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Eigenverbrauch olé!

Von Barcelonas Stadtkern, der Rambla, dauert es gut 40 Minuten bis an die Stadtgrenze L’Hospitalet de Llobregat. Immer höher geht es den Berg hinauf. Oben angekommen, lohnt sich der Blick über die Stadt bis zum Mittelmeer. Viele Prominente wohnen hier. Die Stars des FC Barcelona Lionel Messi und Andrés Iniesta, das Promipaar Piqué und Shakira haben Villen in Sichtweite der deutschen Schule San Alberto Magno. Sie trägt den Namen eines Bischofs aus dem 17. Jahrhundert; er wurde vom Papst 1931 heiliggesprochen.

Vielleicht ist San Alberto auch der Schutzpatron für die dreiteilige Photovoltaikanlage auf den Dächern der Privatschule. Denn die Anlage hat eine turbulente Vita: Eine Insolvenz des ersten Installateurs, ein Brand und ein langes Ringen mit dem spanischen Netzbetreiber Endesa liegen auf dem steinigen Weg, bis die Photovoltaikanlage Anfang 2014 ans Netz ging. Allein über einen „nicht normkonformen“ Zähler wurde sechs Monate diskutiert. Da die Schule ihren restlichen Strom vom Versorger bekommt, ist der Netzanschluss aber unverzichtbar für die Schule.

Ohne Einspeisevergütung

Seit dem 22. Januar 2014 ist die Aufdachanlage der Deutschen Schule in Barcelona ans Netz angeschlossen. „Die Anlagengröße ist wegen des zur Verfügung stehenden Platzes auf den Schuldächern limitiert. Daher wird die vollständige Solarenergie nahezu direkt an Ort und Stelle verbraucht“, berichtet Jörg Lübke von Centroplan mit Sitz in Barcelona. Nach der Insolvenz des ersten Installateurs sprang die Firma in die Bresche und übernahm die Fertigstellung, Wartung und Betriebsführung. Nach einem von der spanischen Regierung verhängten Moratorium gab es zu diesem Zeitpunkt keine Einspeisevergütung. Die Anlage hat mit 53,6 Kilowatt genug Leistung, um den Bedarf von rund 31 Haushalten zu decken. Einzig der Eigenverbrauch blieb als tragfähiges Geschäftsmodell übrig.

Ein Fünftel Eigenverbrauch

Planer Lübke hat das vorher durchgerechnet: Knapp 1.600 Sonnenstunden im Jahr geben die Wetteraufzeichnungen an. Die Anlage liefert demnach 78.655 Kilowattstunden und spart der Schule pro erzeugter Kilowattstunde 14,1 Cent. Die Ersparnis durch den Eigenverbrauch summiert sich auf 11.900 Euro pro Jahr. Dem gegenüber stehen rund 100.000 Euro Investitionskosten. Unter Berücksichtigung aller Ausgaben für Betrieb, Wartung und Versicherung kommt man auf einen Amortisierungszeitraum von rund zwölf Jahren. Vorteil: Während dieser Zeit und darüber hinaus während der gesamten Anlagenlaufzeit von rund 25 Jahren friert die Deutsche Schule einen Teil der Stromkosten ein. Und das bietet eine Art Versicherung gegen den schwankenden und tendenziell steigenden spanischen Strompreis. „Zwischen 16 und 20 Prozent des Stromverbrauchs deckt die Anlage“, bestätigt Verwaltungsdirektor Elmar Torrella. Immerhin rund 1.400 Mädchen und Jungen besuchen die Schule. Und die bekommen so ein Stück Energiewende hautnah mit. In der Aula hängt ein Monitor, der die Solarstromerzeugung jederzeit anzeigt. Torrella sagt, die Schüler würden die Anzeige sehr genau beobachten und so für das Thema erneuerbare Energien begeistert. „Dadurch gibt es sogar einen pädagogischen Effekt.“ Mit dem Modell Eigenverbrauch ist die Schule ihrer Zeit sogar voraus, denn die gesetzliche Regelung für den solaren Eigenstrom lässt auf sich warten.

Früher war Goldrausch. In Spanien sprossen die Photovoltaikparks wie Pilze aus dem Boden – dank einer üppigen Einspeiseförderung zu Höchstzeiten von bis zu 48 Cent pro Kilowattstunde. Auf der Iberischen Halbinsel wuchs der größte Solarmarkt, das war 2008. Rund 3,5 Gigawatt von weltweit 16 Gigawatt waren in Spanien am Netz.

Damals: 48 Cent pro Kilowattstunde

Der Hafen von Barcelona zeugt von diesen besseren Zeiten: Die Baywa-Tochter Aufwind Nuevas Energias baute eine Aufdachanlage, die Ende Oktober 2010 ans Netz ging. Die Anlage mit 3,3 Megawatt Leistung erstreckt sich über zwei Dachflächen und hat eine Kollektorfläche von rund 24.000 Quadratmetern. 2010 war sie laut Baywa die größte Aufdachanlage Spaniens.

