Die Norm DIN VDE 0100-443 beinhaltet die notwendigen Schutzmaßnahmen gegen Überspannungen, die durch atmosphärische Einflüsse oder elektrische Schutzhandlungen auftreten können. DIN VDE 0100-543 geht einen Schritt weiter und beschreibt die Auswahl und den Aufbau von Einrichtungen zum Schutz vor kurzzeitigen (transienten) Überspannungen, wie sie DIN VDE 0100-443 festlegt.
Die verbindlich geltenden Normen zielen mit den geforderten Überspannungselementen in der elektrischen Installation darauf ab, mögliche Spannungsschwankungen in der Niederspannungsversorgung zu begrenzen, indem sie die eingebauten Geräte isoliert voneinander koordinieren. Die Schutzvorrichtungen unterbinden im Ernstfall durch eine kontrollierte Zerstörung der Einbaugeräte gefährliche Funkenbildung und möglicherweise daraus resultierende Brände.
Keinerlei Spielraum mehr
Die zwei neuen Regelungen bieten Installateuren und Solarteuren keinerlei Spielraum mehr: Sie müssen sich an die Vorgaben halten. Das gilt speziell für elektrische Anlagen in den Bereichen Medizin, öffentlichen und staatlichen Einrichtungen wie Museen, Schulen und Kirchen, aber auch für gewerbliche und industrielle Gebäude wie Hotels, Banken, Industrie- oder landwirtschaftliche Betriebe. Finden sich Geräte der Überspannungskategorie I und II wie Computer, TV-Geräte, Waschmaschinen oder Geschirrspüler in den Wohn- oder Bürogebäuden, schreibt DIN VDE 0100-443 ebenfalls einen entsprechenden Schutz vor.
Auch für selbst erzeugte Überspannungen durch das Schalten hoher Lastströme von Klimaanlagen oder Durchlauferhitzern sind Schutzmaßnahmen erforderlich. Gleiches gilt auch für alle metallischen Leitungen wie Gas-, Wasser- und elektrische Leitungen, die in ein Gebäude hinein- oder herausführen. Auch sie sind potenzielle Übertragungselemente für Überspannungen.
Für Steuer- und Kommunikationsgeräte beispielsweise in Smarthome-Systemen schreibt DIN VDE 0100-443 indes nicht explizit einen Überspannungsschutz vor. Da in der Niederspannungsversorgung jedoch ohnehin ein Schutz erforderlich ist, sei er auch für so sensible Geräte und Informationssysteme empfehlenswert. Wie wichtig solch ein Überspannungsschutz ist, zeigt indes die Analyse eines großen Sachversicherers in Deutschland: Demnach sind 30 Prozent aller Elektronikschäden auf Überspannungen zurückzuführen.
Vorgaben für Schutzeinrichtungen
Um potenzielle Schäden tunlichst zu vermeiden, beschreibt DIN VDE 0100-543 detailliert die richtige Installation eines Überspannungsschutzes, eines sogenannten Surge Protection Device (SPD): Installateure sollen die Ableiter so nah wie möglich am Einspeisepunkt der elektrischen Anlage installieren. So können SPDs alle nachfolgenden elektrischen Geräte schützen. In der Regel befinden sich die Geräte in der Hauptverteilung nah am Gebäudeeintritt und damit auch nah an der Hauptleitung des Energieversorgers. Lässt sich eine Installation vor dem Zähler nicht realisieren, muss der Installateur sie zwingend vor dem RCD (FI-Schalter) einbauen.
Auch die Reichweite der SPDs legt die DIN VDE 0100-543 fest: Der maximal zulässige Abstand zwischen dem Überspannungsableiter und den zu schützenden Geräten sollte nicht mehr als zehn Meter Leitungslänge betragen. Überschreitet die Leitung diese Distanz, muss der Anwender einen zusätzlichen Überspannungsableiter so nah wie möglich an dem betreffenden Gerät einbauen lassen. Dafür stehen dem Anwender nach dem Schutz im Einspeisepunkt Ableiter der Typen 2 und 3 zur Verfügung.
