In einem Punkt sind sich praktisch alle Kenner der Solarbranche einig: Ein Hemmnis für die Energiewende und den weiteren Ausbau der Photovoltaik stellt der bürokratische Aufwand dar, der mit einer Solarinvestition verbunden ist.
Auch bei kleineren Solaranlagen ist inzwischen eine Vielzahl von Vorschriften zu beachten, bei denen selbst Eingeweihte mitunter den Überblick verlieren. Da sind zunächst die vielen Vorschriften aus dem EEG, das inzwischen auf mehr als 100 Paragrafen angewachsen ist.
Hemmnisse durch die Paragrafen
Immer wieder tauchen Meldungen auf, dass üppige Rückzahlungen fällig werden, wenn die Photovoltaikanlage nicht rechtzeitig angemeldet wurde oder wenn bestimmte Einrichtungen zur ferngesteuerten Abschaltung fehlen.
Hinzu kommen Fragen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Anlage vergütungsberechtigt ist. Nicht zuletzt kann auch die EEG-Umlage Kopfzerbrechen bereiten, wenn der Strom ganz oder zum Teil selbst genutzt oder an Dritte veräußert wird. Dazu kommen steuerliche Fragen und die Pflicht zur Gewerbeanmeldung …
Der Papierkram schreckt ab
Fast jeder wird Beispiele aus seinem Umfeld kennen, wo Interessenten davor zurückschreckten, sich in den mit einer Photovoltaikanlage verbundenen Papierkram einzuarbeiten. Seit einigen Jahren kann für diese Personen ein schlankes Gegenmodell präsentiert werden: die Balkonsolaranlage.
Einen Balkon hat fast jeder. Und geht es noch einfacher, als eine Photovoltaikanlage einfach einzustecken und so bis zu 20 Prozent des durchschnittlichen Haushaltsstrombedarfs zu decken?
Balkonmodule für den Hausgebrauch
Inzwischen sind zahlreiche Anbieter am Markt, die Balkonanlagen für den Hausgebrauch anbieten. Und für viele technische Probleme wurden Lösungen entwickelt. Die Anforderungen an spezielle Energiesteckvorrichtungen für Plug-in-Energieerzeugungsanlagen wurden in DIN VDE V 0100-551/DIN VDE V 0100-551-1 normiert.
Besonders verdient gemacht hat sich die Deutsche Gesellschaft für Solarenergie (DGS), die auf ihrer Website zahlreiche technische Fragen zu den steckbaren Solargeräten beantwortet. Die DGS hat auch einen eigenen Sicherheitsstandard (DGS 0001:2019-10) entwickelt, mit dem Hersteller die Betriebssicherheit von Plug-in-Modulen belegen können.
Viele Vorschriften treffen nicht zu
Zahlreiche bürokratische Hemmnisse für die Photovoltaik werden von den Balkonsolaranlagen umschifft. Die Vorschriften des EEG sind nicht maßgeblich, wenn die EEG-Vergütung gar nicht in Anspruch genommen werden soll. EEG-Umlage fällt bei Anlagen unter zehn Kilowatt für bis zu 10.000 Megawattstunden nicht an (Paragraf 61a Nr. 4 EEG). Bei Anlagen bis sieben Kilowatt entfallen auch die mit der EEG-Umlage verbundenen Meldepflichten (Paragraf 74a Absatz 1 Satz 3 EEG).
Wer den erzeugten Strom seiner Kleinstanlage im eigenen Haushalt nutzt, muss sich auch nicht um eine Gewerbeanmeldung kümmern. Lediglich die Anmeldung im Marktstammdatenregister und beim Netzbetreiber bleiben nicht erspart, wenn sich jemand für eine Plug-in-Anlage entscheidet. In der Praxis hat sich jedoch eine Frage als Nadelöhr für den Erwerb von Balkonsolaranlagen erwiesen: Muss mein Vermieter oder meine Wohnungseigentümergemeinschaft der Balkonsolaranlage zustimmen? Wann muss ich fragen und wann kann mir meine Kleinanlage verboten werden?
Gespräch mit dem Vermieter suchen
Eine ganz klare und eindeutige Antwort für alle denkbaren Konstellationen gibt es nicht, wohl aber Entscheidungshilfen, wie im Allgemeinen mit der Problematik umgegangen werden kann. Als Erstes hilft ein Blick in den Mietvertrag (bei Mietern) beziehungsweise die Teilungserklärung oder Gemeinschaftsordnung (bei Wohnungseigentümern).
Hier finden sich oftmals konkrete Regelungen zur Anbringung von Gegenständen des Mieters oder Wohnungseigentümers im sichtbaren Außenbereich des Gebäudes. In aller Regel wird es unproblematisch sein, wenn ein Solarmodul auf dem Balkon steht, der zur Wohnungsfläche gehört.
In den meisten Fällen wird allerdings auch die Außenwand oder die Außenseite der Balkonbrüstung genutzt, um die Solarmodule anzubringen. Hier empfiehlt es sich in jedem Fall, das Gespräch mit dem Vermieter oder der Wohnungseigentümergemeinschaft zu suchen und die Erlaubnis einzuholen.
