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Rinnen, Spiegel, Linsen

Auf goldgelbem Sand stehen schüsselförmige Spiegel, die sich wie zum Lauschangriff gen Himmel richten. Allerdings sollen sie keine Stimmen von Außerirdischen einfangen, sondern Sonnenstrahlen. Die Strahlen werden dann auf einen wenige Quadratzentimeter großen Verbund aus Mehrfachsolarzellen gebündelt. Es ist ein Pilotprojekt von Zenith Solar, einem jungen Unternehmen in Israel. Dessen Kraftwerk aus konzentrierender Photovoltaik (Concentrating Photovoltaics, CPV) versorgt rund 400 Menschen eines israelischen Kibbuz mit Strom und Wärme. „Das System unseres Industriepartners arbeitet mit einer fast 1.000-fachen Sonnenkonzentration und hoch effizienten Mehrfachsolarzellen“, sagt Maike Wiesenfarth vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg, die das System mit entwickelt hat.

Die Art des Sonnenfangs ist nicht neu: Haushohe Spiegelarrangements in Paraboloidform für dicht gepackte Verbünde aus Hochleistungssolarzellen verkauft der australische CPV-Anbieter Solar Systems schon seit 15 Jahren. Und doch zählen die riesigen Spiegel in der CPV-Welt eher zu den Exoten. Gängiger sind geschlossene Module, in denen jede der nur wenige Millimeter großen Zellen eine eigene Sammeloptik hat. „Das können zum Beispiel mehrere Quadratzentimeter große Fresnellinsen aus Plexiglas oder Silikon sein, die wie starke Brenngläser wirken“, berichtet Wiesenfarth. Die Zellen-Linsen-Paare stecken in einem Modul und haben in der Regel eine Hülle aus Glas, die wetterfest und unempfindlich gegen Kratzer ist. Der Pionier Amonix aus den USA und das französische Unternehmen Soitec produzieren solche Module, ebenso der spanische Hersteller Isofoton und die US-amerikanische Firma Opel Solar. Und selbst die erste Modulversion überhaupt, die US-Forscher des staatlichen Institutes Sandia National Laboratories vor mehr als 30 Jahren präsentierten, war im Prinzip genauso aufgebaut. Der Hersteller Solfocus im kalifornischen San José bietet eine Variante an, die statt Linsen handtellergroße, paraboloidisch geformte Spiegel enthält, wie die Mulden einer leeren Toffifee-Packung. Jede Spiegelmulde lenkt Sonnenlicht nach oben zu einem zweiten Spiegel, der das Licht wiederum auf den Spiegelboden konzentriert, wo auch die Solarzelle montiert ist. Das optische System beruht auf einem Prinzip, mit dem auch Teleskope Licht fokussieren.

Spiegel versus Linsen

Ob nun Spiegel oder Linsen besser sind, ist umstritten. Der Vorteil von Spiegeln ist, dass mit ihnen alle Wellenlängen des Lichtspektrums im gleichen Winkel gelenkt werden. Die von Herstellern gefürchtete chromatische Aberration,durch die unterschiedliche Wellenlängen in unterschiedlichen Winkeln gebrochen werden, was zum Beispiel bei Fresnellinsen der Fall sein kann, spielt hier keine Rolle. Der Nachteil von Spiegeln: Ihre Flächen aus beschichtetem Glas oder poliertem Metall brauchen eine perfekte Oberfläche. Schon kleine Fehler führen dazu, dass, je nach System, die Solarzelle oder der Zellenverband nicht mehr optimal getroffen werden.

Neben der sogenannten Primäroptik kommen oft auch noch Sekundärlinsen oder -spiegel zum Einsatz. „Dadurch lassen sich die solaren Konzentrationen oder der Akzeptanzwinkel des Moduls gegenüber schräg einfallendem Licht noch erhöhen oder gestreute Strahlung wieder auf die Solarzelle lenken“, sagt Wiesenfarth. „Das wiederum bedeutet, dass die relativ teure Solarzellenfläche und die Anforderungen an die Nachführeinheit reduziert oder Fertigungstoleranzen erhöht werden können.“ Das kanadische Unternehmen Morgan Solar will Mitte des nächsten Jahres Solarmodule mit einer ganz neuartigen Optik auf den Markt bringen: einer, die Primär- und Sekundäroptik in einem Stück vereint. Ihr Sonnensammler ist eine sechseckige Scheibe aus transparentem Acryl, die, so das Versprechen der Unternehmer, kein Licht entweichen lässt. Von den Rändern wird es immer wieder nach innen reflektiert, zum Kern der Optik. Hier steckt eine Linse aus Glas, die das gefangene Licht auf das 1.000-fache konzentriert. Zurzeit testen die Jungunternehmer ihre Module in Kalifornien und Ontario.

