Wie ist das Jahr 2019 für Solarwatt gelaufen?
Detlef Neuhaus: Sehr gut, das kann man wohl sagen. Wir haben 90 Millionen Euro Umsatz gemacht und den moderaten Preisverfall bei den Modulen gut aufgefangen. Bei den Glas-Glas-Modulen haben wir zwischen 30 und 50 Prozent zugelegt.
Wie wirkte sich das auf das Jahresergebnis aus?
Der Rohertrag ist prozentual und absolut gestiegen. Insgesamt haben wir rund 160 Megawatt Module verkauft, davon etwa 110 Megawatt Glas-Glas. Rund 50 Megawatt entfielen auf unsere Eco-Reihe. Das sind klassische Glas-Folie-Module.
Ist die Fabrik in Dresden damit ausgelastet?
Die derzeitige Kapazität liegt bei 250 Megawatt im Jahr, wenn wir rollende Woche und drei Schichten fahren. 2019 haben wir im Drei-Schicht-Betrieb produziert, an fünf Tagen in der Woche. Spätestens ab 2021 werden wir aber neue Kapazitäten brauchen.
Ist die Erweiterung schon geplant?
Ja, wir werden die neue Fertigungslinie F8 in diesem Jahr aufbauen. Darauf können wir dann auch Halbzellenmodule fertigen und die neuen M6-Zellen verarbeiten. Auf unserer laufenden Linie, der F7, wäre das nur mit aufwendigen Umbauten möglich. Unser Ziel ist es, die Fertigungskapazität auf 500 Megawatt im Jahr hochzuschrauben.
Wie sind Sie mit dem Modulverkauf ins Jahr 2020 gestartet?
Wir haben noch nie einen so guten Januar erlebt. Für 2020 streben wir 30 Prozent mehr Absatz an, zudem 20 Prozent mehr Umsatz. Die Zahlen im Januar bilden das bereits gut ab, wir liegen voll im Plan. Auch für den Februar haben wir schon sehr gute Bestellungen.
Wie erklären Sie die hohe Nachfrage nach Ihren Glas-Glas-Modulen?
Wir haben eine sehr breite Basis bei den Fachhandwerkern, die Solarwatt als Spezialisten und Marktführer für Glas-Glas-Module im Marktsegment der privaten Endkunden erkennen und schätzen. Deshalb sind wir im Premiumsegment so stark.
Wie bewerten Sie das Speichergeschäft?
Im Speicherabsatz sind wir gegenüber dem Vorjahr spürbar gewachsen, aber trotzdem unter unseren Erwartungen geblieben.
Woran liegt das?
Zunächst einmal bieten wir mit MyReserve einen speziellen Stromspeicher an, bei dem der Speicher im Solarstring liegt, also auf der DC-Seite des Wechselrichters. Das hat viele Vorteile, aber bestimmte Einsatzfälle, die man nur mit AC-gekoppelten Speichern abdecken kann, können wir nicht bedienen. Uns steht also eigentlich nur der halbe Speichermarkt offen. Auch haben wir die Nachfrage nach Notstromlösungen unterschätzt. Seit wir auf der Intersolar in München im vergangenen Mai unsere Notstromerweiterung für MyReserve vorgestellt haben, konnten wir in diesem Segment deutlich aufholen.
Planen Sie auch bei den Speichern eine neue Fertigung?
Die Produktion der Batteriemodule und der Command-Einheiten haben wir 2019 nach Dresden verlagert und die Fertigungskapazitäten ausgebaut. Unser Entwicklerteam ist Ende Januar aus Frechen in den „Zukunftscampus für Innovation und Business“ nach Köln-Hürth umgezogen. Wir werden massiv in Forschung, Entwicklung und Produktmanagement investieren, um die Stromspeicher und die Sektorenkopplung mit E-Mobilität und Wärme in den kommenden Jahren mit neuen Produkten in den Markt zu bringen. Allein in Forschung und Entwicklung verdoppeln wir die Anzahl der Stellen.
Kommt im Juni zur Messe in München schon ein neues Speichersystem?
Vermutlich noch nicht, das sehe ich frühestens 2021. Da müssen wir uns nicht überschlagen. Aber wir stellen den neuen Energy Manager X vor. Er wird noch kompakter, intelligenter und einfacher zu installieren sein als die erste Generation. Der Energiemanager, den wir 2013 erstmals vorstellten, hat sich sehr gut bewährt. Er wird von den Installateuren und ihren Kunden ausgezeichnet angenommen.
In diesem Jahr steht wieder eine Novelle des EEG an. Immerhin hatte die Regierung im Herbst angekündigt, den Solardeckel auf 98 Gigawatt zu erhöhen und bis 2030 zu strecken.
Bisher ist nichts passiert, dieser Ankündigung wirklich Taten folgen zu lassen. Das ist eine Frechheit. Denn die übergroße Mehrheit der Menschen in Deutschland wollen die Energiewende, wollen mehr kostengünstigen Sonnenstrom und vor allem weniger bürokratische Hürden.
