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Schlingerkurs in Wien

Es rumort in der Alpenrepublik. Denn die Regierung in Wien will bis 2030 die Stromversorgung komplett auf Erneuerbare umstellen und bastelt gerade an den passenden Rahmenbedingungen, damit das auch klappt. Denn bisher lebt die österreichische Energiewende von der Substanz, sprich von der üppigen Wasserkraft, die dem Land schon bisher einen großen Teil seines Stroms geliefert hat.

Damit kommt man aber nicht weiter. Die Ausbaumöglichkeiten sind weitgehend erschöpft. Mehr geht nicht. Da müssen die anderen Technologien mit ran, die bisher eher stiefmütterlich behandelt wurden. „Neben der Wasserkraft und dem Zubau von Windkraftanlagen wird die Sonnenenergie dazu einen wesentlichen Beitrag leisten“, sagt Cristina Kramer, Referentin der Abteilung für Umwelt- und Energiepolitik in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO).

Weichen werden neu gestellt

Dafür brauche man geeignete Rahmenbedingungen, die Investitionen ermöglichen und dabei die Wirtschaftlichkeit in den Fokus stellen, erklärt sie. Wie sich diese Rahmenbedingungen aus einem relativ rigiden Regelwerk für den Ökostromausbau in Österreich hin zu einem Gesetz entwickeln, das die Energiewende in den Blick nimmt, war dieser Tage in den Räumlichkeiten der WKO zu vernehmen.

Denn auf der Frühjahrstagung des Branchenverbandes PV Austria im großen Tagungssaal in der WKO-Zentrale in Wien war der Vormittag fast ausschließlich für die Information über den aktuellen Stand zum Erneuerbare-Ausbau-Gesetz (EAG) reserviert. „Im Jahr 2019 werden die Weichen für die Photovoltaik neu gestellt“, sagt Christoph Panhuber, Vorstand von PV Austria, mit Blick auf das EAG, das zum Jahreswechsel in Kraft treten soll.

Einheitliche Regeln schaffen

Er kritisiert den bisherigen Wildwuchs an Vorschriften und Förderungen. „Die Landeshauptmannschaften gehen sehr unterschiedlich mit der Photovoltaik um“, sagt Panhuber. „Das reicht von Bundesländern, in denen der Bau von Anlagen schwierig ist, bis hin zu Bundesländern, in denen das zum Spießrutenlauf wird.“

Rechstsicherheit steht im Vordergrund

Genau das soll mit dem EAG geändert werden. „Wir wollen, dass die Bürger, die in eine Photovoltaikanlage investieren wollen, eine administrative und eine Förderstruktur vorfinden“, sagt Josef Plank, Generalsekretär des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus (BMNT). „Wir wollen, dass die Bürger und die Branche keine administrativen Barrieren vorfinden und dass sie Planungssicherheit bekommen. Wir bewegen uns hier aber teilweise auf Neuland. Das Gesetz soll Rechtssicherheit und Planbarkeit schaffen.“

Plank will ein Gesetz, das auch langfristig funktioniert und auf breiten Konsens stößt – nicht nur bei den Regierungsparteien, sondern auch bei der Opposition. Bis es so weit ist, haben aber alle Beteiligten noch viel Arbeit – sowohl in den Ministerien als auch in den Branchen der erneuerbaren Energien. „Wir brauchen 15 Gigawatt Photovoltaikzubau, damit wir das Ziel schaffen, bis 2030 die Stromversorgung Österreichs komplett auf erneuerbare Energien umzustellen“, gibt Vera Immitzer, Geschäftsführerin von PV Austria, die Marschrichtung vor.

Bisher sind 1,5 Gigawatt installiert. „Deshalb müssen wir alle uns zur Verfügung stehenden Anwendungsmöglichkeiten nutzen, von Anlagen auf Gebäuden über Anlagen auf der Freifläche bis hin zur Doppelnutzung in der Landwirtschaft. Um den Zubau voranzutreiben, braucht es Anreize, die mit Bedacht gesetzt werden, und grundsätzlich vereinfachte Rahmenbedingungen, um das vorhandene Potenzial auch tatsächlich nutzen zu können.“

Mehr Geld ist notwendig

Hier geht es nicht nur darum, dass neben Konversions- oder anderen Brachflächen auch landwirtschaftliche Nutzflächen für die Photovoltaik zugelassen werden sollen. Es geht hier auch darum, Geschäftsmodelle wie den direkten Vertrieb des produzierten Solarstroms innerhalb einer Gemeinschaft und innerhalb eines Trafos zuzulassen und zu vereinfachen.