Anwender, die ihre Gebäude vor direkten Blitzeinschlägen schützen oder mit externen Blitzschutzsystemen ausgestattet haben, müssen laut DIN VDE 0100-543 zwingend einen Ableiter des Typs 1 installieren. Gleiches gilt für Einrichtungen mit Freileitungsanschluss.
Der Grund: Der „letzte“ Mast ist eine Gefahr für einen direkten Blitzeinschlag.
Aufgrund ihrer großflächigen Ausdehnung und ihrer exponierten Lage sind Photovoltaikanlagen durch atmosphärische Entladungen wie Blitze besonders gefährdet.
Besonderheiten bei Photovoltaik
An Gebäuden unterscheiden Experten grundsätzlich zwischen Installationen von Solargeneratoren auf Dächern öffentlicher Gebäude mit vorhandener Blitzschutzanlage und Installationen auf Scheunendächern ohne Blitzschutzsystem – sogenannten Gebäudeinstallationen.
Feldanlagen stellen schon allein wegen ihrer großflächigen Module potenzielle Angriffsflächen dar. Hinweise für den Überspannungsschutz von Photovoltaikanlagen finden sich unter anderem in der Norm VDE 0185-305-3, Beiblatt 5. Über diese Regelung hinaus werden noch weitere Schutzmaßnahmen gefordert.
SPDs gelten als Standard
Solarteure, die SPDs bei Solaranlagen einbauen, müssen einige spezifische Eigenschaften berücksichtigen. Der Einsatz und das Auslegen von SPDs in Niederspannungsanlagen auf Wechselstromseite wie in Gebäuden gelten als Standard.
Im Gegensatz dazu handelt es sich bei Solarmodulen um Gleichspannungsquellen. Zwar existieren dafür bereits seit Jahren einschlägige Produktnormen, die sich prinzipiell auf Gleichspannungsanwendungen übertragen lassen. Früher jedoch kamen relativ niedrige Systemspannungen zum Einsatz. Heute liegen sie bereits um etwa 1.000 Volt DC im unbelasteten Solarkreis. Eine derart hohe Systemgleichspannung gilt es mit geeigneten Überspannungsschutzgeräten zu beherrschen.
An welchen Stellen einer Photovoltaikanlage die SPDs technisch sinnvoll und zweckmäßig zum Einsatz kommen, hängt vorrangig von der Anlagenart, ihrem Konzept und ihrer räumlichen Ausdehnung ab. Grundsätzlich lassen sich zwei Fälle unterscheiden: Ein Gebäude mit äußerem Blitzschutz und Solarmodulen auf dem Dach (Gebäudeinstallation) und ein weitläufiger Solarpark (Feldinstallation), der ebenfalls mit einer äußeren Blitzschutzanlage gesichert ist.
Aufgrund der kurzen Leitungslängen wird im ersten Fall nur der Schutz des DC-Eingangs zum Wechselrichter realisiert. Bei der Feldinstallation dagegen befinden sich die SPDs in der Regel sowohl im Generatoranschlusskasten als auch am DC-Eingang zum Wechselrichter. Überschreiten die Leitungswege zwischen beiden Geräten mehr als zehn Meter, sollten Solarteure möglichst nah am jeweiligen Eingang SPDs installieren.
Y-Schaltung bevorzugt
Um die DC-Seite zu schützen, hat sich als Standard inzwischen die so genannte Y-Schaltung etabliert. Sie besteht aus drei Varistoren – also spannungsabhängige Widerstände – und kann im Falle eines Isolationsfehlers eine Überlastung des Überspannungableiters effektiv abwehren, da immer noch zwei Varistoren nachgelagert sind. Neben der wirkungsvollen Abhaltung einer möglichen Brandentwicklung erfüllen Anwender so zugleich auch die Forderung, Erdanschlüsse unbedingt zu verhindern.
