Drei auf einen Streich: „Das hatten wir in all den Jahren wirklich noch nie“, erzählt Diplomingenieur Holger Laudeley aus Ritterhude bei Bremen. Denn erstmals ging er mit seinen Mitarbeitern Projekte in Brandenburg an. Gewöhnlich reicht sein Radius von Bremen bis nach Flensburg – aber weniger gen Osten.
Erstes Treffen in Ritterhude
Insbesondere das 24-Parteien-Haus in Luwigsfelde reizte Laudeley, als er sich Mitte 2019 erstmals mit Familie Hoffmann/Krüger in Ritterhude traf. Die beiden IT-Spezialisten beschäftigten sich mit dem Traum vom Neubau – und stießen auf der Suche auf den Fachmann aus Ritterhude.
Der Familie Hoffmann/Krüger gehören in Ludwigsfelde mehrere angrenzende Grundstücke. Bis vor zwei Jahren standen darauf
zwei Häuser: Zusammen mit ihren Kindern lebten sie im älteren Einfamilienhaus. Außerdem gibt es etwa 200 Meter entfernt das Mehrfamilienhaus.
Mitte 2020 kam der neue Bungalow hinzu. Dort zogen die Eltern ein, während die Kinder im älteren Haus blieben.
Was bedeutet Autarkie?
„Eines unserer Ziele bei der Planung des Bungalows war es, ein Stück unabhängig zu sein“, erzählt Sven Krüger. „Allerdings fragten wir uns: Wie soll das funktionieren? Man hört viel über Energiewende und Autarkie. Aber was bedeutet das ganz konkret für das eigene Bauvorhaben?“, ergänzt Petra Hoffmann. In den Gesprächen mit Holger Laudeley kristallisierte sich vor allem eines heraus: das schöne Gefühl, sich eines Tages fast ausschließlich von der Sonne zu versorgen. „Aber bevor es so weit ist, müssen einige Schikanen aus dem Weg geräumt und bürokratische Hemmnisse überwunden werden“, prophezeite Laudeley.
Das älteste der drei Gebäude in Ludwigsfelde ist das Mehrfamilienhaus, das Wohnraum für 24 Mietparteien bietet. Das Flachdach des Gebäudes musste ohnehin saniert werden, die Heizung hatte mit 30 Jahren ein Alter erreicht, um sie auszutauschen.
Altes Flachdach, alte Heizung
Hoffmann und Krüger entschieden sich bei der energetisch-technischen Sanierung für das große Paket. Das bedeutet: Die bisherige Heizung wurde durch ein Blockheizkraftwerk ersetzt. Es läuft mit Erdgas aus dem Netz und leistet 16 Kilowatt. Dafür liefert es mit Kraft-Wärme-Kopplung über drei bis fünf Monate im Jahr zuverlässig Strom und Wärme. „Für das BHKW sprach vor allem seine Effizienz, die durch die KWK-Nutzung viel besser ist als die etwa einer Wärmepumpe“, erklärt
Holger Laudeley.
An besonders kalten Tagen springt ein Spitzenlastkessel ein, um die 24 Wohnungen jederzeit sicher und ausreichend mit Wärme zu versorgen – gerade in den kalten Phasen der sogenannten Dunkelflaute.
Hinzu kommt eine Photovoltaikanlage mit 98 Kilowatt (288 Module von Aleo Solar) auf dem Flachdach, deren Energie über sechs SMA-Wechselrichter ins Hausnetz eingespeist wird.
98 Kilowatt aufs Flachdach
„Eigentlich wollten wir die Wechselrichter von E3/DC verwenden“, meint Laudeley. „Aber der örtliche Netzbetreiber bestand darauf, Wechselrichter von SMA einzusetzen, da lediglich diese die Norm zum Oberschwingungsverhalten erfüllen würden.“ Aus seiner Sicht ist das Schikane, weil jeder Wechselrichter die Norm erfüllen muss.
Herzstück der Technik im Keller des Mehrfamilienhauses sind zwei Stromspeicher Quattroporte Linea XXL mit jeweils 78 Kilowattstunden von E3/DC. Sie verfügen insgesamt über eine Kapazität von 156 Kilowattstunden und können 36 Kilowatt ausspeisen.
Als das Team von Laudeley Betriebstechnik im November 2020 für vier Tage nach Ludwigsfelde kommt, ahnt es nicht, welch widrige Umstände dort warten. Am zweiten Tag moniert ein Vertreter der Berufsgenossenschaft mangelnde Absturzgitter auf dem Dach des
Mehrfamilienhauses.
