Perowskite sind in der Photovoltaik relativ neu. Erst seit rund zehn Jahren wird intensiv an diesen Materialien geforscht. Die Wirkungsgrade der Zellen wurden von 14,1 Prozent (2013) auf 26,1 Prozent (2023) gesteigert. Bei Perowskit-Silizium-Tandemzellen lag der Rekordwirkungsgrad im Juli 2023 bei 33,7 Prozent.
Datenbank ausgewertet
Die kleinen Laborzellen weisen noch Schwachstellen auf, insbesondere die Degradation betreffend. Weiterhin gibt es Probleme durch deutliche Effizienzverluste bei der Skalierung der Zellen auf größere Formate. Trotz allem läuft die Produktion von Perowskit-Tandemzellen auf einer Pilotanlage der Firma Oxford PV.
Um einen Überblick über in der Forschung befindliche Materialien, Schichtdicken, elektrische Parameter, das Degradationsverhalten sowie die Zusammenhänge zwischen diesen Größen zu erhalten, wurden über das Perovskite Database Project aktuelle Forschungsdaten abgerufen und ausgewertet. Sie lieferten die Grundlage für eine Abschätzung der Lebensdauer in Abhängigkeit von Größen wie dem Klima am Installationsort und der Zusammensetzung des Perowskits.
Obwohl die Entwicklung von Perowskit–Tandemzellen voranschreitet, wurde die kommerzielle Produktion Stand Juli 2023 noch nicht erreicht. Trotz des für die kommenden Jahre prognostizierten Durchbruchs sind einige Designparameter unbekannt. Sie sind für die Auslegung und die Lebensdauer jedoch nicht unerheblich.
Verschaltung über 2T oder 4T
Die Auslegung von Perowskit-Silizium-Modulen unterscheidet sich von Siliziummodulen in mehreren Punkten. So wirken sich tandemspezifische Eigenschaften wie die Verschaltung der Zellen auf den Ertrag und die Auswahl der Wechselrichter aus. Die gängigsten Verschaltungsvarianten sind die serielle Verschaltung beider Absorber oder Subzellen mit zwei Elektroden (2T) und die parallele Verschaltung der Subzellen mit unabhängigen elektrischen Kontakten (4T).
Bei der 4T-Verschaltung wird die Zahl der Elektroden pro Zelle auf vier erhöht. Durch den unabhängigen Betrieb entfallen die Mismatch-Verluste der 2T-Verschaltung und somit die Notwendigkeit zur Anpassung der Schichtdicken. Der elektrische Verschaltungsaufwand ist bei dieser Art allerdings höher, da jede Unterzelle an einen Wechselrichter angeschlossen werden muss, um sie unabhängig zu betreiben.
Blei erhöht die Lebensdauer
Neben der Verschaltung wirkt sich der verwendete Perowskit oder die Materialzusammensetzung auf die Effizienz und Lebensdauer aus. So zeigen aktuelle Daten, dass die Lebensdauer von bleifreien Perowskitzellen deutlich hinter bleihaltigen Zellen liegt.
Für die Anwendung bedeutet dies, dass das verwendete Material neben technischen Einflüssen (Lebensdauer, Wirkungsgrad) rechtliche Auswirkungen haben kann. Hier ist insbesondere die EU-Richtlinie „Restriction of Certain Hazardous Substances“ zu nennen.
Die Reduktion des Bleigehaltes ohne Verlust von Leistung und Lebensdauer ist daher eines der zentralen Forschungsthemen in der Perowskit-Photovoltaik. Exemplarisch ist das unter Koordination des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Polymerforschung (IAP) laufende Projekt Sunrey zu nachhaltigen und effizienten Perowskit-Solarzellen mit reduziertem Bleigehalt.
Prognose für Ertrag und Lebensdauer
Obwohl Lebensdauer, Bleigehalt und Moduldesign noch erforscht werden, sind ausreichend Informationen bekannt, um Ertragsprognosen sowie Prognosen über die Degradation geben zu können. Damit lässt sich das Potenzial der Perowskit-Silizium-Tandemmodule standortbezogen sichtbar machen.
In Zusammenarbeit mit der Bau MSR GmbH wurde an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) Leipzig ein Softwaretool entwickelt, um die standortspezifische Auslegung von Solaranlagen mit Perowskit-Silizium-Tandemzellen durchzuführen. Die Berechnung erfolgt in der Software Matlab.
Sie ist auch als Stand-alone ohne Lizenz nutzbar. Eine wichtige Grundlage für die Entwicklung des Auslegungstools war das Open-Source-Tool Eycalc, das am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickelt wurde.