Die Sonnenkonzentrationen für hoch konzentrierende CPV-Systeme liegen heute üblicherweise zwischen dem 500- und dem 700-fachen. Steve Horne von Solfocus sieht zwar einen Trend zu höheren Konzentrationsfaktoren. „Ich glaube aber nicht, dass diese deutlich größer werden als 1.500“, sagt er. Diese sehr hohen Konzentrationen könnten etwa Turmkraftwerke liefern. Die Ingenieure von Solar Systems testen so ein Kraftwerk zurzeit im Pilotmaßstab im australischen Bridgewater. Hier steckt ein Verbund aus hochleistungsfähigen Mehrfachsolarzellen in der Spitze eines gut 50 Meter hohen Turms. Drumherum stehen Spiegel, sogenannte Heliostaten, die das Sonnenlicht zur Turmspitze dirigieren. Dennoch ist dieses Konzept zurzeit noch Zukunftsmusik. Der Amonix-Gründer Vahan Garboushian meint: „Letztlich ist es eine Systemfrage, welche Sonnenkonzentration optimal ist. Grundsätzlich sind höhere Konzentrationen immer mithöheren Kosten verbunden, weil zum Beispiel umfangreichere Hitzefallen und teure Sekundäroptiken gebraucht werden.“

Konzentrierte Hitze

Vor allem das Temperaturmanagement wird mit zunehmenden Konzentrationen anspruchsvoller. Mehr als die Hälfte der eingestrahlten Lichtenergie wird letztlich zu Wärme. „Grob gesagt wird alles, was in der Zelle nicht in elektrische Energie verwandelt oder reflektiert wird, thermisch aufgenommen“, betont die ISE-Forscherin Wiesenfarth. „Schon bei einer 500-fachen Sonnenkonzentration und einer Einstrahlung von 1.000 Watt pro Quadratmeter kommen auf einem Quadratzentimeter Zellfläche rund 50 Watt zusammen.“ Ohne Kühlung würden die Zellen schlicht verschmoren, und nur unzureichend gekühlt verlieren sie an Effizienz. „Bei kleineren Solarzellen mit Flächen bis zu einem Quadratzentimeter reicht eine passive Kühlung in der Regel aus“, sagt Wiesenfarth. „Dabei wird die Rückseite der Solarzelle mit einem Lot oder elektrisch leitfähigem Kleber, dieWärme und Strom gut leiten können, auf ein Aluminium- oder Kupfersubstrat montiert.“ Systeme mit dicht gepackten Solarzellen dagegen müssen aktiv gekühlt werden, zum Beispiel durch einen Wasserkreislauf. Dann kann die CPV-Kühlung, wie im Pilotprojekt von Zenith Solar in Israel, auch als Wärmelieferant dienen oder die Energie darin zum Kühlen in Klimaanlagen genutzt werden. Das macht Wiesenfarth zufolge aber nur dort Sinn, wo auch Bedarf besteht, „zum Beispiel in der Nachbarschaft zu Meeresentsalzungsanlagen, zu chemischer, Textil- oder Papierindustrie oder in der Nähe großer Hotels.“ Neben den hoch konzentrierenden CPV-Systemen werden auch Anlagen mit kleineren Sonnenkonzentrationen entwickelt. Einem Bericht des staatlichen Forschungsinstituts National Renewable Energy Laboratory (NREL) in den USA zufolge sind auf dem Gebiet der niedrig bis mittel konzentrierenden Photovoltaik, mit Sonnenkonzentrationen bis zum Faktor 200, weltweit rund 25 Unternehmen aktiv. Sie arbeiten in der Regel mit Solarzellen aus Silizium. Allerdings haben nur wenige solche Anlagen auch realisiert. Module mit einer 20-fachen Solarkonzentration bietet Entech Solar aus den USA an. Sechs rinnenförmige Fresnellinsen lenken hier Licht auf Silizium-Solarzellen. Der Siliziumbedarf für diese Module ist nach Angaben des Unternehmens um mehr als 90 Prozent kleiner als bei gängigen Flachpanels.

