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Peter Bachmann von Solarwatt: „Der Preisverfall macht der Branche in Europa zu schaffen“

Die Eröffnung der jüngsten Fabrik von Solarwatt ist schon eine Weile her. Welche Pläne gibt es, um weitere Produktionskapazitäten aufzubauen?

Peter Bachmann: Der Preisverfall bei Solarmodulen macht der gesamten produzierenden Solarbranche in Europa schwer zu schaffen. Wir prüfen gerade sehr genau, was der passende nächste Schritt für Solarwatt ist. Von der Politik ist eigentlich gefordert, dass bis 2030 40 Prozent des jährlichen Zubaus in Europa aus europäischen Fertigungen erfolgt. Leider bleiben klare Entscheidungen, wie beispielsweise die Unterstützung im Rahmen des Inflation Reduction Acts – IRA – in den USA, in Europa bisher aus. Somit ist unter den aktuellen Rahmenbedingungen eine wirtschaftliche Fertigung nur schwer abbildbar. Mehr kann ich zum jetzigen Zeitpunkt dazu leider nicht sagen, aber wir denken in alle Richtungen. Es gibt keine Denkverbote.

Welche Bedeutung hat die reine Größe der Produktion für eine europäischen Hersteller, um in einem preislich hat umkämpften Wettbewerb am Modulmarkt zu bestehen?

Natürlich spielt die Kapazität eine Rolle, da man als Produzent im großen Maßstab eher von Skaleneffekten profitieren kann. Wir bewegen uns mit unseren Modulen im Premiumsegment, was uns ein wenig unabhängiger von den aktuell herrschenden Preiskämpfen macht. Dazu kommt, dass wir schon heute mehr als drei Viertel unserer Anlagen als System mit zusätzlichen Lösungen und Services verkaufen. Aber wenn der Modulpreis wie in den vergangenen Monaten um mehr als 50 Prozent sinkt, dann merken wir das natürlich sehr deutlich.

Solarindustrie: Dumpingpreise zerstören Zukunftswirtschaft (Blog des Chefredakteurs)

Welche anderen Möglichkeiten jenseits der Kapazität haben europäische Hersteller, um gegen die großen chinesischen Hersteller zu konkurrieren?

Bei rein investorengetriebenen Projekten wie großen Solarparks im Bereich von mehreren Megawatt können wir unsere Produktvorteile nicht so stark ausspielen, aber das ist auch nicht unsere Zielgruppe. Wir haben uns bereits vor rund zehn Jahren auf die Entwicklung und den Vertrieb von intelligenten Photovoltaiksystemen bestehend aus Modulen, Speicher und Energiemanagement spezialisiert. Dazu kommen Lösungen zur Sektorenkopplung, also die Verknüpfung von Solarstrom, Wärme und Elektromobilität. Hausbesitzer und Gewerbetreibende wollen am liebsten ein intelligentes System aus einer Hand, in dem die einzelnen Komponenten bis hin zu Ladestationen und Wärmepumpen möglichst gut aufeinander abgestimmt sind. Hier sehen wir nach wie vor ein Riesenpotenzial – im Privatkundensegment, aber auch für große Miethäuser und Unternehmen.

Welche Unterstützung brauchen die Komponentenhersteller von Seiten der Politik, um tatsächlich eine europäische Fertigung aufzubauen?

Die Politik muss aus meiner Sicht eine Entscheidung treffen – und zwar besser heute als morgen. Wenn wir Solarproduktionen in relevantem Maßstab hier in Europa überhaupt noch wollen, dann brauchen wir endlich verlässliche Rahmenbedingungen, die uns einen fairen Wettbewerb ermöglichen. Wenn die politischen Entscheider weiter zögern, wie es aktuell der Fall ist, wird eine wirtschaftlich industrielle Produktion von Modulen hier in Europa schon bald nicht mehr möglich sein. Dann werden wir gegen die USA und China den Kürzeren ziehen.

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Es gibt eine ganze Reihe von Ideen zur Unterstützung wie die Einführung eines Bonus für europäische Komponenten bei der Ausschreibung und Vergütung, CO2-Footprint – oder ESG-Vorgaben. Wie sinnvoll halten Sie diese als Unterstützung?