Um die AC-Seite, also den Wechselrichterausgang und die Netzeinspeisung, vor einer Überspannung zu schützen, muss sie standardmäßig mit SPDs vom Typ 2 am Wechselrichterausgang versehen sein. Bei einer Gebäudeinstallation mit äußerem Blitzschutz ist am Netzeinspeisepunkt ein Ableiter Typ 1 vorzusehen.
Überstrom durch Kurzschluss
Generell spielt es keine Rolle, ob an einer Solaranlage oder einem Niederspannungssystem: Alle Überspannungsableiter müssen immer gegen Überstrom durch Kurzschluss geschützt werden. Installateure sollten die Überstrom-Schutzgeräte daher so leistungsstark wie möglich auslegen, um die größtmögliche Stoßstromfestigkeit des SPDs zu erreichen. Allerdings müssen sie dafür die „Beipackzettel“ der Gerätehersteller beachten, damit die Bemessungswerte nicht überschritten werden.
Die Norm VDE 0100-543 für die Niederspannungssysteme pocht in diesem Zusammenhang auf die Selektivität der Überstrom-Schutzgeräte: Es darf nur das Gerät einen Schutzmechanismus auslösen, das sich unmittelbar vor der Fehlerstelle befindet. Zudem müssen die Kurzschlussfestigkeit und das Folgestromlöschvermögen des SPD am Installationsort mindestens der Menge an Strom entsprechen, den eine Stromquelle ohne jegliches Schutzorgan bei einem Kurzschluss maximal direkt liefern kann (prospektiver Kurzschlussstrom).
Und noch zwei weitere Punkte hält die DIN VDE 0100-543 ausdrücklich fest: die maximale Länge der PE-Leitung, also des stromführenden Drahts, und den Mindestquerschnitt der Leitung. Wer ein SPD in eine Niederspannungsanlage einbaut, darf die Gesamtlänge der Anschlussleitung von einem halben Meter nicht überschreiten.
Maximale Länge der PE-Leitung
Installateure und Solarteure müssen daher also SPDs mit optimalem Schutzpegel nutzen. Eine Leitung von einem Meter hat einen Schutzpegel von 1.000 Volt, daher sollte die Anschlussleitung möglichst kurz sein.
Lässt sich die Gesamtlänge nicht einhalten, bieten sich verschiedene Alternativen an wie die Verwendung eines Ableiters mit entsprechend niedrigerem Schutzpegel, eine V-Verdrahtung oder auch ein zweites SPD.
Beim Mindestquerschnitt der Leitung gibt der Typ des SPD den Ausschlag: Handelt es sich um einen Blitzschutz, sprich um einen Typ-1-Ableiter, sollten Installateure und Solarteure einen Kupferleiter mit mindestens 16 Quadratmillimeter oder einem leitwertgleichen anderen Leiterquerschnitt wählen. 16 Quadratmillimeter sind das Mindestmaß für Blitzstromtragfähigkeit.
Daher werden auch die Außenleitungen des externen Blitzschutzsystems mit dieser Größe ausgelegt. Für Typ-2-Ableiter, also Überspannungsschutz, ist in dieser Anschlusskonstellation ein Mindestquerschnitt von sechs Quadratmillimetern Kupfer oder ein leitwertgleicher anderer Leiterquerschnitt erforderlich.
Anschlussleitungen wie diese entsprechen der Verbindung zwischen dem SPD und der Haupt-Erdungsschiene.
Querschnitte richtig ermitteln
Die Anschlüsse zwischen SPDs und Außenleitern müssen die Monteure dagegen nicht so umfassend auslegen: Entsprechend der DIN VDE 0100-433 müssen sie lediglich der zu erwartenden Strombelastung bei Kurzschluss standhalten.
