Das Jahr 2022 sah die Solarmärkte weltweit in erheblichem Aufwind. Wie konnte Solarwatt das Geschäftsjahr abschließen?
Detlef Neuhaus: Wir haben 2022 einen Umsatz von rund 330 Millionen Euro erzielt und über 700 Megawatt Solarmodule verkauft. Derzeit haben wir 860 Mitarbeiter. Die Zahlen zeigen, dass wir sehr stark wachsen. Unsere neue Modullinie F8 läuft auf Hochtouren.
Solarwatt produziert und vertreibt Glas-Folie-Module und Glas-Glas-Module. Wie hoch war der Anteil der Doppelglasmodule am Absatz?
Etwa die Hälfte. Unsere eigene Fertigung erreicht 300 Megawatt im Jahr, zudem stützen wir uns auf zusätzliche Produktionskapazitäten in anderen Ländern, wo in unserem Auftrag unsere Module nach strengen Qualitätskriterien gefertigt werden. Alle Module erhalten unsere Produkt- und Leistungsgarantie, darauf können sich unsere Partner und Kunden verlassen.
Die neue F8 lief vergangenes Jahr hoch, nun läuft sie bereits mit Volllast. Eigentlich müssten Sie schon die nächste Fabrik planen, oder?
Ursprünglich sind wir davon ausgegangen, dass wir alle zwei oder drei Jahre ein neues Modulwerk mit 250 Megawatt jährlichem Ausstoß bauen. Die Dynamik der Märkte, die sich im vergangenen Jahr entwickelt hat, macht ein Umdenken erforderlich. Klein-klein geht es nicht mehr weiter. Jetzt müssen wir über mehrere Gigawatt nachdenken. Das ist freilich eine ganz andere Nummer, was die Investition und die Planung betrifft.
Welche Ziele haben Sie sich für 2023 gesteckt?
Beim Umsatz wollen wir mindestens 500 Millionen Euro erreichen und rund ein Gigawatt Module verkaufen. Ich denke, bis Jahresende werden wir rund 950 Leute haben. Sie erinnern sich bestimmt noch: Vor zehn Jahren steckten wir in einer schwierigen Restrukturierung, hatten gerade 110 Mitarbeiter und 28 Millionen Euro Umsatz.
Solarwatt hat sich die Sektorenkopplung auf die Fahnen geschrieben. Wichtigste Komponente ist der Solarspeicher. Sie haben die Battery flex AC-1 entwickelt, einen einphasigen Akku für die AC-Einbindung. Wie hat sich dieses Geschäft entwickelt?
Wie andere Anbieter kämpfen wir mit Engpässen bei den Zulieferern. Bestimmte Teile bekommen wir nicht in ausreichender Stückzahl. Vermutlich könnten wir doppelt so viele Batterien verkaufen, wenn wir lieferfähig wären. Das Batteriegeschäft entwickelt sich nicht schlecht, aber unsere Marktanteile werden der hohen Qualität unserer Battery flex nicht gerecht. Ich hoffe, die Situation verbessert sich in diesem Jahr.
Solarwatt vertreibt direkt an die Fachinstallateure. Sie wachsen mit Ihren Installationspartnern. Wie viele Betriebe installieren Ihre Produkte?
Europaweit installieren rund 8.500 Installateure unsere Produkte. In manchen Märkten wie in Italien läuft der Vertrieb nahezu ausschließlich über den Fachgroßhandel. In Deutschland hingegen arbeiten wir mit
120 Premiumpartnern zusammen, die mit uns die Sektorenkopplung in
den Markt bringen.
Aktuell baut Solarwatt einen neuen Installationsstandort in Bochum auf. Zuvor haben Sie solche Zentren in Dresden und Kassel errichtet. Gibt das nicht Ärger mit Ihren Premiumpartnern?
Die Auswahl der Standorte für unsere Zentren erfolgt in enger Abstimmung mit unseren Partnern vor Ort. Mit den Zentren schließen wir im Wesentlichen weiße Flecken auf der Landkarte. Der Standort in Bochum wird ab dem zweiten Quartal dieses Jahres die ersten Solaranlagen auf die lokalen Dächer bringen. In der finalen Ausbaustufe werden dort bis zu 100 Mitarbeiter rund 1.000 Anlagen pro Jahr planen und installieren.
Wo planen Sie den nächsten Standort?
In Baden-Württemberg. Wir errichten diese Zentren auf der grünen Wiese, mit neuen Gebäuden und Personal, das wir in unserer eigenen Solarwatt Academy umfangreich schulen. Daneben beteiligen wir uns an ausgewählten Betrieben, wenn die Chemie stimmt. Unser Vertrieb ruht also auf drei Säulen: auf unseren Premiumpartnern, die unabhängig und eigenständig agieren. Auf den Installationszentren, die wir aufbauen. Und wir vertreiben an Betriebe, an denen wir direkt beteiligt sind.
Zu Jahresbeginn haben Sie in Radeberg bei Dresden ein neues Logistikzentrum in Betrieb genommen. Planen Sie weitere Lager, eventuell im Ausland?
Ich erwähnte Italien, wo das Geschäft weitgehend über den Fachhandel läuft. Dort macht ein Lager keinen Sinn. In Benelux haben wir bereits mehrere Lager aufgebaut. Kleinere Standorte befinden sich in Spanien und Frankreich. Natürlich ist es wichtig, dass wir unsere Kunden schnell und in ausreichendem Maße beliefern. Dennoch muss man aufpassen, dass die Lagerkapazität nicht zu groß wird. Sonst ufern die Kosten aus.