Um es klar zu sagen, von Strafzöllen auf Module aus nicht-europäischer Produktion halten wir bei Solarwatt gar nichts. Was aber eine erfolgversprechende Maßnahme sein könnte, ist die Berücksichtigung eines Resilienzbonus, wenn sich Anlagenbetreiber für Komponenten aus europäischer Produktion entscheiden, die dann beispielsweise auch unter strengen ESG-Kriterien hergestellt wurden. Das würde nicht nur den Produktionsstandort Europa stärken, sondern wäre aus unserer Sicht auch relativ schnell und einfach umsetzbar.

Solarwatt setzt schon länger auf Komplettangebote. Welche Strategien verfolgen Sie bei der Zusammenarbeit mit Handwerkern und Planern, um diese dazu zu bewegen, mit Ihren Modulen zu bauen?

Wir stehen mit unseren Partnern in sehr engem Austausch und unterstützen sie an vielen Stellen wie beim Recruiting, im Vertrieb oder auch im Marketing. In unserer Solarwatt Academy haben wir darüber hinaus ein umfangreiches Schulungsangebot aufgebaut, wo wir unsere Partner weiterbilden und ihnen beispielsweise erklären, wie die Welten Solarstrom, Wärme und Elektromobilität möglichst effizient zusammenwachsen. Wir wollen einfach, dass Installationsbetriebe, die mit uns arbeiten, möglichst alle Wünsche ihrer Kunden aus einer Hand bedienen können und sich natürlich auch so gut wie möglich mit unseren Produkten und Lösungen auskennen.

Mit welcher Preisentwicklung rechnen Sie in den nächsten Monaten in Europa?

Ohne eine Entscheidung der Politik wird sich an der aktuellen Situation nichts ändern. Die asiatischen Produzenten fluten den europäischen Markt ja weiter mit günstigen Modulen. Die weltweiten Modulfertigungskapazitäten und davon gut 90 Prozent in China, übersteigen die weltweite Nachfrage um mehr als das Doppelte. Darauf werden auch die europäischen Hersteller reagieren müssen. Das wird aber nur bis zu einem gewissen Punkt gut gehen. Wer dann keinen guten Plan B in der Tasche hat, wird es nicht überleben.

Welche Rolle spielen technologische Entwicklungen beim Wettbewerb – schließlich sind die großen Hersteller aus Asien ebenfalls technologisch am Nabel der Zeit?

Technologisch sind die asiatischen Hersteller auf einem sehr guten Niveau. Davor dürfen wir nicht die Augen verschließen. Europa war lange Jahre immer einen Schritt voraus – bei Modulen, später auch bei Batteriespeichern. Ich sehe technologisch nach wie vor einen Vorsprung in der intelligenten Vernetzung der einzelnen Komponenten eines sektorengekoppelten Energiesystems bis hin zur fachgerechten Installation. Das ist für die meisten asiatischen Hersteller zu kleinteilig, da wollen sie aktuell nicht rein. Gerade in Deutschland und Europa gibt es viele Dinge, die Hausbesitzer und Gewerbetreibende beim Bau einer entsprechenden Anlage beachten müssen. Da können wir mit unserer Expertise, unseren Services und unseren Lösungen sehr gut unterstützen.

Welche technologischen Entwicklungen haben Sie für die nächsten Monate in der Pipeline?

Wir arbeiten in allen Bereichen an technologischen Weiterentwicklungen. Ganz konkret haben wir unser Produktportfolio um Topcon-Solarmodule erweitert, die gegenüber der aktuellen PERC-Zelltechnologie eine höhere Leistung auf gleicher Fläche ermöglichen. Den Hausbesitzern steht damit deutlich mehr Leistung zur Verfügung, was aus Sicht der Installationsbetriebe natürlich ein wichtiges Verkaufsargument ist. Es geht aus unserer Sicht aber nicht nur darum, die Produkte einzeln zu verbessern. Von allergrößter Bedeutung in Bezug auf Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit der Gesamtanlage ist es, die verschiedenen Sektoren intelligent zu vernetzen und die dazu passenden Services anzubieten. Das steht bei uns im Fokus. Wir sind schon heute sehr weit darin, richtig gute Rundum-Sorglos-Pakete für unsere Kunden zu schnüren. Und das wollen wir noch weiter vorantreiben.

Die Fragen stellte Sven Ullrich.

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