Wie wird die Zuverlässigkeit von Solarmodulen und dazugehörigen Komponenten bewertet?
Sascha Dietrich: Zunächst stehen die internationalen Prüfnormen zur Verfügung, wie unter anderem die IEC 61215 und die IEC 61730. Diese Normen definieren Mindestanforderungen für die Zuverlässigkeit beim konstruktiven Aufbau der Photovoltaikmodule. Darüber hinaus gibt es mehr und mehr spezielle Prüfnormen, beispielsweise für Schneebelastungen oder die Qualitätsbewertung der Verkapselungsfolien und Gläser. Weitere Prüfnormen sind derzeit noch in der Entwicklung – sie sollten in den nächsten beiden Jahren fertig werden.
Was können diese Normen leisten?
Für den Fall der elektrischen Leistung ist im Datenblatt der sogenannte Nennwert eines Moduls angegeben. Eine Norm stellt sicher, dass dieser Wert mit reproduzierbaren Methoden gemessen wird. Man muss sich darüber hinaus im Klaren sein, dass eben nur die Mindestanforderungen geprüft werden und nicht mehr. Mithilfe der Normen sollen insbesondere Frühausfälle der Photovoltaikanlage und der Komponenten vermieden sowie die Produktsicherheit gewährleistet werden. Der Anlagenbesitzer will ja gerade einen möglichst störungsfreien Betrieb. Zudem werden natürlich umfangreiche und systematische Zuverlässigkeitsanalysen individuell bei den Modul- und Komponentenherstellern vorgenommen oder zusammen mit Forschungsinstituten durchgeführt. Diese geschehen jedoch außerhalb von klassischen Prüfnormen und sind die Hausaufgaben, die jeder Hersteller machen sollte.
Welche Erkenntnisse lassen sich für die Installateure ableiten?
Sie sollten die empfohlenen Einsatzbedingungen und Montageempfehlungen der Hersteller genau studieren. Denn für diesen Einsatz wurden die Module ausgelegt. Insbesondere sollten dabei auch Kompatibilitäten beachtet werden. Ein Beispiel: Es sollten die richtigen Stecker und Befestigungslösungen verwendet werden, sofern es Vorgaben durch den gewählten Modultyp gibt. Hier treten immer wieder fehlerhafte Planungen und Installationsfehler auf.
Welche Trends gibt es in der Prüftechnik für Module und Komponenten?
Ich sehe derzeit zwei wesentliche Trends: Erstens geht die Entwicklung dahin, spezielle Prüfanforderungen und auch Prüfmethoden zu entwickeln, die den Einsatz für unterschiedliche Klimata prüfen sollen. Dafür werden derzeit neue Prüftechniken entwickelt, wie man es insbesondere schon an dem erwähnten Schneelasttest sehen kann. Der zweite Trend betrifft die Entwicklung von Prüfmethoden, welche die Gebrauchsdauer von Photovoltaikmodulen nachweisen sollen. An dieser Stelle findet eine der wesentlichen Weiterentwicklungen statt.
Ist es sinnvoll, ein Modul herzustellen, das in verschiedensten Regionen von der Arktis bis zur Sahara eingesetzt werden kann?
Da scheiden sich die Geister. Für die Hersteller ist es natürlich vorteilhaft, nur ein Modul zu produzieren. Nur so lassen sich Skaleneffekte erzielen und die Module möglichst günstig fertigen. Verschiedene Prozesse mit verschiedenen Linien und Materialien zu fahren, ist sehr aufwendig – sprich teuer. Es kann allerdings Sinn machen, in Regionen mit einer hohen Schneelast wie den Alpen einen dickeren Rahmen oder einen Doppelglasaufbau zu verwenden. Diese Module werden dann anhand von härteren Kriterien getestet.
Der TÜV Rheinland hat ein neues Verfahren für Regionen mit hoher Schneelast entwickelt, oder?
Richtig. Es gab immer wieder das Problem bei Modulen, dass sich viel Schnee auf der Rahmenkante aufgestellt hat. Dadurch sind dann Rahmen gebrochen. Oder der Fall, dass abrutschender Schnee den Modulrahmen rausgezogen hat. Seit 2016 gibt es eine neue Norm, in der diese Fälle mit Schräglast aufgenommen sind.
Gibt es auch schon Tests für Wüstenmodule und Belastungen von Sand und Staub?