4,7 Gigawatt am Netz

Nach den Daten des Netzbetreibers Red Eléctrica de España waren in Spanien Ende 2014 rund 4,7 Gigawatt am Netz. Davon 4,4 Gigawatt auf dem Festland; auf die Balearen und Kanaren entfallen 244 Megawatt. Nur sieben Megawatt gingen 2014 neu ans Netz, im Jahr davor waren es gerade mal 100 Megawatt.

Und das hat Gründe: Ab Ende 2010 kürzte die spanische Regierung nach und nach die Fördertarife. Anfangs durch eine Begrenzung der Kilowattstunden, die der Betreiber einspeisen durfte. Später fiel auch der Inflationsausgleich weg. Das Ganze gipfelte in einem Moratorium im Sommer 2013. Der Staat zog die Notbremse und fror die Einspeisevergütung ein.

Ein Jahr später verkündete die Regierung, dass die Tarife rückwirkend neu berechnet werden. Denn durch den starken Zubau 2008 stiegen auch die garantierten Vergütungen stark an. Auch aufgrund dieser Zahlungen lag der Posten im Staatshaushalt, ähnlich dem EEG-Konto in Deutschland, Ende 2014 mit rund 29 Milliarden Euro im Minus. Anti-Solar-Lobbyisten argumentieren gern mit dieser Zahl.

Was nun?

Die Schuld des Staates wurde verbrieft, sodass die fünf großen Stromerzeuger nun im Gegenzug Staatsanleihen besitzen. Das wiederum stärkt die Macht und die oligarchischen Strukturen der Stromkonzerne, die eine dezentrale Energieversorgung durch Photovoltaik nicht voranbringen, ganz im Gegenteil. Für einige Altanlagenbesitzer bedeuteten die neuen Tarife eine Reduzierung von 30 oder gar 40 Prozent der ursprünglichen Einspeisevergütung. Zudem wird ein Teil der Vergütung nun zeitlich verzögert ausgezahlt. Viele Solaranlagenbetreiber konnten die Kredite nicht mehr bedienen und mussten die Anlagen an Geierfonds verkaufen.

Immer noch prozessieren damalige Investoren gegen den spanischen Staat vor den internationalen Schiedsgerichten in London, Washington und Stockholm gegen die rückwirkende Kürzung. Jedenfalls die Investoren, die es sich leisten können.

So konnte auch die Deutsche Schule in Barcelona 2014 überhaupt nur auf Eigenverbrauch setzen. Dreimal 15 Kilowatt leisten die Wechselrichter von SMA Solar. Die Module von Centrosolar haben je 235 Watt. „Das entspricht dem Stand der Technik, als die Anlage im Jahr 2011 geplant wurde“, erklärt Centroplan-Mann Lübke. Der Planer musste mit den vorhandenen Gegebenheiten umgehen und improvisieren. So wurden die U-Profile des Montagegestells auf dem Schuldach mit Steinen beschwert, um die Standsicherheit nach den neuen Berechnungen zu gewährleisten. Denn auf den Bergen rund um Barcelona kann es durchaus stürmisch werden.

Das spanische Büro von Centroplan besteht derzeit aus zwei Ingenieuren und einer Bürokraft. Das kleine Team hält vor Ort die Stellung. Denn auch ein Teil der Unternehmensmutter Centrosolar wurde 2013 von der Branchenkrise erfasst und musste Insolvenz anmelden. Die Firma wurde von Pohlen Solar, einem mittelständischen Familienbetrieb bei Aachen, übernommen. Das Team um Lübke konnte 2013 immerhin zwei Projekte ans Netz bringen: die deutsche Schule und einen deutschen Discounter, der eine industrielle Eigenverbrauchsanlage bauen ließ. Das Gros des Geschäfts liegt bei der Wartung und Betriebsführung des Bestands von sechs Megawatt Anlagenleistung. Dadurch bleibt die Firma immerhin im Geschäft. Auch der Wechselrichterhersteller SMA aus Hessen erwartet derzeit kaum neue Installationen in Spanien. Da der Großteil der Anlagen bereits vor 2008 errichtet wurde, hoffen die Niestetaler aber auf ein neues Geschäft, denn Wartungs- und Betriebsführungsverträge laufen für viele Anlagen aus.

Hoffnung bietet auch das Geschäft mit dem Eigenverbrauch. Die positiven Effekte schwappen schon von Portugal herüber und spiegeln sich in einer wachsenden Nachfrage von Gewerbe- und Industrieunternehmen nach Solargeneratoren, berichtet SMA-Sprecherin Susanne Henkel. Der entsprechende Gesetzesentwurf hängt schon seit mehr als zweieinhalb Jahren in einer Schleife – selbst für spanische Verhältnisse ein langer Zeitraum. Regionale Regierungen und Bürgermeister sind derweil kreativ. Sie unterstützen Eigenverbrauch ohne Netzeinspeisung beispielsweise über die Befreiung von der Stromsteuer. Denn die regionalen Regierungen wollen in jedem Fall sichergehen, dass neue Photovoltaikanlagen legal installiert werden.