Welche Anreize gesetzt werden müssen, ist aber noch strittig. So fordert PV Austria beispielsweise, dass die Mittel für die Investitionsförderung von Kleinanlagen und Speichern aufgestockt und vier Mal pro Jahr vergeben werden. Das entzerrt das Gerangel um die Förderung, die bisher ein Mal im Jahr innerhalb von gut einer Minute vollkommen ausgebucht ist.

Keine radikalen Änderungen

Auch Ingmar Höbarth, Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds (Klien) fordert eine Aufstockung der Fördermittel. Seit 2008 hat der Klien 151 Millionen Euro an Fördermitteln ausgegeben. Allerdings wurde das Volumen im Jahr 2012 von einst 31,1 auf 22,9 Millionen Euro heruntergefahren. Danach reduzierten sich die Mittel im Fördertopf des Klien schrittweise bis auf 4,3 Millionen Euro in diesem Jahr.

Dazu kommen noch die 17 Millionen Euro, die die Oemag für die Photovoltaikförderung ausgeben kann. Zwar hat die im vergangenen Jahr eingeführte Einbeziehung des Eigenverbrauchs in die Tarifförderung der Oemag dazu geführt, dass 60 Prozent mehr Anlagen gefördert werden konnten. Aber um das Ziel der 15 Gigawatt zu erreichen, reicht das längst nicht aus. „Deshalb ist es dringend notwendig, dass im nächsten Doppelhaushalt das Förderbudget wieder erhöht wird“, sagt Ingmar Höbarth.

Derzeit ist aber noch nicht endgültig geklärt, wie die Fördermittel vergeben werden. „Wir denken da an nicht zu radikale Änderungen“, sagt Josef Plank vom BMNT. „Das derzeitige Förderregime ist schon sehr gut.“ Doch einiges wird sich trotzdem tun. So wird es wohl neben der Investitionsförderung auch weiterhin eine Tarifförderung geben, allerdings mit einer flexiblen Marktprämie.

Anlagen über 500 Kilowatt Leistung sollen diese nur über Ausschreibungen bekommen. In der Bundesregierung ist noch strittig, ob diese Ausschreibungen technologiespezifisch oder technologieoffen stattfinden sollen. Da herrscht in den Verbänden der Erneuerbaren mehr Klarheit. „Wir wollen technologiespezifische Ausschreibungen, da sind sich alle Branchen einig“, betont Vera Immitzer. „Schließlich brauchen wir alle Technologien“, sagt sie und verweist auf die Erfahrungen aus Deutschland.

Schnell handeln

Dort hatte die Photovoltaik in den technologieoffenen Ausschreibungen fast alle Zuschläge gewonnen und die Windkraft ist leer ausgegangen. Deshalb sollten sie nicht gegeneinander ausgespielt werden.

Doch Geld allein ist nicht alles. „Wir brauchen eine Mischung aus Förderung und optimierten Rahmenbedingungen. Man kann sehr viel machen, ohne mehr Geld in die Hand nehmen zu müssen“, sagt Vera Immitzer von PV Austria. „Bisher sind aber die Beharrungskräfte stark“, kritisiert Ingmar Höbarth. „Aber je später wir mit den entsprechenden Maßnahmen anfangen, umso umfassender müssen sie sein und desto teurer wird es auch“, warnt er die Bremser.

Die Hürden für die Photovoltaik abzubauen ist aber offensichtlich schwieriger als gedacht. „Schließlich müssen wir uns noch mit anderen Ministerien abstimmen, weil wir auch die Bremsen aus anderen Gesetzen wie dem Wohneigentums- und dem Mietrechtsgesetz herausnehmen müssen“, betont Josef Plank vom BMNT.

Steuerreform lässt auf sich warten

Wie schwierig eine solche Abstimmung ist, beweist das Finanzministerium. Eine zentrale Forderung ist die Streichung der Eigenverbrauchssteuer. „Deren Abschaffung ist wichtig und wir werden sie auch wegbekommen“, verspricht Josef Plank. Allerdings nicht mit dem EAG. Denn das ist ein Thema für eine Steuerreform, die noch auf der langen Bank liegt.

