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“Wir erwarten 30 Prozent mehr“

Geben Sie uns bitte eine Einschätzung des vergangenen Sonnenjahres in der Schweiz. Wie ist es bei Ihnen gelaufen?

David Stickelberger: Aktuelle Marktzahlen haben wie leider noch keine. In der Schweiz verfügen wir nicht über ein Anlagenregister wie in Deutschland. Wir müssen den Zubau also durch Umfragen bei Herstellern, Importeuren und Installateuren ermitteln. Das dauert, weil wir vor allem bei den Installateuren mehrmals nachfragen müssen, um valide Daten zu bekommen. Die genauen Zahlen werden wir im Juli haben.

Können Sie schon eine grobe Abschätzung für das zurückliegende Jahr geben?

Nach unseren derzeitigen Erkenntnissen hat der Markt gegenüber 2017 bei rund 240 Megawatt stagniert. Das ist kein erfreuliches Ergebnis für das erste Jahr der neuen Energiestrategie. Da hatte sich die Branche mehr erhofft.

Woran liegt es, dass sich die Hoffnungen auf höheres Wachstum nicht erfüllt haben?

Zunächst wurde 2018 die bisherige Förderung von der kostendeckenden Einspeisevergütung, kurz KEV genannt, auf die neue Einmalförderung umgestellt. Nun gibt es einen einmaligen Zuschuss zu den Investitionskosten bis maximal 30 Prozent. Im Durchschnitt waren es rund 25 Prozent. Wegen der langen Wartelisten, die noch aus der KEV offen waren, dauerte die Umstellung bis September 2018. Erst dann gingen die ersten Zusagen an die Anlagenbetreiber.

Also gibt es 2019 dieses Hemmnis nicht mehr?

Das ist jetzt ausgestanden. Zudem ist das zuständige Bundesamt für Energie etwas mutiger geworden. Die Wartezeit der Zusagen hat sich deutlich verkürzt. Bei größeren Anlagen mit mehr als 100 Kilowatt hatten wir eine Wartezeit von sechs Jahren, das sind jetzt noch zwei Jahre. Und bei den kleineren Anlagen müssen die Antragsteller nur noch eineinhalb Jahre warten statt früher drei Jahre. Da hat sich einiges gebessert, deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir in diesem Jahr beim Zubau deutlich zulegen.

Wollen Sie eine Prognose wagen?

Swissolar erwartet für 2019 einen Zubau von 330 bis 350 Megawatt, etwa 30 Prozent mehr als 2018. Das wäre ein ordentlicher Schritt. Auch wenn wir zur Dekarbonisierung der Energieversorgung viel mehr Photovoltaik benötigen.

Wie entwickeln sich die größeren Anlagen?

Im Unterschied zu Deutschland sprechen wir von einer großen Anlage, wenn wir mehr als 30 Kilowatt meinen. Aufgrund der langen Wartezeiten bei der KEV lag dieses Segment drei Jahre lang faktisch brach, während es für kleinere Anlagen bereits die Einmalvergütung gab. Jetzt gibt es auch dafür die Einmalvergütung, es wird viel schneller entschieden. Allerdings braucht es für den wirtschaftlichen Betrieb solcher Anlagen einen Eigenverbrauch von mindestens 30 Prozent, was bei Gewerbe- und Bürogebäuden machbar, aber bei Landwirtschaftsbauten schwierig ist. Mit den Letztgenannten fällt ein wichtiges Marktsegment momentan weitgehend weg.

Anfang April tritt die neue Energieverordnung (EnV) in Kraft. Welche Chancen ergeben sich daraus?

Der Bundesrat in Bern hat die neue Energieverordnung beschlossen, die Vereinfachungen beim sogenannten Zusammenschluss zum Eigenverbrauch bringt, abgekürzt ZEV. Im Bestand wird diese Regelung kaum wirksam, wohl aber bei Neubauprojekten.

Was verbirgt sich hinter ZEV?

Im Unterschied zu Deutschland ist der Schweizer Energiemarkt noch nicht vollständig liberalisiert. Wer unter 100 Megawattstunden Jahresverbrauch hat, ist nicht frei am Strommarkt tätig. Künftig können sich benachbarte Liegenschaften vereinen, um gemeinsam eine Photovoltaikanlage zu betreiben und gegenüber dem Netzbetreiber nur noch als ein Stromkunde aufzutreten.

