Der ehemalige Berufssoldat Robert Keller (58) ist voller Überzeugung ein Guerillero, und zwar ein Solar-Guerillero. Der Unternehmer lebt mit seiner Frau in der beschaulichen Gemeinde Weinböhla im Landkreis Meißen, ganz in der Nähe von Dresden.
Dort bewohnt er ein weitläufiges Grundstück mit Pferdekoppel und dem Gebäude, in dem auch seine IT-Firma sitzt. „Vor etwas mehr als zwei Jahren machte mich ein Freund auf Balkonkraftwerke aufmerksam“, erinnert er sich. Bei Youtube sah er mehrere Videos des Fachinstallateurs Holger Laudeley, der seit einigen Jahren Solarmodule mit integriertem Wechselrichter verkauft, die per Schukostecker an jede Steckdose angeschlossen werden können. So entsteht eine saubere, alternative Energiequelle.
Anfangs drei Balkonmodule
Keller besorgte sich zunächst drei Balkonsolarmodule und erntete eigenen Solarstrom. Immer im Hinterkopf hatte er dabei: „In einigen Jahren wollen wir in ein Tiny House ziehen, irgendwohin, wo es ruhig ist. Unser solares Kraftwerk soll dann mitkommen und uns versorgen.“ Aus drei Solarmodulen von Aleo Solar aus Brandenburg wurden im Jahr 2020 schließlich sechs Module. „Der Solarertrag hilft, meine Server tagsüber mit Energie zu versorgen. Einige Wochen während des Jahres sind wir tagsüber autark.“
Allerdings fährt Kellers Frau mittlerweile mit dem elektrischen Zoe von Renault zur Arbeit in eine Schule in Weinböhla. Also stieg der Energiebedarf. Inspiriert von den Videos von Holger Laudeley entschied sich das Paar, die große Garage mit Flachdach zu nutzen, um den nächsten Schritt zur eigenen Energieversorgung zu wagen. „Ich habe lange nach jemandem gesucht, der mir einen E3/DC-Stromspeicher installieren kann“, erzählt Keller. „Aber hier in der Region gab es niemanden.“
Eine Bestellung in Ritterhude
Also bestellte er 22 Solarmodule mitsamt Montagesystem sowie ein Speichergerät vom Typ S10 Mini bei Laudeley in Ritterhude bei Bremen, im Nordwesten der Republik. Die Idee: Einerseits möglichst viel selbst vorbereiten,
damit der weit anreisende Experte in wenigen Stunden die Anlage in Betrieb setzen kann. Andererseits soll die Anlage so laufen, dass kein Solarstrom ins Niederspannungsnetz fließen kann: Nulleinspeisung. „Mir sind die bürokratischen Hürden und die Kosten für die Einspeisung schlicht zu hoch“, sagt Keller.
Der Hintergrund: Selbst sein moderner Zählerschrank müsste bei regulärer Anmeldung der Anlage beim Netzbetreiber auf die neuesten Richtlinien angepasst werden. „Bei der Größe des Zählerschranks kommen da gut und gerne Kosten von 3.500 Euro auf den Kunden zu“, rechnet Elektriker Peter Wiegend vor.
Er hat das E3/DC-System installiert und in Betrieb genommen. „Also bauen wir die Anlage im Auftrag des Kunden so, dass ein einseitiges Inselnetz entsteht, eine wesentliche Änderung der Bestandsanlage aber nicht stattfindet.“
Bis der Elektriker vor Ort in Weinböhla war, hatte Keller die neuen Solarmodule bereits ausgepackt und in Eigenleistung auf das etwa drei Meter hohe Flachdach gehievt. „Da meine Frau mehrere Pferde besitzt, habe ich unseren Misthänger genutzt, um von dort aus die Solarmodule aufs Dach zu heben“, erläutert Robert Keller. Auch die Verkabelung bereitete er weitgehend selbst vor und nahm das Stromspeichersystem aus der Transportverpackung.
Eine „wesentliche Änderung der Bestandsanlage“ würde nach Ansicht des Elektrikers erst dann vorliegen, wenn das E3/DC-System fest angeschlossen würde.
