Wie entstand die Idee, das neue Parkhaus der DHL mit einer Solarfassade zu verkleiden?
Cornelia von Domaros: Wir planen sehr viele Gewerbebauten, oft für die Leipziger Stadtbau AG. So haben wir auch die Gebäude des neuen DHL-Campus am Leipziger Flughafen geplant. Insgesamt sind es fünf Gebäude mit Büros, mit Konferenzräumen, Wohnungen für die Piloten der DHL und das Parkhaus. Das Ensemble wurde unmittelbar an der Bundesstraße B6 errichtet, innerhalb des Stadtgebietes von Schkeuditz. Das Gebäude mit Photovoltaik auf dem Dach und an der Fassade weitgehend autark zu machen, war ein Vorschlag der DHL und Leipziger Stadtbau. Die dort zuständigen Kollegen haben sich sehr dafür eingesetzt, moderne Solartechnik zu nutzen. Um die Gebäude möglichst autark zu versorgen.
Wann haben Sie mit dem Projekt begonnen?
Sebastian Graf: Die Genehmigungsplanung begann Ende 2020, damals haben wir auch mit dem Parkhaus begonnen. Die Bauanträge wurden sehr rasch bewilligt, das lief ziemlich zügig.
Cornelia von Domaros: Der B-Plan für den DHL-Campus wurde innerhalb eines Jahres aufgestellt, das war wirklich sehr schnell. Die Stadt Schkeuditz hat das Projekt sehr gut unterstützt, wollte es unbedingt realisieren. Das war natürlich hilfreich.
War die Solarfassade am Parkhaus von Beginn an im Gespräch?
Cornelia von Domaros: Zunächst haben wir ein offenes Parkhaus geplant, als Stahlskelettbau, der von allen Seiten zugänglich ist. Das mussten wir bei der Solarfassade beachten, die als vorgehängte Fassade konzipiert wurde. Denn aus Gründen des Brandschutzes war es nicht möglich, die Fassade zu verschließen. Die Feuerwehr muss Zugriff haben.
Sebastian Graf: Hinter den Modulen mit ihrer Halterung steht das Parkhaus als offenes Stahlskelett. Da es sich um eine Großgarage handelt, durften nur nicht brennbare oder schwer entflammbare Baustoffe verwendet werden. Das Konzept für den Brandschutz hat unser Dienstleister entwickelt, eine gesonderte Freigabe durch die Feuerwehr brauchten wir nicht.
Welches Problem hat Sie besonders herausgefordert?
Cornelia von Domaros: Das war nicht der Brandschutz, sondern die Stahlpreise. Die Unterkonstruktion für die Solarmodule wurde von Avancis entwickelt, die auch die Solarmodule lieferten. Im Verlauf der Planungen stiegen die Stahlpreise drastisch an. Das war 2020, sicher erinnern Sie sich an die Lieferengpässe. Im ersten Gespräch wurden die Kosten auf 400 Euro je Quadratmeter beziffert. Zwischenzeitlich schnellten sie auf 1.200 Euro hoch, schließlich sind wir bei rund 800 Euro gelandet.
Sebastian Graf: Eine Folge der steigenden Stahlpreise war, dass wir die Abstände zwischen den Solarmodulen etwas breiter wählen mussten. Auch konnten wir die wellenförmige Fassade nicht höher über die Traufe des Gebäudes ziehen, weil dann die Windlasten höher geworden wären. Höhere Lasten bedeuten mehr Stahl in der Unterkonstruktion. So entstand ein Kompromiss, um die Kosten zu begrenzen.
Eine solche Solarfassade zu planen, bedarf aufwendiger Planungen und Simulationen. Wer hat das erledigt?
Sebastian Graf: Das hat das Team von Avancis gemacht. Wir haben die geschwungene Optik entworfen, dann ging es um die Details. Beispielsweise um die Abstände zwischen den Modulen oder die Höhe der Modulfront. Avancis hat die verschiedenen Varianten simuliert und schließlich auch die Logistik der Module geplant. So ging es unter anderem darum, die Anzahl der verschiedenen Modulformate zu reduzieren, auch ein Kostenpunkt.
Cornelia von Domaros: Avancis war ein super Partner. Sie haben unseren optischen Entwurf umgesetzt, die Solarmodule entlang der geschwungenen Fassade angepasst. Ich mag diese Solarmodule von der Optik her, ihren metallischen Glanz. Auch wenn die Dünnschichtmodule nicht so hohe Leistung aufweisen wie kristalline Module.
Sie sagten: Aus Kostengründen entstand ein Kompromiss. Eine Augenweide von einem Kompromiss, wenn ich das sagen darf. Sind Sie damit zufrieden?
Sebastian Graf: Unser ursprünglicher Entwurf war stärker geneigt. Das hätte aber die Windlasten erhöht, also wurde die Solarfassade abgeflacht.
Cornelia von Domaros: Wir konnten die Module auch nicht so hoch über die Dachkante auskragen lassen, gleichfalls wegen der Lasten. Und die größeren Modulabstände hat mein Kollege erwähnt. Wenn Sie mich fragen, wäre ich gern näher an unserem Entwurf geblieben. Dann hätte die Fassade noch mehr Schwung. Aber am Bau ist es oft so, dass man Kompromisse eingehen muss. Das Ziel unserer Kollegen von DHL und Leipziger Stadtbau wurde erreicht. Es entstand ein modernes Gebäude, das die Möglichkeiten der Solartechnik demonstriert und nutzt.
Brauchten Sie ein Blendgutachten für die Solarfassade?
Cornelia von Domaros: Nein, denn das Gebäude liegt weit genug vom Flughafen entfernt. Und zur B6 ist es durch einen Gebäuderiegel getrennt. Der Projektträger musste jedoch für die Dachanlage ein Gutachten erstellen. Das Gebäude gehört zum Einzugsbereich des Leipziger Flughafens, dort gelten besonders strenge Vorschriften.
Wie schätzen Sie die Nachfrage nach Solarfassaden ein, speziell bei Ihnen im Leipziger Raum?
Cornelia von Domaros: Zurzeit planen wir einen Neubau in der Innenstadt für die Firma Siemens, der auch solare Fassadenelemente bekommen soll, allerdings zur Hofseite, nicht zur Hauptstraße hin. Die Fassade wird nicht so schön, denn wir verwenden glatte und graue Solarmodule. Ansonsten ist es schwierig, weil die Baubehörden in Leipzig vorwiegend Putzfassaden vorschreiben. Das Interesse an Photovoltaik ist durchaus vorhanden, aber da geht es meist um die Dächer. Dort sind Solarmodule mittlerweile Standard. Hinzu kommt, dass der Solarertrag aus der Fassade geringer ist, aufgrund der vertikalen Installation der Solarmodule. Dass Solartechnik auch an der Fassade zum Standard wird, dürfte sicher noch eine Weile dauern.
Das Gespräch führte Heiko Schwarzburger.