Des Weiteren dürfen die Leitungsquerschnitte im Rahmen der Impulsstrom-Tragfähigkeit für ein Typ-1-SPD nicht unter sechs Quadratmillimeter Kupfer (oder einem leitwertgleichen anderen Querschnitt) liegen. Für ein SPD des Typs 2 darf der Querschnitt nicht kleiner als 2,5 Quadratmillimeter Kupfer sein.
Generell ist die verpflichtende Schutzmaßnahme für sensible elektrische Geräte sowohl von der DC-Seite als auch von der AC-Seite zu begrüßen.
Speziell die Installation von PV-Systemen geht für Investoren mit relativ hohen Kosten einher und die permanente Anlagenverfügbarkeit ist eine wesentliche Anforderung der Betreiber, die durch die verbindlich geltenden Normen effektiv unterstützt wird.
Raycap
Jahrzehntelange Erfahrungen in der Schutztechnik
Raycap ist Hersteller und Anbieter von Schutzlösungen gegen Blitze und Überspannungen (Surge Protection Devices: SPDs). Zudem bietet das Unternehmen das zugehörige Monitoring an. Auch ist Raycap in der Verbindungstechnik (FTTA/PTTA-Architekturen) und in der Telekommunikation aktiv, etwa mit Gehäusen und Produkten für Glasfaserkabelnetze. Das Unternehmen wurde 1987 gegründet. Über 1.000 Mitarbeiter, eigene Testlabore sowie zahlreiche Patente bilden die Grundlage für Zuverlässigkeit und Innovationen. Die Produkte sind international zugelassen (Typ I bis III) nach UL, IEC und EN. Raycaps Produkte werden unter den Marken Strikesorb, Rayvoss, AC-Data Protec, Safetec, Progrid, Safebloc und Probloc vermarktet.
Dehn + Söhne
ACI-Technik für höhere Gerätesicherheit
Der neue Dehn Guard mit ACI-Technologie (Advanced Circuit Interruption) macht die Dimensionierung der Querschnitte und die Auswahl der passenden Ableitervorsicherung überflüssig, weil diese Funktionen bereits in die Technik integriert sind. Damit werden Sicherheit und Verfügbarkeit der elektrischen Anlage erhöht und zudem wertvoller Platz gewonnen. Zugleich werden mögliche Fehlerquellen und Aufwendungen vermieden, die im Rahmen der Auswahl und Installation von Vorsicherungen oder der Leitungsdimensionierung entstehen.
Für den Anschluss des Dehn Guard ACI braucht der Installateur nur noch Kupferleitungen mit sechs Quadratmillimetern Querschnitt. Das spart Zeit für die bis dato notwendige Dimensionierung des Querschnitts. Zudem bedeuten sechs Quadratmillimeter eine einfachere Montage aufgrund kleinerer Radien und kürzerer Verdrahtungswege. Die galvanische Trennung ist integriert.
Bei einem ACI-Ableiter treten technikbedingt keine Leckströme auf. Dies verhindert die frühzeitige Alterung der Schutzgeräte. Darüber hinaus vermeidet Dehn Guard ACI das Ansprechen der Isolationsüberwachung.
Der Autor
Ralf Güthoff
ist General Manager bei der Raycap GmbH. Zu seinen Aufgaben gehört die Vermarktung der Anfang dieses Jahres vorgestellten Lösungen zum Blitz- und Überspannungsschutz im deutschsprachigen Raum. Zudem verantwortet er Raycaps Industrie- und Installationsangebot.
Dabei kann er auf langjährige Erfahrung zurückgreifen: Der ausgebildete und diplomierte Elektrotechniker war zuletzt bei der Lenze Gruppe tätig. Dort hatte er die Leitung des Produktmanagements im Service inne und trieb die Digitalisierung im Service voran. Davor war er über 16 Jahre für Weidmüller aktiv, unter anderem im Produktmanagement für Überspannungsschutz.