Damit dies nicht der Fall ist, wird über einen Stecker aus dem Hauskraftwerk ein mobiles Gerät gemacht. „Sollte sich der Netzbetreiber beklagen, lässt sich die Anlage einfach außer Betrieb nehmen, indem man den Stecker zieht“, verrät Wiegand.
Mit Nulleinspeisung geplant
Um die netzparallele Insel in Betrieb zu nehmen, wird eine lückenlose Kommunikation aller Energieerzeuger mit dem Speichersystem aufgebaut. Dazu wird ein sogenanntes Nulleinspeisungs-Can-Bus-System verwendet.
In den Zählerschrank integriert der Elektriker unter anderem einen Wurzelleistungsmesser, der kontinuierlich erfasst, ob und wie viel Strom in welche Richtung fließt. Das einphasige Speichersystem S10 Mini kann alle drei Phasen überwachen.
Droht eine Einspeisung ins Stromnetz, wird die Photovoltaikspeicheranlage über den integrierten Wechselrichter unverzüglich abgeregelt. „Mir ist bewusst, dass dieses Abregeln für die Allgemeinheit nicht optimal ist“, erläutert Keller. „Denn eigentlich wäre es besser, den Strom zu produzieren und ihn an einen Nachbarn zu verkaufen.“ Aber das sei nur mit übergroßem bürokratischem Aufwand und hohen Kosten möglich. Er sagt auch: „Die neue Regierung hat Bürokratieabbau versprochen. An dieser Stelle könnte sie damit beginnen.“
Ein typischer Pionier
Robert Keller möchte die Energiewende in seinem persönlichen Umfeld selbst vorantreiben, auch wenn es gerade in Sachsen viele Widerstände gegen Solarenergie, Windkraft oder Elektromobilität gibt. Sein Shirt „Ich bin ein Solar-Guerilla“ trägt der Familienvater aus Überzeugung. Längst steckt er mit seinem Enthusiasmus für die Energiewende Nachbarn und Freunde an. Denn er ärgert sich: „Bislang ist es traurig, wie wenige Solaranlagen hier in Weinböhla im Speckgürtel von Dresden zu finden sind.“
Aus Sicht von Holger Laudeley ist Robert Keller einer der typischen Pioniere, die jetzt gebraucht werden, um wieder richtig Schwung in die schleppende Energiewende zu bringen. „Jeder kennt einen Elektriker, einen Dachdecker oder einen Gerüstbauer oder andere fähige Leute, die mit anpacken können“, empfiehlt er.
Das mit der Nulleinspeisung durchzuziehen, wie es Robert Keller macht, dazu gehöre schon eine Extraportion Mut, meint Holger Laudeley. „Denn der Netzbetreiber wird Radau machen, wenn er es mitbekommt.“
Generell raten er und sein Team dazu, eine solche Anlage ordnungsgemäß anzumelden. Denn letztlich geht es darum, die Energiekosten zu senken, und nicht darum, sich im Dauerkampf mit Behörden und Netzbetreibern zu üben.
Bundesweit agierendes Team
Laudeley plant den Aufbau eines bundesweiten Installationsteams, um Kunden wie Robert Keller überall unterstützen zu können. „Wir haben aber viel zu wenig Handwerker, um jede Anlage vollständig von A bis Z bauen zu können“, berichtet er. „Daher braucht es die Kombination aus Eigeninitiative mit Hilfe aus dem Freundeskreis und der Inbetriebnahme der Anlage durch uns.“
Für Robert Keller ist eines klar: Mit seiner neuen Photovoltaikanlage und dem Stromspeicher, der jegliche Einspeisung überschüssigen Solarstroms unterbindet, hat er lediglich eine Art stromerzeugendes Haushaltsgerät installiert. „Einen neuen Heizlüfter oder die Waschmaschine melde ich doch auch nicht an“, meint Keller.
Strom erzeugendes Haushaltsgerät
Zuletzt entschied jedenfalls ein Gericht, dass ein Photovoltaikmodul als stromerzeugendes Haushaltsgerät zu behandeln ist. Für den kommenden Sommer plant Keller die Teilnahme an Veranstaltungen, um mehr Menschen von seinem Weg des Solar-Guerilleros zu überzeugen. Damit die Energiewende endlich durchstarten kann.