Schützenhilfe kommt hier immerhin von der Europäischen Union, wie Walburga Hemetsberger, Geschäftsführerin von Solar Power Europe, in Aussicht stellt.

Einspeisevorrang bleibt

Denn Brüssel und Straßburg setzen endlich auf Wachstum, was die Photovoltaik angeht. Dort hat man inzwischen auch erkannt, dass vor allem der Eigenverbrauch der Markttreiber ist. „Deshalb müssen die Mitgliedsstaaten alle Sonnensteuern abschaffen“, beschreibt Hemetsberger einen zentralen Punkt des Clean Energy Package der EU, das derzeit im Abstimmungsprozess ist. Darin wird auch der Einspeisevorrang für alle Ökostromanlagen mit einer Leistung von bis zu 400 Kilowatt fortgeschrieben.

Wichtig für Wien ist allerdings, dass die Photovoltaik in Zukunft mehr Verantwortung für das System übernimmt. So sehen es zumindest die Eckpunkte vor, die das Ministerium schon vorgelegt hat. Dass Systemverantwortung aber auch erst zugelassen werden muss, weiß Josef Plank. Denn das bedeutet nicht nur netzdienlicher Betrieb oder soziale Verantwortung denen gegenüber, die die Investitionsmittel für eine Photovoltaikanlage nicht aufbringen können. Es geht hier auch um den Verbrauch des Stroms vor Ort.

Da ist die Abschaffung der Eigenverbrauchssteuer nur ein erster Ansatz. Die Zulassung des direkten Handels von Ökostrom vor Ort beispielsweise zwischen Gewerbebetrieben oder innerhalb von Mehrfamilienhäusern ist ein weiterer und noch viel wichtigerer Schritt.

Das BMNT will ihn gehen. „Mit dem EAG wollen wir den Rechtsrahmen für gemeinschaftliche Produktion verbessern“, verspricht Josef Plank mit Blick auf die bisherigen Erfolge der Zulassung von Mieterstromprojekten. Immerhin etwa 60 solcher Projekte seien bereits realisiert und weitere 200 seien noch in Planung, erklärt er.

www.pvaustria.at

PV Austria

Rahmenbedingungen optimal gestalten

Für den schnelleren Ausbau der Photovoltaik müssen perfekte Rahmenbedingungen geschaffen werden. Für PV Austria sind hier fünf zentrale Punkte notwendig:

  • Einfache Handhabung und Entbürokratisierung

Hier geht es vor allem um die Schaffung von bundesweit einheitlichen Anforderungen an Solaranlagen, die Abschaffung der Eigenverbrauchsabgabe und die Abschaffung von Betriebsanlagengenehmigungen und Ökostrombescheiden. Außerdem soll zugelassen werden, dass geförderte Anlagen nachträglich erweitert werden.

  • Ambitionierte Bauvorgaben

Gebäude müssen in Zukunft aktiv Energie produzieren. Deshalb ist es notwendig, dass Neubauten in Zukunft verpflichtend mit einer Solaranlage ausgestattet werden. Zudem soll die bauwerkintegrierte Photovoltaik im vorgesehenen 100.000-Dächer- und -Speicherprogramm mitberücksichtigt werden.

  • Laufendes Monitoring des Photovoltaikzubaus und ein Anlagenregister

Hier geht es vor allem darum, zu sehen, wie sich der Ausbau entwickelt, um eventuell mit neuen Maßnahmen nachsteuern zu können, wenn der Zubau zu langsam ist.

  • Neue Betriebs- und Finanzierungskonzepte

Einer der zentralen Punkte ist die Zulassung von echten Quartierslösungen Nicht mehr Mieterstrom in einem Haus, sondern die intelligente Vernetzung von vielen Gebäuden steht hier im Mittelpunkt. Nicht nur dafür soll eine Direktvermarktung des Solarstroms endlich ermöglicht werden. Fällt der direkt belieferte Stromverbraucher aus, soll die Anlage über eine Ausfallhaftung finanziert werden. Außerdem soll der Anlagenbetreiber selbst entscheiden können, ob er die Investition in die Anlage schnell oder über viele Jahre hinweg abschreibt. Zudem sollen die Solaranlagen grundsätzlich steuermindernd angesetzt werden können. Neben einer Senkung der Mehrwertsteuer und der Finanzierung von Netzdienstleistungen muss aber vor allem der Kohlendioxidausstoß fossiler Energieanlagen effizienter besteuert werden.

