Alle Akteure sind sich darin einig, dass Energie am besten dort erzeugt wird, wo man sie braucht. Und in Gebäuden wird bekanntermaßen viel Energie gebraucht. Die Nutzung von Fassadenflächen für Photovoltaik ist deshalb ein Gebot der Stunde – allerdings noch längst nicht in großer Breite selbstverständlich.
Zwar fordert die Fassade in Teilen andere technische Lösungen als eine Dachanlage, aber das Prinzip ist gleich. Die Befestigungen müssen sicher sein und mögliche Verschattungen durch Verschaltung oder Moduloptimierer aufgefangen werden. Auch der Baukörper selbst kann ein solches Projekt stark beeinflussen und die Planung kniffliger machen. Gibt es viele Vorsprünge oder Balkone, wird es aufwendiger. Einfach geht es, wenn nicht die ganze Fassade mit Solarmodulen verkleidet wird, sondern nur ausgewählte Bereiche. Gelungene Beispiele dafür gibt es immer häufiger.
Ohne großen Aufwand
Seit Mai 2018 ist in Bad Neustadt eine solche Anlage in Betrieb. Die Adites GmbH baute hier zwei Effizienzhäuser mit insgesamt 14 Wohneinheiten. Auf dem Dach und an der Fassade wurde Photovoltaik installiert. Das energetische Konzept umfasst natürlich weit mehr Komponenten: Die Wärmedämmung, die Form des Baukörpers, zwei Wärmepumpen und ein Speicher sorgen für 75 Prozent Autarkie.
An der nach Süden ausgerichteten Fassade des Gebäudes wurden fünf Reihen zwischen den Balkonen mit Standardsolarmodulen von Q-Cells Q-Peak Duo G5 auf die Hauswand montiert. Durch die Zweiteilung fällt es gar nicht auf, dass die Module mal hochkant und mal quer montiert sind.
Wiederum mit einem Standard-Befestigungssystem, dem Novotegra von Baywa r.e., wurden die Module befestigt. Sie haben alle einen Solaredge-Leistungsoptimierer, der trotz Verschattung von Balkonen oder von der Dachkante den optimalen Ertrag pro Modul ermöglicht.
Im Winter wertvolle Erträge
Die Verschattung von der Dachkante hätte vermieden werden können, aber aus optischen Gründen wurden die Module weit nach oben durchgezogen. 172 Kilowatt Leistung hat die Photovoltaikanlage auf Dach, Carport und an der Fassade insgesamt, 7,2 Kilowatt bringen die 22 Fassadenmodule. Das mag sich wenig anhören, doch vor allem im Winter, wenn die Sonne niedrig steht, leisten sie einen wertvollen Beitrag zur Energieversorgung. Dann nämlich sind die Erträge vom Dach sehr gering, denn das Dach hat nur eine Neigung von zehn Grad.
Geplant hat die zwei Gebäude Dieter Esau, Geschäftsführer von Adites. Er startete als Energieberater seine berufliche Laufbahn und leitet seit drei Jahren die eigene Firma. Er errichtet Effizienzhäuser und Plusenergiehäuser, sein Know-how liegt besonders in der Haustechnik. Gewerke, in denen er kein Spezialist ist, werden an andere Firmen übergeben, aber die Planung der Gebäudetechnik und deren Ausführung macht Esau mit seinem Team selbst.
Wie ein Dach geplant
Bei den Gebäuden in Bad Neustadt unterschied sich die Planung der Fassadenanlage kaum von der des Daches. „Ich habe wie immer mit PV Sol geplant, in 2D, und für die Fassadenmodule einfach einen Neigungswinkel von 90 Grad eingesetzt“, erzählt Esau. Die Kabel der Module werden von außen in die Zwischendecke geführt und von dort in den Haustechnikraum, wo die Wechselrichter, die Tesla-Batterie und die Pufferspeicher stehen.
Beim Hersteller des Montagesystems hatte sich Esau zuvor erkundigt, ob die Befestigung im 90-Grad-Winkel statisch unbedenklich ist. Und auch das örtliche Bauamt machte überhaupt keine Bedenken geltend.
Alles in allem technisch eine einfache Sache, meint Esau. