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Tourismus

Fast autark im Familienhotel

Das Familux Resort im Luftkurort Oberjoch ist eine Klasse für sich. Das Vier-Sterne-Superior-Hotel besticht nicht nur mit seiner Lage auf 1.200 Metern Höhe inmitten der atemberaubenden Berge des Allgäus. Nach Angaben der Betreiber zählt es zu den schönsten Kinderhotels in Deutschland.

Jede Menge Energie benötigt

Klar, dass die Aktivitäten für Freizeit und Erholung speziell auf Familien mit Nachwuchs zugeschnitten sind. Eine riesige Bade- und Saunalandschaft gehört ebenso dazu wie Kino und Theater, Kartbahn, Turnhalle, Bowlingbahn und Fitnesscenter. Wie es sich für ein modernes Haus gehört, stehen Gästen und Mitarbeitern auch 54 Ladesäulen für ihre E-Autos zur Verfügung.

Kein Wunder, dass der Jahresverbrauch des Hotels eine Gigawattstunde übersteigt. Um ihn so weit wie möglich mit eigenen Mitteln zu decken, beschlossen die Eigner des aus mehreren Gebäuden bestehenden Komplexes, ihre Dächer mit Photovoltaikanlagen zu bestücken.

3.500 Quadratmeter Solarmodule

Über einen Geschäftspartner in München kam der Kontakt zu Jörn Menke zustande, Leiter für die Produktentwicklung und Technik bei Adler Solar in Bremen. „2018 haben wir die ersten Solarmodule in Oberjoch installiert“, erinnert sich Menke. „Heute wird dort von fast jeder Dachfläche Sonnenstrom geerntet. 2.400 Solarmodule bedecken insgesamt rund 3.500 Quadratmeter. Zusammen leisten sie 540 Kilowatt.“

Allein diese Ausstattung mit Solartechnik sorgte dafür, dass der Strombezug aus dem Netz signifikant sank. „Allerdings“, erzählt Jörn Menke weiter, „war allen Beteiligten von Anfang an klar: Es geht nicht nur darum, die Grundlast mit Sonnenstrom abzudecken. Immerhin liegt der Leistungspreis des Energieversorgers bei 250 Euro pro Kilowatt. Wenn man bedenkt, dass hohe Stromspitzen um 150 Kilowatt und mehr anliegen, dann liegt auf der Hand, dass es sich besonders rechnet, wenn wir diese Spitzen kappen.“

Teure Lastspitzen kappen

Solche Lastspitzen gibt es in einem großen Hotel wie dem Familux zur Genüge. Sie entstehen durch Pumpen oder Heizungen im Spa-Bereich, durch die E-Ladesäulen oder elektrische Verbraucher in der Großküche, die das Netz in bestimmten Zeiten besonders stark belasten.

Allein für kurzzeitig sehr hohe Ströme stellte der lokale Energieversorger jedes Jahr einen mittleren fünfstelligen Betrag in Rechnung. Schon bald nachdem die ersten Solarmodule installiert waren, begannen Jörn Menke und sein Team zu planen, wie sich sowohl der Eigenverbrauch optimieren als auch die Spitzenlasten kappen ließen.

Speicher puffert kurzfristigen Bedarf

Die erste Maßnahme bestand in der Installation eines leistungsstarken Gewerbespeichers TS HV 70 von Tesvolt. Jörn Menke erläutert: „Damit konnten wir die zeitliche Lücke zwischen Solarstromerzeugung und Verbrauch bereits ein gutes Stück weit schließen und zu Spitzenverbrauchszeiten Strom aus dem Speicher zuschießen.“

Ein bei Lastspitzen durchaus übliches Problem: Wird eine Lastgrenze auch nur einmal im Abrechnungszeitraum gerissen, wird der höhere Preis für das ganze Jahr erhoben. Denn Leistung, die nur kurz abgerufen wird, muss der Energieversorger sicherheitshalber dauerhaft vorhalten. Und das kostet.

Der Küchenbetrieb hat einen ­hohen Energiebedarf – bis spät in den Abend.

Foto: Daniela Jakob

Der Küchenbetrieb hat einen ­hohen Energiebedarf – bis spät in den Abend.

Atypische Netznutzung vereinbart

Auf der Suche nach einer Lösung verständigten sich die Hotelbetreiber mit dem Energieversorger auf eine atypische Netznutzung: Das Hotel reduziert seinen Tageshöchstverbrauch innerhalb eines definierten Hochlastzeitfensters um mindestens 20 Prozent.

Als Gegenleistung misst der Energieversorger für den Rest des Tages nicht mehr die Netznutzung des Hotels und berechnet keine weiteren Lastspitzen. Diese Lösung ist als Zielvorstellung anvisiert, die auf lange Sicht umgesetzt werden soll.