Er verhängt einen Baustopp. „Wir haben dann entsprechende Sicherungen besorgt und sie noch in der Nacht montiert“, erinnert sich Laudeley. „Währenddessen hat das Team den im Rohbau befindlichen Neubau mit einer 14,52-Kilowatt-Photovoltaikanlage bestückt. Dank einer Attika, also einer Randbegrenzung, war diese Baustelle nicht vom Baustopp betroffen.“
An den folgenden Tagen haben seine Mitarbeiter dann bis spät in die Nacht geackert, um die verlorene Zeit wieder reinzuholen. „Letztlich gelang uns das aber nur bedingt, weil es natürlich im November auch regnet“, erinnert sich Laudeley. „Dann wird es wirklich unangenehm auf dem Dach. Schließlich hat uns das Theater einen ganzen Tag gekostet.“
Netzbetreiber monierte Messkonzept
Eine weitere Hürde: das Messkonzept. „Der hiesige Netzbetreiber hatte ganz andere Vorstellungen als unsere Netzversorger in Niedersachsen“, erläutert Laudeley.
Obwohl Laudeley ausgerechnet hatte, dass der vorhandene Netzanschluss ausreicht, verlangte der Netzbetreiber ein zusätzliches Kabel über 220 Meter und die Platzierung einer neuen Zählersäule an der Grundstücksgrenze.
Dort sollte der wichtige Bezugs– und Lieferzähler installiert werden. Laudeley fand eine Lösung: „Zum Glück gehören die entsprechenden Grundstücke allesamt dem Auftraggeber, sodass wir es einer Spezialfirma überlassen konnten, das Kabel zu ziehen.“
Als das Team Anfang Dezember das nächste Mal nach Ludwigsfelde kam, lief wieder einiges schief: Der Teleskoplader für die Solarmodule rollte verspätet auf die Baustelle. Doch damit nicht genug: Auch die Speichersysteme von E3/DC kamen nicht pünktlich. Ergo: Erst nach der nächsten Nachtschicht waren die Speicher und die Solarmodule
installiert.
Sinnvolles Konzept entwickelt
Die anspruchsvolle Sanierung in Ludwigsfelde liefert nun drei Vorbildprojekte in einer Straße. Laudeley Betriebstechnik zeigte gemeinsam mit den Auftraggebern und den Partnern, wie das Konzept immer wieder angewendet werden kann.
Nur kleine Modifikationen sind notwendig, um es auf die Belange der jeweiligen Gebäude und ihrer Nutzer anzupassen. „Unser Konzept basiert immer auf Photovoltaik auf dem Dach, Stromspeichern von E3/DC und Brauchwasser-Wärmepumpen für das Warmwasser im Sommer“, sagt Holger Laudeley.
Zweite Erzeugungsquelle eingebunden
Daneben unterscheidet sich das bewährte Konzept lediglich bei der Nutzung der zweiten Erzeugungsquelle. Während das Mehrfamilienhaus ein BHKW bekam, erhielt der herausragend gedämmte Neubau eine Sole-Wärmepumpe (7,5 Kilowatt thermisch bei 1,5 Kilowatt elektrischer Leistungsaufnahme). Der Altbau wurde mit einer Brennstoffzelle
ausgestattet.
Standard sind intelligente Stromzähler von Discovergy. Die Aachener zählen zu den Unternehmen, die die meisten Mieterstromprojekte mit Partnern wie Laudeley realisiert haben.
Intelligente Stromzähler eingebaut
Allein beim Mehrfamilienhaus in Ludwigsfelde kommen 31 Zähler zum Einsatz. Dafür gewinnen die Mieter echte Transparenz über ihre Stromverbräuche – und die Vermieter die Grundlage für die Abrechnung der Stromkosten der einzelnen Parteien.
Deutschland muss die Sanierungsquote deutlich erhöhen, um seine Klimaziele zu erreichen. Die energetisch-technische Sanierung des Gebäudebestands ist dafür das A und O.
„Eines darf man nicht vergessen: Bisherige Gebäude in Deutschland sind auf 80 Jahre ausgelegt“, rechnet Laudeley vor. Allein
mit Neubauten ist Klimaschutz also nicht erreichbar, der Schwerpunkt muss auf dem Bestand liegen.
Kosten für den Betrieb senken
Dabei machten die Baukosten eines Gebäudes einen Anteil von zehn Prozent aus, während die Betriebskosten rund 90 Prozent ausmachen. „Auf die Lebensdauer gerechnet, drehen wir das Verhältnis durch die Kombination aus Photovoltaik, Speicher, Wärmepumpe für Brauchwasser und zweite Erzeugungsquelle fast um: Sobald die Baukredite abbezahlt sind, ist die Energieversorgung
beinahe kostenlos.“
Laudeley hat ein Konzept geschaffen, das zur Nachahmung bundesweit dringend empfohlen wird.