Neben Standort, Ausrichtung, Neigungswinkel sowie Tracking (kein Tracking, einachsig oder zweiachsig) sind Eingaben zum Zellaufbau (Absorber 1, Absorber 2, Siliziumabsorber) und Modulaufbau nötig. Den Modulaufbau betreffend können die Tandemverschaltung (2T/4T) die Fläche sowie Parameter wie Diodenfaktor, Serien- und Parallelwiderstand eingegeben werden. Sind einzelne Werte unbekannt, wird mit voreingestellten Werten gerechnet.
Als Ergebnisse werden der standortbezogene Energieertrag sowie die Aufteilung der Module auf Strings oder bei 4T-Verschaltung der Modulteile Silizium und Perowskit ausgegeben. Zu erwartende Stromspitzen, Umgebungs- und Modultemperaturen sowie die Spannungen des Perowskit- und Siliziumanteils im Modul werden pro Quartal zusammengefasst. Die Ausgabe erfolgt in Form einer Tabelle sowie als Grafik über ein Jahr.
Weiterhin können Albedo sowie Wanderschatten simuliert werden. Das Auslegungstool wurde für Planer sowie Schulungszwecke entwickelt. Entsprechend sind neben der Eingabe der nötigen Parameter auch Daten zum Projekt und zu Kunden als Ausgabe in Form eines Protokolls möglich.
Zwei Minimodule aus Berlin im Test
Um die Degradation sowie das elektrische Verhalten von Perowskitzellen zu beurteilen, wurden sie im Labor der HTWK Leipzig im LED-Sonnensimulator Sinus-70 sowie bei Outdoortests vermessen. Dafür wurden der Forschungsgruppe zwei Perowskit-Minimodule mit jeweils sechs Zellen vom Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) zur Verfügung gestellt.
Die Zellen haben eine Größe von vier mal vier Quadratmillimetern und sind mit Polyolefin verkapselt. Sie sind auf einem sechs mal sechs Quadratzentimeter großen Glassubstrat aufgebracht.
Die Ergebnisse wurden verwendet, um die Berechnung zu validieren und um eine Aussage über die Degradation zu erhalten. Für die Validierung wurde die U-I-Kennlinie für die vom HZB bereitgestellten Zellen sowohl in Vorwärtsrichtung (Kurzschluss zu Leerlauf) als auch in Rückwärtsrichtung (Leerlauf zu Kurzschluss) aufgenommen. Die vermessenen Zellen wiesen lediglich eine geringe Hysterese auf. Deshalb war die Abweichung von der Berechnung (mittels einfachen Eindiodenmodells) gering. Um die Genauigkeit zu erhöhen, ist geplant, das Modell an das kapazitive Verhalten der Perowskitzellen anzupassen.
Sechs Monate auf der Dachterrasse
Neben Untersuchungen im Labor wurde ein Minimodul über sechs Monate von Februar 2023 bis Juli 2023 auf der Dachterrasse der HTWK Leipzig realen Umweltbedingungen ausgesetzt. Die Zellen wurden zum Minimodul geschaltet und an konstante Last angeschlossen. Die Verschaltung des Minimoduls wurde über eine Parallelschaltung der Zellen A, C und E sowie B, D und F mit Reihenschaltung der beiden parallelen Bereiche realisiert. Um eine Aussage zur Degradation treffen zu können, wurde das Minimodul Ende Juli 2023 im Labor erneut vermessen. So sank die Leistung im Maximum Power Point (PMPP) der Zelle B um 21,67 Prozent.
Der Anfang 2023 gemessene Wert erreichte 17,023 Milliwatt je Quadratzentimeter. Er verringerte sich im Juli 2023 auf 13,334 Milliwatt je Quadratzentimeter. Weiterhin sind in den Kennlinien und in der Elektroluminesenz die Unterschiede in der Degradation zwischen den einzelnen Zellen (A bis F) des Minimoduls zu erkennen.
Insbesondere Zelle A weist deutliche Degradation auf. Auch bei den zum Minimodul verschalteten Zellen ist zu erkennen, dass sich die stärker degradierte Zelle A sowie die Zellen C und E stark auf die Leistung des Moduls auswirken.
Tool wird weiterentwickelt
Aufbauend auf eigenen Messungen sowie Forschungsdaten ist eine Weiterentwicklung des Auslegungstools um eine Degradationsprognose derzeit in Arbeit. Potenzielle Nutzer des Auslegungstools sollen auf die durch Degradation entstehenden Verluste sowie auf die Differenz zwischen den Verschaltungsarten auf Modulebene (2T/4T) und Strangebene aufmerksam gemacht werden.
Das Auslegungstool wurde zu großen Teilen von Simon Rottig im Rahmen seiner Masterarbeit erstellt. Das Projekt wird aus Mitteln der Bundesrepublik Deutschland und des Freistaates Sachsen im Rahmen der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) finanziert.
https://www.perovskitedatabase.com
Die Autoren
https://fing.htwk-leipzig.de/fakultaet/professuren/prof-mathias-rudolph