Münchner Forscher haben den Blick in das Innere eines Lithium-Akkus gewagt. Sie sind der Bildung von metallischem Lithium beim Ladevorgang auf der Spur. Die ersten Ergebnisse liegen jetzt vor.
Forscher der Technischen Universität München (TUM) haben einen Blick in das Innere von Lithium-Ionen-Batterien geworfen, um dem sogenannten Lithium-Plating auf den Grund zu gehen. Das ist die Bildung von metallischem Lithium während des Ladevorgangs. Statt Lithium-Ionen lagert sich dieses metallische Lithium an der Anode ab und steht für die Speicherung von Strom nicht mehr zur Verfügung. Dadurch verringert sich die Leistungsfähigkeit der Batterie. Das eigentliche Problem ist aber, dass durch das Lithium-Plating das Risiko eines Kurzschlusses steigt. Zudem ist metallisches Lithium leicht entflammbar.
Mit Neutronenstrahlung beschossen
Bisher war es allerdings nicht möglich, das Lithium-Plating genau zu ergründen, ohne die Batterie zu zerstören. Zudem konnten die Forscher nur eine kleine Momentaufnahme dieses Zustands beobachten, wenn sie die Batterie geöffnet haben. „Allerdings ändert sich die Menge des metalliscen Lithiums laufend“, erklärt Ralph Gilles, Wissenschaftler an der Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II) der TUM. Um das zu ändern, haben seine Kollegin Veronika Zinth sowie Christian von Lüders vom Lehrstuhl für Elektrische Energiespeichertechnik der TUM den Prozess des Lithium-Platings live beobachtet, ohne die Batterie aufzuschneiden. Am Materialforschungsdiffraktometer STRESS-SPEC am FRM II bestrahlten die Forscher die Batterie während des Ladens und Entladens mit Neutronenstrahlen. Sie haben dann den einfallenden Neutronenstrahl an der Batterie nach dem Gesetz der Braggschen Gleichung gebeugt. Der australisch-britische Physiker William Lawrence Bragg hat diese Gleichung im Jahr 1912 aufgestellt. Er formulierte damit die Grundlage der Streuung von Strahlen an einem dreidimensionalen Gitter – sprich: einem Kristall wie metalisches Lithium einer ist. Trifft die Strahlung auf den Kristall, geht zwar ein Großteil dieser Strahlung direkt durch den Kristall hindurch. Doch ein gewisser Anteil der Strahlen wird auch durch den Kristall abgelenkt. Dieser abgelenkte Anteil der Strahlung wird mit einer Fotoplatte als Detektor eingefangen und dadurch sichtbar gemacht. Denn auf der Fotoplatte entstehen charakteristische Mustern. So haben es auch die Münchner Forscher gemacht und anhand des entstandenen Musters auf dem Detektor ermittelt, wie viel metallisches Lithium sich gebildet hat. „Im Vergleich zu anderen Methoden kann man mittels Neutronendiffraktion genauere Aussagen treffen, wann wie stark das Lithium-Plating auftritt“, erklärt Veronika Zinth.
Akkus langsam laden
Durch ihre Versuche haben die Münchner Wissenschaftler herausgefunden, dass die Bildung von metallischem Lithium von der Geschwindigkeit des Ladevorgangs abhängt. Je schneller die Batterie geladen wird, desto mehr metallisches Lithium wird gebildet. Das geht so weit, dass bis zu 19 Prozent der normalerweise am Lade- und Entladeprozess beteiligten Lithium-Ionen als metallisches Lithium vorliegen. Die Forscher haben diese Batterie allerdings in ihren Versuchen bis auf minus 20 Grad Celsius abgekühlt. Wird die Batterie in einer wärmeren Umgebung geladen, fällt weniger metallisches Lithium an. Das ist vor allem für die Betreiber von Lithium-Speichern ein wichtiger Hinweis. Sie sollten ihre Akkus möglichst nicht in einer kalten Umgebung laden. Das ist im Falle der stationären Speicher weniger ein Problem. Doch wenn es um die Elektromobilität geht, wird dies schon zur Herausforderung. Denn dann wird beim Laden im Winter mehr metallisches Lithium gebildet als im Sommer. Darauf müssen die Autohersteller bei der Konstruktion achten.
Vorgang ist teilweise reversibel
Die Münchner Wissenschaftler geben aber auch Entwarnung. Der Prozess ist reversibel. „In einer Pause von 20 Stunden nach einem schnellen Ladevorgang reagiert ein Teil des metallischen Lithiums wieder mit dem Graphit, Lithium-Ionen lagern sich in die Graphit-Schicht ein“, berichten sie. „Es handelt sich sozusagen um einen nachträglichen, langsamen Ladeprozess.“ Allerdings ist nur ein Teil des Lithium-Platings reversibel, betonen die Forscher. Jetzt planen sie weitere Untersuchungen, um noch detaillierter in das Lithium-Plating einzusteigen. Im Raum steht dabei vor allem die Frage wie es sich vermeiden lässt. Die Münchner untersuchen dabei vor allem, wie schnell ein Lithium-Akku geladen werden kann, bevor das Lithium-Plating einsetzt. (Sven Ullrich)