  • Bewusstseinsbildung und Ausbildung

Der schnellere Zubau wird nicht ohne zusätzliche Fachkräfte gehen. Deshalb soll die Bundesregierung dafür sorgen, dass zusätzlich Solarteure ausgebildet und mobilisiert werden. Außerdem soll die Bevölkerung für die Nutzung der Solarenergie sensibilisiert werden.

Für die Förderung sieht das Konzept von PV Austria eine Kombination aus Investitionszuschuss und festgelegter variabler Marktprämie für Anlagen mit einer Leistung zwischen zehn und 500 Kilowatt vor. Bis zehn Kilowatt Leistung sollte es grundsätzlich einen Investitionszuschuss geben. Nur Anlagen mit einer Leistung von mehr als 500 Kilowatt sollten eine Marktprämie bekommen, die über Ausschreibungen ermittelt wird.

www.pvaustrai.at

BMNT

Eckpunkte des Ausbaugesetzes vorgelegt

Das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus hat schon grobe Eckpunkte vorgelegt, wie es sich das Erneuerbare-Ausbau-Gesetz vorstellt. Es wird hier drei zentrale Säulen geben, auf denen der Ausbau der Photovoltaik stehen soll:

  • Die Erneuerbaren sollen mehr Systemverantwortung übernehmen

Die Direktvermarktung und die Eigenvermarktung von Solarstrom wird für Betreiber von großen Anlagen Pflicht, Betreiber von kleineren Anlagen können freiwillig daran teilnehmen. Gleichzeitig sollen die Anlagenbetreiber an allen Marktsegmenten teilnehmen können. Sie können ihren Strom nicht nur an der Börse verkaufen, sondern auch Regel- und Ausgleichsenergie bereitstellen. Dafür müssen die Anlagenbetreiber natürlich die technischen Voraussetzungen schaffen.

  • Verbrauch von Solarstrom dort, wo er produziert wird

Vorgesehen ist, die Möglichkeiten für Gemeinschaftserzeugungsanlagen auszuweiten. Die direkte Lieferung von Strom ist bisher auf das Grundstück begrenzt. In Zukunft soll auch über die Liegenschaftsgrenze hinaus Solarstrom direkt geliefert werden können. Photovoltaikanlagen auf Gebäuden sollen Vorrang gegenüber Anlagen auf Freiflächen bekommen. Freiflächenanlagen sollen vor allem auf Böschungen, Industrie- und Gewerbeflächen oder Deponieflächen gebaut werden. Acker- und Grünlandflächen sind tabu.

  • Förderung von Solarstrom und Speichern

Mehr Geld für die Förderung ist nicht vorgesehen. Es soll in Zukunft Marktprämien und Investitionsförderungen geben. Eine feste Einspeisevergütung soll abgeschafft werden. Marktprämien sollen entweder fest gezahlt oder über Ausschreibungen ermittelt werden. Die Marktprämie wird dann zwar geringer ausfallen, aber dafür über 20 Jahre, statt wie bisher die Einspeisevergütung über 13 Jahre, gezahlt. Die Kriterien für die Förderung bleiben erhalten. Eine Investitionsförderung soll es für Anlagen bis 250 Kilowatt geben. Bis 500 Kilowatt wird eine festgelegte Marktprämie gezahlt. Inzwischen geht die Regierung davon aus, dass die Investitionsförderung komplett für Anlagen mit einer Leistung von 500 Kilowatt gelten soll. Alle noch größeren Anlagen müssen in die Ausschreibung und bekommen eine variable Marktprämie.

Die Mittel für die Förderung sollen weiterhin aus einer verbrauchsabhängigen Ökostrompauschale und einem Ökostromförderbeitrag kommen. Dabei sollen sozial schwächere Haushalte entlastet werden.

Ziel ist es, die Erzeugung von Ökostrom von derzeit 71,4 auf 76 bis 85 Terawattstunden pro Jahr bis 2030 zu steigern. In dieser Berechnung sind bereits die Regel- und Ausgleichsenergie sowie die Eigenstromproduktion berücksichtigt. Damit soll auch der in Zukunft höhere Stromverbrauch aufgrund der Sektorkopplung abgedeckt werden. Unter anderem dadurch soll der Anteil der Erneuerbaren am Bruttoendenergieverbrauch auf 45 bis 50 Prozent im Jahr 2030 steigen.

www.bmnt.gv.at

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