Für Selbstversorgung werben

Viele Bürger und auch Unternehmer kämpfen. Sie wollen den Eigenverbrauch und die Einspeisung in den eigenen, netzabgekoppelten Stromkreis verteidigen. SMA-Mitarbeiter vor Ort erklären auf Foren und Infoveranstaltungen die Vorteile für Hauseigentümer und Wirtschaft. Das betrifft sowohl eigene Anlagen als auch Stromlieferverträge. Die Rückmeldungen seien positiv, weiß Sprecherin Henkel. Genaue Zahlen aus der neu auflebenden Nachfrage zu ermitteln sei aber schwierig. Eines ist jedoch sicher: Auch für Bewässerungsanlagen von Tomatenfeldern und Klimaanlagen in der Fischverarbeitung in Andalusien lohnt sich der Eigenverbrauch.

Unter Zugzwang

„Für diese Saison sieht es besser aus“, frohlockt Lübke. Ein deutscher Discounter plane, zehn Filialen mit Photovoltaikdächern auszustatten. „Die setzen sich nicht aus Solidarität einen Solargenerator aufs Dach, sondern weil sie Geld sparen wollen.“ Eine Anlage hat sich bei den Sonnenstunden in Spanien und bei dem hohen Energiebedarf für die Kühlung in weniger als zehn Jahren wieder amortisiert. Auch deshalb sieht Lübke den spanischen Markt positiv. Das Nachbarland Portugal hat im Herbst 2014 den solaren Eigenverbrauch genehmigt und bringt Spanien damit unter Zugzwang, hofft auch Lübke. Im Markt für Solardachanlagen im gewerblichen Bereich sieht er ein großes Potenzial, weil die Kaufleute immer mehr sehen, dass sie einfach Geld sparen können und davon direkt profitieren. Lübke ist sich sicher: „Die Frage ist nicht, ob der Eigenverbrauch kommt, sondern vielmehr wann.“

www.centroplan.de

Rödl & Partner

Mindestens sieben Prozent Rendite

Ende Juni 2014 verabschiedete die spanische Regierung eine lang erwartete Verordnung zur Neuregelung der Photovoltaikanlagen. Die Regelung definiert rund 1.500 typische Anlagen und deren Investitionskosten im Jahre der Inbetriebnahme. So wird beispielsweise angenommen, dass eine Photovoltaikanlage mit einem Megawatt Leistung mit dem Inbetriebnahmedatum 2008 im Schnitt einer Investition von gut sieben Millionen Euro bedurfte.

Die Investition soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers während der angenommenen Funktionsdauer der Anlage über 30 Jahre ab Netzanschluss eine Rendite von 7,5 Prozent erbringen. Die Summe wird zum einen durch eine jährliche feste Investitionszulage und zum anderen durch eine Zuzahlung von 2,5 Cent pro Kilowattstunde zum Strommarktpreis erbracht. Für die Megawattanlage liegt dieser Betrag bei rund 570.000 Euro.

„Schon seit Mitte 2013 war klar, dass sich Anlagenbetreiber und Fondsgesellschaften, die mit zum Teil zweistelligen Renditen kalkuliert haben, auf tiefe Einschnitte gefasst machen mussten”, sagt Christoph Himmelskamp, Partner in Barcelona bei der Kanzlei Rödl & Partner. Denn für Altinvestoren stellt das neue Förderregime eine Kürzung von teils 30 Prozent dar.

In Spanien ist das Abrechnungssystem nach Einspeisevergütungen selbst für deutsche Verhältnisse kompliziert: Denn die garantierten Vergütungen werden zeitversetzt gezahlt. „Das gefährdet natürlich die Liquidität der Betreiber, die ihre Kredite bei den Banken und Investoren tilgen müssen“, sagt Himmelskamp.

Die Höhe der anteiligen Zahlungen wird über sogenannte Zahlungsquotienten ermittelt. Für den Monat November 2014 lag der Quotient bei rund 80 Prozent. Die verbleibenden 18 Prozent zum Mindestkoeffizienten von 98 Prozent werden in weiteren Teilzahlungen bis November 2015 gezahlt. Falls bei der endgültigen Abrechnung für 2014 im November 2015 eine Differenz bestehen bleibt, wird diese zwar vom Staat verzinst, fließt aber erst bis zu fünf Jahre später.

www.roedl.de

IP Syscon

Sechs Quadratkilometer für Solardächer

Die Stadt Barcelona wollte es genau wissen. Sie hat die Firma IP Syscon aus Osnabrück beauftragt, das Solarpotenzial der Dachflächen der rund 240.000 Gebäude der Stadt zu berechnen. Ergebnis: In Barcelona stehen mehr als sechs Quadratkilometer Dachfläche für die Photovoltaik bereit. Damit könnten jährlich rund 1.200 Gigawattstunden Solarstrom produziert werden.

Denn die Siedlungsstruktur in Barcelona besteht überwiegend aus Flachdachgebäuden mit vielen Aufbauten. Die Potenzialanalyse berücksichtigte Unterbrechungen der Dachfläche durch beispielsweise Lichtschächte oder Schornsteine – sowie den ausgehenden Schattenwurf.

In die 2013 erstellte Analyse gingen nur genügend große und homogene Flächen für Photovoltaikmodule oder Solarthermiekollektoren ein. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.

www.ipsyscon.de

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