Sie sind eine Kooperation mit Stiebel Eltron eingegangen, um Ihren Kunden hochwertige Wärmepumpen anzubieten. Wie hat sich dieses Segment bislang entwickelt?
Wenn unsere Vertriebspartner bei uns Wärmepumpen bestellen, kaufen wir die Geräte bei Stiebel Eltron und liefern sie an unsere Kunden aus. Dabei geht es um Luft-Wasser-Wärmepumpen und Warmwasser-Wärmepumpen. Die Nachfrage hat 2022 deutlich angezogen. Sie wird auch 2023 weiter steigen, dessen bin ich sicher. In Stiebel Eltron haben wir einen Partner gefunden, der glaubwürdig und zuverlässig ist, also gut zu uns passt.
Wird die Wärmepumpe zur selbstverständlichen Komponente der solaren Eigenversorgung?
Davon gehe ich aus, das meinen wir mit Sektorenkopplung. Dabei wird die Wärmepumpe über unseren Energiemanager in die Hausversorgung eingebunden und priorisiert mit Solarstrom versorgt. Das System integriert unter anderem die Wetterprognose, ein wichtiges Thema bei der Bereitstellung von Heizwärme. Wir bilden unsere Installationspartner aus, damit sie die Technik einwandfrei integrieren. In unserer Solarwatt Academy können die Handwerker einen Wärmepumpen-Führerschein machen, den wir gemeinsam mit Stiebel Eltron anbieten.
Wie schätzen Sie die Nachfrage der Installateure nach Produkten von Solarwatt ein? Nimmt die Zahl der Betriebe zu, die mit Ihnen wachsen wollen?
Wir werden mit Anfragen von Endkunden überrollt, wir werden mit Anfragen von Installateuren überrollt. So schnell können wir die Partnerschaft nicht aufbauen, wie sich das mancher Handwerker wünscht. Denn
schließlich müssen unsere Partner in der Lage sein, unsere Produkte ordnungsgemäß zu planen und zu installieren. Jetzt kommen zum Beispiel Fachbetriebe des Elektrohandwerks, die bisher überhaupt keine Erfahrung mit Photovoltaik haben. Deshalb bauen wir unsere Solarwatt Academy
aus, um die Fachinstallateure systematisch in unser Partnerprogramm einzubinden.
Die Sektorenkopplung ist komplex, reicht von Sonnenstrom über Wärme, Warmwasser, Kühlung bis zur E-Mobilität. Können das die Handwerker überhaupt stemmen?
Die Sektorenkopplung fordert viele Installationsbetriebe heraus, das stimmt. Ich denke, dass größere Betriebe durchaus in der Lage sein werden, die Komplexität zu beherrschen und ihren Kunden alle Leistungen anzubieten. Unter Umständen werden die Gewerke stärker kooperieren. Die Dachdecker übernehmen die Montage der Solarmodule, der Elektriker schließt den Wechselrichter und die Batterie an. Andere Betriebe, vor allem kleinere, werden möglicherweise als Subunternehmer auftreten. Es hängt von vielen Faktoren ab, welchen Weg ein Handwerksbetrieb einschlägt.•
Das Gespräch führte Heiko Schwarzburger.
Solarwatt Academy
Bessere Ausbildung für Sektorenkopplung
Solarwatt hat seine Schulungen in der Solarwatt Academy gebündelt. Im Jahr 2022 wurden mehr als 40 Veranstaltungen mit über 1.200 Teilnehmern durchgeführt, vor Ort in Dresden und digital.
In diesem Jahr wird das Programm wachsen – auf bis zu 2.000 Teilnehmer. Zu den Zielgruppen der Schulungen gehören neue Mitarbeiter von Solarwatt und Quereinsteiger, die in praxisnahen Intensivkursen zu Handwerkern qualifiziert werden. Darüber hinaus vermittelt die Akademie erfahrenen Solarteuren und Installationspartnern zusätzliches Wissen über E-Mobilität, Wärmepumpen und Energiemanagement.
Partnerbetriebe haben die Möglichkeit, in Zusammenarbeit mit Stiebel Eltron einen Führerschein für die Planung und Installation von Wärmepumpen zu erwerben. „Darüber hinaus sprechen wir mit Handwerkskammern und Innungen, um beispielsweise Musterdächer für die praktische Ausbildung zu installieren“, erläutert Jürgen Thurm, der die Solarwatt Academy leitet.
Jürgen Thurm bestätigt, dass sich die Anfragen interessierter Handwerksbetriebe vervielfacht haben. Sie möchten mit Solarwatt kooperieren und die Produkte zur Sektorkopplung aus einer Hand installieren. „Allerdings müssen sie die Komplexität des Themas beherrschen“, erläutert der Schulungsleiter. „Zunehmend gehen die Handwerksbetriebe mit anderen Gewerken regionale Partnerschaften ein, um die Anfragenflut der Kunden zu bewältigen.“
So koordinieren Dachdecker und Elektriker ihre Teams, teilen sich die Dachmontage und die Installation im Keller auf. Heizungsbauer spielen eine Rolle, wenn es um Wärmepumpen geht.
Die Schulungen werden vom Team der Academy und den Produktmanagern von Solarwatt getragen. Zudem kooperiert der Dresdener Systemanbieter unter anderem mit Stiebel Eltron und SMA, um den Teilnehmern das notwendige Rüstzeug zu vermitteln.