Schrittweise zum Optimum

Im Laufe der Jahre steigerten die Projekteure sowohl die Leistung der Photovoltaikanlage als auch die Dimensionierung der Speicher. „Inzwischen sind wir bei 540 Kilowatt Solarleistung und 300 Kilowatt Lade- und Entladeleistung der Tesvolt-Speicher angelangt“, rechnet Menke vor. „Die Speicherschränke haben mittlerweile 600 Kilowattstunden Kapazität erreicht. Wichtig war uns von vornherein, dass die Speicher Multi-Use-fähig sind. Denn wir müssen parallel Lastspitzen kappen, den Eigenverbrauch optimieren und Regelenergie bereitstellen.“

Man habe sich bewusst und schrittweise der optimalen Konfiguration angenähert und sei nicht sofort in die Vollen gegangen. „Schließlich ist das Ganze ja eine relativ komplexe Angelegenheit“, weiß der Experte. „Man muss nicht nur Kosten und Nutzen im Blick haben. Auch die Energieströme, die Zeiten mit hohen und niedrigen Solarerträgen oder hohem und niedrigem Verbrauch sind zu berücksichtigen.“

Schrittweise wurde das Speichersystem auf 600 Kilowattstunden ausgebaut. Die Speicherschränke wurden von Tesvolt aus Wittenberg geliefert.

Foto: Adler Solar

Schrittweise wurde das Speichersystem auf 600 Kilowattstunden ausgebaut. Die Speicherschränke wurden von Tesvolt aus Wittenberg geliefert.

Energiemanagement mit KI

Unverzichtbar für die Optimierung ist das Energiemanagementsystem, das künstliche Intelligenz nutzt. „Basis sind Messungen, mit denen wir in Echtzeit die abgerufene Leistung und die Erträge abgreifen“, erläutert Menke. „Anhand dieser Messungen, im Abgleich mit Daten aus der Vergangenheit und aktuellen Wetterprognosen, erkennen die Algorithmen die Situation. Entsprechend kann das System agieren, um die Regelwerte im 15-minütigen Abrechnungszeitraum anzupassen.“

Dazu hat es direkten Zugriff auf die elektrischen Verbraucher. Besteht die Gefahr, dass die vereinbarte Lastgrenze überschritten wird, kann das System zunächst Strom aus den Batteriespeichern ziehen. Reicht das nicht aus, weil etwa plötzlich die Fritteuse in der Küche zugeschaltet wird, lässt sich beispielsweise die Leistung der Wallboxen reduzieren.

Dann dauert das Laden der angehängten Fahrzeuge etwas länger, was aber in der Regel kein Problem ist. Mit dieser Kombination aus Photovoltaik, intelligenten Speichern und Energiemanagement stieg die Eigenverbrauchsquote des Familux-Hotels auf 99 Prozent – ein beispielhafter Wert. An sonnigen Tagen ist die komplette Anlage sogar zu 100 Prozent autark.

Der Badespaß kostet gleichfalls Energie, denn Pumpen und Heizung ­müssen versorgt werden.

Foto: Daniela Jakob

Der Badespaß kostet gleichfalls Energie, denn Pumpen und Heizung ­müssen versorgt werden.

99 Prozent Eigenverbrauch

Schon planen Jörn Menke und sein Team den nächsten Schritt: Arbitrage, also der Handel mit Sonnenstrom. Erzielt der Strom an der Börse aufgrund hoher Netzlast und geringer Einspeisung einen hohen Preis, verkauft das Hotel überschüssigen Strom.

Umgekehrt kann es bei niedrigen Preisen seine Speicher füllen. Das Energiemanagement übernimmt den Handel selbstständig und vollautomatisiert.

Energie kostet Geld. Moderne Hotels werden kaum umhinkommen, ihre Betriebskosten durch solche integrierten Eigenversorgungssysteme zu senken. Die Erfahrungen aus dem Familux Resort haben sich unter den Hoteliers der Gegend herumgesprochen. Derzeit ist Jörn Menke bei mehreren Hotels damit befasst, die Energieversorgung zu optimieren.

Die Sache spricht sich herum

Dabei geht es nicht immer nur um Wirtschaftlichkeit, also um Einsparungen von Kosten. „Bei vielen vor allem größeren Hotels ist die Netzanschlusskapazität ein limitierender Faktor“, berichtet Menke. „Dort genießt die Lösung dieses Problems oberste Priorität.“

Ehe der Hotelbetreiber viel Geld in die Hand nimmt, damit der Energieversorger eine größere Leitung legt, ist es in aller Regel sinnvoller und nachhaltiger, dieses Geld in eine optimierte Eigenversorgung mittels Photovoltaik und Gewerbespeichern zu stecken.

Höchster Komfort mit erneuerbaren Energien – das ist für das Familux Resort keine Vision, sondern Realität.

Foto: Daniela Jakob

Höchster Komfort mit erneuerbaren Energien – das ist für das Familux Resort keine Vision, sondern Realität.

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