Eine ganz andere Art niedrig konzentrierender Konzentratorphotovoltaik wurde Mitte der 90er Jahre von der polytechnischen Universität Madrid entwickelt und später mit Unterstützung von BP Solar auf Teneriffa getestet. Das Euclides-System konzentriert die Sonne mit gut 20 Meter langen Parabolrinnen, wie man sie auch von solarthermischen Kraftwerken kennt. Bisher war die Anlage, die mit einem Konzentrationsfaktor 30 arbeitet, aber nur kurz in Betrieb. Der Wirkungsgrad liegt nach Angaben der Entwickler bei zehn Prozent.

Eine Art Kompromiss zwischen Systemen mit konventionellen Solarzellen und den hoch effizienten Mehrfachzellen will das EU-Projekt Apollon schaffen. Die Forscher setzen auf optische Systeme, die Licht verschiedener Wellenlängen auf die jeweils passenden Solarzellmaterialien dirigieren, die aber in einem Modul vereint sein sollen. Mit diesem Kniff hoffen sie, jeden Energiebereich des Sonnenspektrums optimal ausschöpfen zu können. Zurzeit ist dieses Konzept allerdings noch Gegenstand von Grundlagenforschung.

Ausrichtung entscheidend

Eine wichtige Komponente, die sowohl Effizienz als auch Kosten aller CPV-Kraftwerke von heute bestimmt, sind die Nachführsysteme. Die Tracker müssen die Optik sehr genau der Sonne nachführen, stabil und zugleich möglichst billig sein. Sie zählen zu den größten Kostenfaktoren der Anlagen. Bei schwachen Sonnenkonzentrationen wie beim Euclides-System sind sie in der Regel einachsig. Für hoch konzentrierende Systeme sind zweiachsige Tracker Pflicht, um diehohen Systemwirkungsgrade erreichen zu können. In der Regel trägt ein Tracker eine CPV-Einheit, sei es ein Modul oder ein Paraboloidspiegel mit einem Solarzellenverbundsystem. Manche Hersteller, Zenith Solar beispielsweise, montieren aber auch zwei Einheiten pro Tracker. Die Steuerung dieser Einheiten könnten künftig maßgeschneiderte Wechselrichtersysteme übernehmen. Auch das würde die Kosten noch senken.

So unterschiedlich die Konzepte auch sind, einen klaren Favoriten für die konzentrierende Photovoltaik der Zukunft gibt es zurzeit noch nicht. Doch vielleicht liefert das spanische Projekt des Instituto de Sistemas Fotovoltaicos de Concentración (ISFOC) bald Hinweise. Das Institut wird staatlich und von der polytechnischen Universität Madrid gefördert. Auf dem Testgelände in Castilla-La Mancha in Südspanien können verschiedene Unternehmen ihre Anlagen unter Freilandbedingungen testen. „Wir sind mittlerweile zu einer Referenz in der CPV-Welt geworden, denn der Übergang von Forschung und Entwicklung zum Marktprodukt erfordert Industriestandards und verlässliche Produkte“, sagt der ISFOC-Leiter Pedro Banda in einer You-Tube-Präsentation seines Institutes. Das Angebot wird gut angenommen, denn schon heute stehen hier mehr CPV-Systeme als Bäume. Der französische Hersteller Soitec, Solfocus aus den USA und Isofoton aus Spanien installieren insgesamt 1,7 Megawatt CPV-Leistung. Noch einmal 1,3 Megawatt werden die spanischen Produzenten Sol 3G und Renovalia Energy sowie Arima Eco aus Taiwan und Emcore aus den USA aufbauen. Die Forscher vor Ort ermitteln die Wirkungsgrade der verschiedenen Technologien, entwickeln Ertragsprognosen, testen Reinigungsmethoden und nehmen die Beständigkeit der Materialien unter die Lupe. Dabei helfen Outdoor- und Indoortests – und nicht zuletzt die Messdaten einer Wetterstation. Bisher ist vor allem eines sicher: Die Wirkungsgrade aller Anlagen liegen bei 25 Prozent. Und sie alle profitieren nicht nur von der Sonne, sondern auch vom Wind. Weht eine steife Brise, wird die Wärme besser abgeführt. Dann, haben die Forscher festgestellt, schießen die Wirkungsgrade in die Höhe.

Andrea Hoferichter

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