Wie muss man sich das vorstellen? Solarstrom als Geschäft unter Nachbarn?

Ungefähr, denn die Parzellen mit den Solaranlagen müssen benachbart sein. Sie dürfen durch Verkehrswege wie Gleise oder Straßen sowie Fließgewässer getrennt sein. Dann braucht man zur Kabelführung aber die Erlaubnis des Besitzers der Verkehrswege. Denn man darf für die Zusammenlegung nicht das öffentliche Stromnetz benutzen. Wir hatten das als Verband gefordert, sind damit aber nicht durchgedrungen. Diese Einschränkungen machen die Sache im Gebäudebestand schwierig, von Mehrfamilienhäusern vielleicht abgesehen. Aber wir erkennen bereits, dass diese Möglichkeiten bei neuen Siedlungen eine wichtige Rolle spielen werden.

Wie komplex ist diese Regelung?

Der bürokratische Aufwand für Photovoltaik ist in der Schweiz ohnehin sehr hoch, damit wird es nicht einfacher. Wir haben deshalb einen Leitfaden zum ZEV erstellt. Der liest sich etwas trocken, da es um rechtliche Regelungen geht. Aber er gibt einen guten Einblick in die neuen Möglichkeiten, und er liefert einige sehr gelungene Beispiele, wo der ZEV bereits angewendet wird.

Wie geht es bei den Gesetzen und Verordnungen zur Energiewende weiter?

Demnächst steht die Revision des Schweizer Stromversorgungsgesetzes, des StromVG, an. Dazu gab es bereits Anhörungen. Wir erkennen, dass der Widerstand der Energieversorger gegen die Photovoltaik langsam schwindet. Die Kriegsrhetorik wird weniger. Denn die Photovoltaik bietet enorme Chancen, um die Ausbaukosten für die Stromnetze zu senken, auch durch die Einbindung dezentraler Stromspeicher. Diese Technologie spielt auch in der Schweiz zunehmend eine Rolle.

Wie viele Speicher werden im Jahr installiert?

2017 wurden rund zehn Prozent der Solargeneratoren mit Stromspeicher gebaut. In diesem Jahr rechnen wir mit 15 Prozent. Dabei müssen Sie beachten, dass Netzstrom in der Schweiz nur rund 20,5 Rappen die Kilowattstunde kostet. Das sind umgerechnet etwa 18,5 Eurocent. Dadurch brauchen die Solarstromspeicher noch etwas Zeit, um sich durchzusetzen. Doch der Anfang ist gemacht, dieser Markt läuft recht gut an.

Wie sind die Aussichten bei gewerblichen Anlagen?

Wir hoffen, dass wir auch in der Schweiz zu Ausschreibungen übergehen, um größere Dächer von Gewerbebetrieben oder der Landwirtschaft zu nutzen. Allerdings stehen in der Schweiz im Oktober die nächsten Wahlen an. Mit den derzeit regierenden Mehrheiten kommen wir nicht weiter.

Eine Besonderheit bei Ihnen sind die vielen Indachanlagen und Solarfassaden. Wie entwickeln sie sich?

Gegenüber normalen Aufdachanlagen wird die BIPV nicht mehr so stark gefördert. Zudem ist der Konkurrenzkampf unter den Installateuren in der Schweiz beinahe ruinös.

Warum ist der Wettbewerb so hart?

Sie ist eine Folge der schwierigen Jahre. Aber offensichtlich haben viele Schweizer Solarkunden zumindest bei integrierten Systemen ein hohes Bewusstsein für Qualität und den notwendigen Aufwand, um die Solarmodule in die Dächer oder die Fassaden zu integrieren. Das fördert natürlich auch die Innovation bei den Solarfassaden, dafür gibt es in der Schweiz viele gelungene Beispiele.

Das Gespräch führte Heiko Schwarzburger.

www.swissolar.ch/zev

David Stickelberger

ist studierter Geograf mit absolviertem Nachdiplomstudium in Umweltlehre. Er ist Geschäftsleiter von Swissolar, dem Schweizerischen Fachverband für Sonnenenergie mit rund 700 Mitgliedern. Vor seiner aktuellen Tätigkeit arbeitete er von 1993 bis 1998 bei Greenpeace Schweiz als Leiter der Kampagne Klima und Energie sowie von 1998 bis 2007 als Co-Geschäftsführer der Agentur für erneuerbare Energien und Energieeffizienz (AEE).

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