Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Gerichtsurteile

Wer haftet im Brandfall?

Es ist der Albtraum eines jeden Hausbesitzers: Ein Passant bemerkte zur Mittagszeit, dass Rauch von einem Gebäude aufstieg, und alarmierte die Feuerwehr. Als die Feuerwehr eintraf, musste sie zunächst die elektrischen Systeme vor der Brandbekämpfung ausschalten. Wenige Augenblicke später breitete sich das Feuer im ganzen Gebäude aus.

An dem Gebäude, in dem sich ein Elektromarkt befand, entstand ein Schaden von mehr als drei Millionen Euro. Auch die Photovoltaikanlage auf dem Dach, bestehend aus 390 Modulen, wurde zerstört. Besonders tragisch: Eine Photovoltaikanlage hatte nur wenige Jahre zuvor an gleicher Stelle zur Zerstörung des Gebäudes geführt.

Schon wieder ein Brand!

Der Hauseigentümer hatte alles neu aufgebaut, sich wieder für Photovoltaik entschieden und einen Elektrofachbetrieb mit der Installation beauftragt.

Allerdings hat der Hauseigentümer nicht die gesamte Planung und Errichtung der Photovoltaikanlage in die Hände des Fachbetriebs gelegt. Geplant wurde die Anlage von einem anderen Unternehmen, die Komponenten beschaffte er selbst.

Nachdem der zweite Brand gelöscht war, kontaktierte der Gebäudeeigentümer die Versicherung für das Gebäude und den Elektromarkt. Die Versicherung übernahm den Schaden, wollte aber auf den hohen Kosten nicht sitzen bleiben und erhob Klage gegen das Elektrofachunternehmen, das die Photovoltaikanlage installiert und angeschlossen hatte.

Klage vor drei Gerichten

Gleich drei Gerichte haben sich mit der Klage befasst. Das OLG Oldenburg hat diesen Fall in zweiter Instanz mit Urteil vom 23. September 2019 (Aktenzeichen 13 U 20/17) entschieden. Am 20. April 2020 wurde das Urteil durch Beschluss des Bundesgerichtshofs (VII ZR 233/19) rechtskräftig.

Die Gerichte versuchten mit mehreren Sachverständigengutachten, der Ursache des Brandes auf die Spur zu kommen. Gründe außerhalb der Photovoltaikanlage konnten ausgeschlossen werden. In den Fokus des Prozesses geriet ein Feuerwehrschalter der Anlage, der keine CE-Kennzeichnung aufwies und zudem falsch montiert wurde.

Letztendlich konnten die Sachverständigen aber nicht einwandfrei klären, ob dieser Schalter oder ein defektes Kabel den Brand ausgelöst hatte. Dies hätte das Elektrofachunternehmen, das die Anlage errichtet hatte, eigentlich entlasten können. Denn ohne Beweis eines Fehlverhaltens kann es keine Verurteilung geben.

Vernachlässigter Brandschutz

Das Oberlandesgericht Oldenburg, das diesen Fall rechtskräftig entschied, fand jedoch einen anderen Hebel, um das Elektrounternehmen in die Haftung zu nehmen: der vernachlässigte Brandschutz der Dachhaut. Vorliegend handelte es sich um ein „hartes Dach“ aus Kunststoff beziehungsweise Bitumen. Dieses Dach hält zwar Flugfeuer und ausstrahlender Wärme von außen stand, nicht aber einer unmittelbaren Befeuerung.

Das Gericht stellte fest, dass das Elektrounternehmen die Photovoltaikanlage nicht hätte anschließen dürfen, ohne eine sichere Trennung zwischen den elektrischen Komponenten der Photovoltaikanlage als Zündquellen und der Dachoberfläche als Brandlast sicherzustellen. Dies hätte zum Beispiel durch Verlegung einer feuerfesten Zwischenschicht auf den Dachbahnen geschehen können.