Rechnen Sie damit, dass noch etwas passiert? Immerhin könnte der aktuelle Deckel von 52 Gigawatt schon Mitte 2020 erreicht sein …
Ich habe immer die Hoffnung, dass sich etwas tut. Aber derzeit sehe ich keine Anzeichen. Wie gesagt, ich halte das für eine Frechheit. In Zeiten des Klimawandels, in denen immer mehr Menschen begreifen, was vor sich geht! Schon schlagen die Wirtschaft und Versicherer Alarm. Das war sogar beim Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar das wichtigste Thema. Und was tut unsere Bundesregierung? Sie hält nicht einmal ihre Zusagen ein. Da fehlt mir jedes Verständnis. Nach zehn Jahren in dieser Branche muss ich sagen: Jetzt reicht es!
Sie haben immer die Auffassung vertreten, dass die Solarbranche ihre Abhängigkeit von der politischen Förderung möglichst schnell überwinden sollte. Brauchen wir das EEG überhaupt noch?
Das EEG, wie es heute gestrickt ist, halte ich für hinderlich und überflüssig. Da brauchen wir einen ganz neuen Ansatz, vor allem mit Blick auf die Sektorenkopplung. Aber so viel erwarte ich von Herrn Altmaier gar nicht. Es würde reichen, wenn die Sache einfacher würde.
Können Sie das kurz erläutern?
Wenn Sie heute in eine Photovoltaikanlage investieren wollen, müssen Sie in Deutschland über 15 Seiten Anträge für Registrierungen und Genehmigungen ausfüllen. Wenn Sie eine Öl-Brennwertheizung einbauen wollen, reicht eine Seite, die Ihnen der Heizungsbauer vorlegt. Sie unterschreiben das und fertig! Sie bekommen die Förderung. So einfach geht das, ausgerechnet bei den Ölheizungen. So einfach müsste es doch für Photovoltaik und Stromspeicher sein! Es geht nicht um geldliche Förderung, sondern um die Vereinfachung der vielen bürokratischen Vorschriften zur Anmeldung, Abrechnung, Versteuerung und dem Eigenverbrauch. Den Eigenverbrauch mit EEG-Umlage zu belasten: Das versteht nun wirklich niemand mehr!
Welchen politischen Rahmen brauchen wir überhaupt noch?
Der Einspeisevorrang für Strom aus erneuerbaren Energien ist weiterhin unverzichtbar, nach wie vor. Die Einspeisevergütung spielt im Premiumsegment der privaten Endkunden ohnehin kaum noch eine Rolle. Da geht es vielleicht noch um 25 Prozent Strom, der nicht selber verbraucht wird. Vielen Leuten ist der bürokratische Aufwand viel zu hoch.
Also wäre es kein Problem, wenn der Solardeckel zuschlägt?
Das ist schwer zu prophezeien, zumal die Einspeisevergütung im gewerblichen Bereich bis 750 Kilowatt Peakleistung durchaus eine wichtige Rolle spielt. Den Solardeckel nicht zu verlängern und die jährlichen Zubaukorridore jetzt nicht anzupassen, wäre ein verheerendes politisches Signal. Es ist das Signal an die Menschen: Du sollst weiter Ölheizungen und Gasthermen einbauen statt Sonnenstrom oder KWK oder effiziente Wärmepumpen. Du sollst weiter Autos mit Diesel und Benzin fahren statt saubere Elektroautos.
Deckel klingt schon irgendwie gefährlich, wie Mietendeckel ...
Man deckelt nur etwas, was schlecht ist oder nicht sinnvoll. Den Deckel aufzuheben, wäre das einfachste und stärkste Signal an die Menschen in unserem Land. Wir wollen ja gar nicht mehr Geld. Es geht um die Glaubwürdigkeit von Politik. Die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung steht auf dem Spiel, das muss den verantwortlichen Akteuren in der CDU und in der SPD klar sein.
Gesetzt den Fall, der Solardeckel bleibt: Was bedeutet das für Solarwatt?
Wir haben in Deutschland trotz der jahrelangen Widerstände noch immer eine starke Solarindustrie, wir haben aussichtsreiche Anbieter von Stromspeichern und viele kleine und mittelständische Unternehmen, die die Sektorenkopplung mit großartigen Ideen und Produkten voranbringen. Die Politik der Bundesregierung drängt sie aus dem Markt, verschenkt diese Chancen an die großen Anbieter aus Asien. Viele Unternehmen in unseren Branchen haben keine Großinvestoren im Rücken wie wir bei Solarwatt.
Bei Ihnen ist es Stefan Quandt, der unter anderem an BMW beteiligt ist ...
Wenn der Solardeckel wirksam wird, stehen wir alle vor sehr schwierigen Zeiten. Denn die Kunden werden sich eine Zeitlang zurückhalten, vielleicht für ein halbes Jahr. Das wird natürlich auch uns und unsere Fachpartner im Handwerk treffen. Viele etablierte Wirtschaftsbereiche stehen derzeit vor großen Herausforderungen. Die erneuerbaren Energien könnten hier als Wachstumsmotor im Mittelstand eine Lücke füllen.
Das Gespräch führte Heiko Schwarzburger.