Anfang November hat die Technische Universität Wien ein Bürogebäude eingeweiht, das neue Maßstäbe setzt. Der Koloss ist als Plusenergiegebäude konzipiert. Bilanziell erzeugt er mehr Strom, als er im Jahr verbraucht. Möglich wurde dies durch den Einsatz neuer, energiesparender Computer und sparsamer Bewegungsmelder (800 Stück). Außerdem wurden 9.300 Komponenten evaluiert, darunter LED-Leuchten oder Küchengeräte, um den Energieverbrauch drastisch zu reduzieren.
Die Abwärme der Server wird für die Heizung im Winter genutzt. Neben der Abwärme aus den Serverräumen gewinnt auch die Aufzugsanlage kostbare Energie zurück, ebenso die Lüftungsanlage (mit Rückgewinnung der Feuchte). Das modernisierte Gebäude erfüllt die Standards eines Passivhauses. Der Energiebedarf wurde von 800 auf 56 Kilowattstunden pro Quadratmeter Bruttogeschossfläche und Jahr gedrückt.
Meilenstein der Modernisierung
Der Büroklotz befindet sich am Wiener Getreidemarkt, ein markantes Gebäude. Darin arbeiten rund 800 Menschen. Die Nettogrundfläche beträgt 13.500 Quadratmeter, verteilt auf elf Stockwerke. Die vorhandene vorgehängte Fensterbandfassade wurde abgebrochen und durch eine wärme- und sonnenschutztechnisch optimierte Fassadenkonstruktion mit integrierter Photovoltaik ersetzt. Die Fassade wurde als Bandfassade ausgeführt.
Der opake Bereich der Fassade besteht aus Stahlbetonparapet. Zudem wurde ein automatischer Sonnenschutz vorgesehen. Vor diesem außen liegenden Sonnenschutz sind nicht zu öffnende, hinterlüftete Prallscheiben zwecks Windschutz angeordnet.
Fernwärme und Photovoltaik
Das Gebäude wird mit Fernwärme versorgt. Die notwendige Kälteenergie wird über eine effiziente Kältemaschine zur Verfügung gestellt. Sie kühlt den zentralen Serverraum, die Hörsäle, die Tagungs- und Seminarräume.
Der Primärenergiebedarf wird durch die fassadenintegrierte und auf dem Dach montierte Photovoltaikanlage und die Serverabwärme abgedeckt. Allein die Fassadenmodule bedecken rund 2.200 Quadratmeter. Sie leisten zusammen 230,6 Kilowatt.
Oberhalb des Veranstaltungsraums wurden auf dem Dach rund 98 Kilowatt Photovoltaik installiert. Die Solarmodule wurden mit einem Aufständerungswinkel von 15 Grad auf einer Unterkonstruktion aus Stahl montiert. Durch diese Neigung wird die Ableitung von Schnee und Regenwasser gewährleistet, der Selbstreinigungseffekt reicht aus.
Das Gebäude verfügt noch nicht über einen Stromspeicher. Die Nachrüstung wäre möglich, wenn die Preise für gewerbliche Großspeicher entsprechend attraktiv geworden sind. Dabei ist nicht zwingend eine Lithium-Ionen-Batterie sinnvoll. Es könnte ebenso eine leistungsstarke Redox-Flow-Batterie sein.
Kleine Bürogebäude werden autark
Was die TU Wien im großen Stil vormacht, lässt sich auf kleinere Bürogebäude übertragen. An die Stelle der Fernwärme treten Wärmepumpen oder gasbetriebene BHKW. Schon gibt es in Deutschland gelungene Beispiele für stromautarke Bürogebäude mit integrierten Werkstätten und Ladesäulen für Elektrofahrzeuge.
Im Novemberheft von photovoltaik (Seite 26) berichteten wir über die Enfa, die vom Solarunternehmen Endreß & Widmann in Neuenstadt am Kocher entwickelt und gebaut wurde.Hinweis: Ein umfassender Bericht zum modernisierten Chemiehochhaus der TU Wien folgt im Februarheft 2015 der photovoltaik.
Unsere Grafikserie
Eigenverbrauch verständlich gemacht
Für den Laien ist die technische Vielfalt der Solargeneratoren kaum überschaubar. Deshalb zeigen wir Ihnen und Ihren Kunden, wie anspruchsvolle Gebäude und ihre Nutzer mit Sonnenstrom versorgt werden. In jeder Ausgabe von photovoltaik erscheint eine neue Präsentationsgrafik – exklusiv für unsere Leser.
Die Grafiken wurden von Michael Römer gezeichnet, technischer Illustrator aus Berlin. Neben der Solarbranche hat er sich beispielsweise auf anspruchsvolle Grafiken für die Luftfahrt spezialisiert.