DIN-Norm missachtet

Das Versäumnis des Elektrobetriebs ist nach Auffassung der Richter ein Verstoß gegen die DIN VDE 0100-100. Dort ist festgelegt, dass elektrische Betriebsmittel, die hohe Temperaturen oder elektrische Lichtbögen verursachen können, so angebracht werden müssen, dass kein Risiko der Entzündung von brennbaren Materialien besteht.

Die Richter haben im Urteil klar formuliert, was sie von dem Elektrobetrieb erwartet hätten: Entweder hätte der Elektrobetrieb vor der Installation der Photovoltaikanlage beim Hersteller der Dachhaut Erkundigungen zur Brennbarkeit einholen oder auf Resten der Dachbahn selbst eine Brandprobe durchführen müssen.

Der Elektrobetrieb verwies zu seiner Entlastung auf seine allgemeinen Geschäftsbedingungen, welche die Haftung für leichte Fahrlässigkeit ausschlossen. Die Richter des Ober­landes­gerichts versperrten jedoch auch diesen Weg. Die Nichtbeachtung einer DIN-Norm als anerkannte Regel der Technik sei eine erhebliche Pflichtverletzung und nicht nur leichtes Fehlverhalten.

Mitschuld des Eigentümers

Als letztes Argument blieb dem Elektrounternehmen der Verweis auf die anderen Beteiligten. Schließlich wurde die Photovoltaikanlage von einem anderen Unternehmen geplant, das der Gebäudeeigentümer beauftragt hatte. Dieser Einwand traf bei den Richtern auf offene Ohren.

Auch den Planer der Anlage treffe ein Mitverschulden, weil bei der Planung hätte berücksichtigt werden müssen, dass die Dachhaut mit besonderen Maßnahmen gegen Lichtbögen und Funken zu schützen war. Dieses Verschulden sei dem Eigentümer als Auftraggeber zuzurechnen.

Zu dessen Lasten wertete das Gericht darüber hinaus, dass das Gebäude schon einmal durch eine Photovoltaikanlage in Brand gesetzt wurde. Der Gebäudeeigentümer hätte also sensibilisiert sein und besonderen Schwerpunkt auf fachgerechte Planung legen müssen, um die Wiederholung eines solchen Unglücks auszuschließen. Das OLG gewichtete den Schadensanteil des Gebäudeeigentümers mit 60 Prozent, sodass der Elektrobetrieb am Ende für 40 Prozent des Schadens geradestehen musste.

Vorsicht bei Arbeitsteilung

Für alle Beteiligten von Photovoltaikprojekten – Investoren wie Planer und Solarteure – lässt sich aus dem Urteil die Erkenntnis gewinnen, in arbeitsteiligen Konstellationen besondere Vorsicht walten zu lassen. Wenn Planung, Installation und Beschaffung der Komponenten in verschiedenen Händen liegen, kann man sich nicht automatisch darauf verlassen, dass die anderen Mitwirkenden alle wesentlichen Risiken des Vorhabens bereits berücksichtigt haben.

Gerade im Hinblick auf die Dachhaut und andere Gebäudeteile, die mit den elektrischen Teilen der Photovoltaikanlage in Berührung kommen, sollten bereits vor Vertragsabschluss Brandschutzmaßnahmen in Erwägung gezogen werden. Im Zweifel ist Kontakt mit dem Hersteller der Gebäudeteile aufzunehmen, um zu prüfen, ob hier besondere – gegebenenfalls kostenträchtige – Maßnahmen zum Brandschutz berücksichtigt werden müssen.

Der Autor

Dr. Thomas Binder
ist Rechtsanwalt. Seine Kanzlei in Freiburg im Breisgau ist auf das EEG und Solarenergie spezialisiert. Seit 2004 berät er seine Klienten deutschlandweit zu allen Rechtsfragen rund um die Photovoltaik. Er kennt die technischen und betriebswirtschaftlichen Hintergründe einer Solarinvestition ebenso wie die Geschäftspraxis zwischen Netzbetreibern, Anlagenbetreibern und Photovoltaikfachfirmen.

Foto: privat