Es gibt erste Entwürfe. Diese verlängern aber im Wesentlichen nur die Prüfzyklen. Das heißt, die UV-Strahlung auf das Modul wird erhöht. Neue Anforderungen erwachsen aber durch Verstaubung. Wir am CSP entwickeln derzeit einen Prüfstandard. Hier gilt es, die richtige Kombination aus Licht, Wärme und Feuchte zu finden.
Ist dieses Thema auch für Europa relevant?
Zumindest für Südeuropa wie in Spanien kann man sich das schon vorstellen. Hier gibt es durchaus Staubbelastungen. In Mitteleuropa ist das Thema zugegebenermaßen nicht so groß.
Wie würden Sie die Innovationsphasen der Produkte im Vergleich mit anderen Branchen beschreiben?
Die Innovationszyklen müssen sehr kurz sein, das haben die vergangenen Jahre gezeigt. Nur so werden die Investitionen amortisiert. Denn die Marktlage oder die politischen Rahmenbedingungen können und haben sich in einigen Ländern sehr schnell verändert. Ein Zubaustopp im größten Markt China beispielsweise macht sich weltweit schnell bemerkbar.
Wie ermitteln Sie beispielsweise Risse in verkapselten Solarzellen?
Sofern man die Risse nicht schon optisch sieht, was durchaus vorkommt, wird die Elektrolumineszenzmethode verwendet. Hierbei werden die Zellen quasi zum Leuchten angeregt, was mit einer Kamera erfasst wird. Die Methode ist in erster Linie eine Labormethode, jedoch findet man am Markt auch Anbieter und Technologien, die solche Aufnahmen im Feld erlauben. Wenn Module ins Labor kommen, werden meist gleich Leistungs- und Thermografiemessungen durchgeführt. Auf Wunsch wird auch eine Delamination des Moduls untersucht, dafür wird es allerdings auseinandergebaut und kommt danach nicht wieder ins Feld. Es ist dann zerstört.
Gibt es ein weiteres Verfahren?
Ja. Forscher des Instituts für Solarenergieforschung in Hameln, kurz ISFH, nutzen ein UV-Fluoreszenzverfahren, um Risse in Solarzellen im Feld zu identifizieren. Hierzu werden die Solarmodule einzeln mit Schwarzlicht bestrahlt und das Fluoreszenzlicht pro Modul von einer Kamera gemessen. Man erkennt dann den Verlauf der Risse durch einen sichtbaren Effekt im Kunststoff. Diese noch relativ neue mobile Methode ermöglicht eine zerstörungsfreie Analyse von Modulmängeln – auch während des Anlagenbetriebs. Adler Solar aus Bremen setzt dieses Verfahren ein, beispielsweise nach einem Hagelschauer.
Auch ermüdende Verbinder zwischen den Solarzellen verringern die Modulleistung oder haben einen kompletten Ertragsausfall zur Folge.
So ist es. Dabei handelt es sich um eine klassische Materialermüdung, wie man sie auch von Kabeln kennt. Biegt man ein Kabel wieder und wieder, wird es irgendwann brechen. Bei den Solarzellenverbindern geschieht im Zellzwischenraum ein ähnlicher Prozess, da die Verbinder von der Oberseite der einen Solarzelle zur Unterseite der anderen Solarzelle verlaufen und dadurch gebogen werden.
Wie kann es dazu kommen?
Im Betrieb führen zum einen die Temperaturänderungen zu einer relativen Verschiebung der Solarzellen zueinander, durch die Dehnung der Verbinder wird das Material immer wieder gestreckt und gestaucht. Zum anderen führen Biegebelastungen durch Wind und Schnee zu zusätzlichen Deformationen der Verbinder, was die Materialermüdung beschleunigt.
Wie äußert sich ein Verbinderbruch?
Ein Verbinderbruch bedeutet, dass über betroffene Stelle zwischen den Solarzellen kein Strom mehr fließt. Zwar werden moderne Solarzellen mit mehreren Verbindern parallel verbunden, aber falls jedoch alle Verbinder zwischen zwei Solarzellen ausfallen, kann der betroffene String keinen Beitrag mehr zur Stromproduktion leisten. Noch gefährlicher: Es können Lichtbögen entstehen, die die Produktsicherheit insgesamt gefährden. Stellt man einen solchen Fehler fest, empfehle ich meinen Kunden, das betroffene Modul auszutauschen.
Wo liegt das Problem, wenn Kontakte in den Anschlussdosen geklemmt und nicht gelötet werden?
