertifizierten Wirkungsgrad von 14,7 Prozent bei der Nutzung von Absorbern der Firma Avancis“, sagt Fischer. Das gelte auch für die Stabilität. Und es gibt noch weitere Pluspunkte der Indiumsulfidschicht. „Sie ist unempfindlich gegenüber leichten Prozessveränderungen wie zum Beispiel der Temperatur“, sagt Fischer.
Indium deutlich ökologischer
Indium ist deutlich ökologischer als Cadmium. Zu dem Element gibt es nach Aussagen des Toxikologen Krug zwar zu wenig Datenmaterial und Indium sei auch ein Schwermetall, aber immerhin nur wenig toxisch.Das Interesse der Industrie ist auch schon geweckt. Stangl Semiconductor Equipment aus Eichenau bei München baut derzeit einen ILGAR-Prototypen für Glassubstrate der Größe von 30 mal 30 Quadratzentimeter. „Wir planen auch eine Produktionsanlage, die im 60- Sekunden-Takt auf 120 mal 60 Quadratzentimeter, später auf 140 mal 110 Quadratzentimeter laufen soll“, sagt Produktionsmanager Jens Eckstein. Er ist überzeugt, „die Spraytechnologie ist reproduzierbar, schnell und kostengünstig“. Außerdem spare ein Unternehmen damit circa 1,6 Millionen Euro an Investitionssumme für die Reinstoffwasserversorgung und Abwasseraufbereitung, die sonst bei einer Cadmiumsulfidabscheidung nötig wären. Im Laufe des Jahres 2010 hofft der Produktionsmanager die Technologie auf den Markt zu bringen.Auch Michael Powalla, Leiter des Geschäftsbereichs Photovoltaik am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung Baden-Württemberg hält Fischers Erfindung für eine viel versprechende Lösung. „Der große Vorteil daran ist, dass man die flüssige Lösung, die beim chemischen Bad anfällt,nicht jedes Mal wegschütten muss. Es fallen also viel weniger chemische Abfälle an.“ An seinem eigenen Institut, das eng mit Würth Solar zusammenarbeitet, scheint sich allerdings ein anderes Verfahren herauszukristallisieren. Powalla setzt nach wie vor auf das Aufdampfverfahren für die Halbleiterschicht. Die Cadmiumsulfid-Pufferschicht soll durch Zinksulfid ersetzt werden, das über ein chemisches Bad aufgebracht wird. Bislang erreichen seine Mitarbeiter damit Wirkungsgrade von 13,8 Prozent für 30 mal 30 Quadratzentimeter große Module. Zwei japanische Unternehmen sind aber bereits weiter als ihre europäischen Wettbewerber: Honda Soltec und Showa Shell produzieren bereits im Industriemaßstab cadmiumfreie CIS-Dünnschichtsolarzellen. Honda verwendet ebenfalls Indiumsulfid als Pufferschicht und bringt diese mittels chemischem Bad auf. Showa Shell nutzt als Pufferschicht eine Mischung aus Zinkoxid, Zinksulfid und Zinkhydroxid. Die Firma erreicht nach eigenen Angaben mit einem mehrstufigen Produktionsverfahren Wirkungsgrade um 13 Prozent und hat sogar schon eine Pilotlinie mit dieser Technologie für 120 mal 60 Quadratzentimeter große Module in Betrieb.