Das Grundgesetz hilft
Finden sich im Mietvertrag Klauseln, welche die Nutzung der Außenwandflächen des Gebäudes regeln, so kann hierauf Bezug genommen werden. Oftmals wird es sich um offene Klauseln handeln, welche ein Verbot des Vermieters von einem „wichtigen Grund“ abhängig machen oder davon, dass Beeinträchtigungen der Mietsache oder des Grundstücks entgegenstehen.
Hier kann argumentativ eingehakt werden. Die Anbringung einer Balkonsolaranlage dient nämlich einem wichtigen Grund, dem Kampf gegen den Klimawandel. Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen wurde in Artikel 20a des Grundgesetzes aufgenommen.
Dass Balkonsolaranlagen diesem Ziel dienen, dürfte unbestritten sein. Möglicherweise kann sich der Mieter oder Wohnungseigentümer auch auf regionale Förderprogramme berufen, die den Aufbau von Balkonsolaranlagen ausdrücklich unterstützen.
Bereits 40.000 Anlagen in Betrieb
Mitunter berufen sich widerwillige Vermieter oder Wohnungseigentümer auf optische oder ästhetische Gesichtspunkte. Sie wenden ein, dass eine Balkonsolaranlage das äußere Erscheinungsbild der Wohnanlage beeinträchtigen würde.
Hierfür gibt es sicher keine für alle denkbaren Fälle passende Gegenargumentation. Aber oftmals kann eingewendet werden, dass die Photovoltaikanlage auf den ersten Blick gar nicht sichtbar sein wird (zum Beispiel in höheren Stockwerken), dass sie farblich zur Fassade des Gebäudes passt oder dass das äußere Erscheinungsbild des Hauses durch verschiedene andere Vorrichtungen wie unterschiedliche Markisen, Satellitenschüsseln oder Balkonverkleidungen ohnehin nicht mehr einheitlich ist.
Technische Bedenken ausräumen
Hilfreich kann auch der Hinweis sein, dass Photovoltaikanlagen an Fassaden inzwischen kein seltener Anblick mehr in Deutschland sind und bereits 40.000 Balkonanlagen in Betrieb genommen wurden.
Macht der Vermieter oder die Wohnungseigentümergemeinschaft technische Bedenken geltend, so kann hierauf mithilfe des jeweiligen Herstellers der Module reagiert werden. Insbesondere eine Gefährdung der Stromversorgung oder der elektrischen Sicherheit muss durch die solare Stromerzeugung nicht befürchtet werden. Hilfreich ist es darüber hinaus, wenn der Mieter ergänzend auf eine Haftpflichtversicherung verweisen kann, die Schäden beim Betrieb einer Solaranlage miteinschließt.
Urteile zu Schüsseln und Transparenten
Nicht immer werden sich Vermieter oder die anderen Wohnungseigentümer von guten Argumenten überzeugen lassen. Bei Wohnungseigentümergemeinschaften besteht Hoffnung, dass – soweit die derzeitig geplante Gesetzgebungsreform umgesetzt wird – das neue Wohnungseigentümergesetz die Anbringung einer Balkonsolaranlage bald erleichtern wird.
Nach den Plänen des Gesetzgebers soll für bauliche Veränderungen zukünftig im Regelfall die einfache Mehrheit ausreichen und nicht mehr der einstimme Beschluss der Wohnungseigentümer erforderlich sein.
Bei Vermietern in öffentlicher Trägerschaft kann es im Einzelfall sinnvoll sein, sich an lokale politische Akteure zu wenden, die sich dafür einsetzen wollen, den oft gemeindlichen Betrieben entsprechende Vorgaben zu machen. Wer bereit ist, gerichtlich für seine Balkonanlage zu streiten, kann ein entsprechendes Verfahren einleiten, mit dem Vermieter oder Wohnungseigentümer zur Zustimmung verpflichtet werden.
Zwar gibt es noch keine veröffentlichten Urteile zur Frage der mietrechtlichen Zulässigkeit von Balkonsolaranlagen. Allerdings können Wertungen aus anderen Rechtsbereichen herangezogen werden. So hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, dass der Vermieter verpflichtet sein kann, eine Parabolantenne zum Fernsehempfang zu dulden (BverfG vom 30. Juni 1994 – 1 BvR 1478/93).
Ebenso muss die Anbringung von Transparenten am Balkon in bestimmten Fällen vom Vermieter geduldet werden (zum Beispiel Amtsgericht Berlin-Neukölln, 9. Januar 2018 – 10 C 344/17). Auch wenn es hier um die Abwägung der Grundrechte auf Informations- oder Meinungsfreiheit mit den Eigentümerinteressen des Vermieters ging, so kann aus den Urteilen zumindest abgeleitet werden, dass das Hauseigentum nicht das Recht beinhaltet, jegliche Nutzung der Fassade durch Mieter zu untersagen.
Möglicherweise wird es noch einige Jahre dauern, bis sich eine gefestigte Rechtsprechung zur mietrechtlichen Zulässigkeit von Balkonsolaranlagen herausbildet. Hilfreich für die weitere Entwicklung ist es jedoch allemal, wenn möglichst viele Mieter sich auf den Weg machen, Solarmodule an ihrem Balkon zu installieren und damit die private solare Stromerzeugung an der Steckdose zum Normalfall zu machen.