Im Grunde ist es gleich, wie die Kontakte in der Anschlussdose zusammengeführt werden. Solange dies qualitativ hochwertig gemacht wird. Uns am Fraunhofer CSP ist jedoch aufgefallen, dass geklemmte Kontakte mit der Zeit zu höheren Serienwiderständen führen, was die Leistung der Solarmodule stark beeinträchtigt und auch zu starken Erwärmungen in den Anschlussdosen führen kann.
Warum?
Der Grund liegt bei den täglichen Temperaturschwankungen, denen die Module ausgesetzt sind. An den Klemmstellen führt das zur Reibung. Insgesamt müssen geklemmte Stellen besser beobachtet werden. Schlechte Lötverbindungen verursachen natürlich ähnliche Probleme. Bei einer guten Lötstelle sind Sie allerdings auf der sicheren Seite. Unsere Beobachtungen aus dem Feld belegen aber auch, dass die schlechten Lötstellen weniger geworden sind. Hier gibt es heute mehr Bewusstsein für Qualität.
Welche Trends sehen Sie bei der Entwicklung von Unterkonstruktionen?
Die Kosten für Unterkonstruktionen nehmen einen immer größeren Anteil an den Gesamtkosten einer Anlage ein. Aus meiner Erfahrung hat die Materialeinsparung eine hohe Priorität, ebenso wie eine schnellere Installation durch vereinfachte Konstruktionen. Das spart einfach Kosten, weil in Deutschland die Arbeitsstunde nicht die billigste ist.
Die Fragen stellte Niels Hendrik Petersen.
www. csp.fraunhofer.de
Eon/Fraunhofer CSP
Kabel weisen häufig Fehler auf
Seit Eon 2015 mit seinem Anlagencheck auf den Markt ging, wurden mehr als 600 Anlagenprüfungen durchgeführt. Auf Grundlage dieser Daten will Eon nun gemeinsam mit den Projektpartnern Fraunhofer CSP aus Halle und dem ZAE Bayern eine Studie erarbeiten, die die einzelnen Mängel in aggregierter Form ausweist und so Aussagen über besondere Häufigkeiten und Verteilungen ermöglicht.
Bereits jetzt ist klar: Häufige Ursache für Beeinträchtigungen sind nicht fachgerecht verlegte Kabel, mitunter sogar vom falschen Typ, die weder für den Außenbereich noch die auftretenden Spannungen geeignet waren. Ein Fehler mit Gefahrenpotenzial, der vermieden werden kann. „Die Eon-Solarprofis waren in eineinhalb Jahren auf Hunderten Dächern in ganz Deutschland im Einsatz und haben sowohl kleinere Anlagen im Kilowattbereich als auch große Freiflächenanlagen mit bis zu fünf Megawatt geprüft“, erklärt Matthias Krieg, Leiter Wartung und Service bei Eon Energie Deutschland. „Die Ergebnisse wollen wir für den zielgerichteten Ausbau unseres Wartungsangebots nutzen. Die Daten helfen zudem, Ansatzpunkte für weitere Verbesserungen in der Photovoltaik zu identifizieren.“
Für die Studie stellt Eon die Ergebnisse seiner Prüfungen in anonymisierter Form zur Lage und Größe der Anlagen, der Inbetriebnahme, den erzeugten Stromerträgen und den ermittelten Befunden zur Verfügung. Daraus ergibt sich ein repräsentativer Querschnitt, der einerseits den Anteil von Anlagen in einwandfreiem Zustand zeigt, andererseits auch Aufschluss darüber gibt, in welchem Ausmaß sicherheitsrelevante Auffälligkeiten und Ertragseinbußen auftreten. Dabei lässt sich auch ermitteln, ob davon spezielle Regionen, Jahrgänge oder Modultypen besonders betroffen sind.
Das Fraunhofer-Center für Silizium-Photovoltaik CSP unterstützt den Energieanbieter bereits seit Längerem bei der Qualitäts- und Zuverlässigkeitsbewertung von Modulen und Anlagen. Für die Studie übernimmt die Forschungseinrichtung in Halle (Saale) die Charakterisierung von Modulen, Komponenten und Materialien. Lesen Sie einen Bericht dazu im Maiheft.
Sascha Dietrich
ist promovierter Maschinenbauer und arbeitet seit 2008 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer-Center für Silizium-Photovoltaik CSP in Halle. Dort forscht er an der Zuverlässigkeit von Solarmodulen und -systemen. Zudem leitet er das Team Lebensdauer und Umweltsimulationen. Er untersucht unter anderem die Alterung von Modulen und wertet Fehleranalysen aus.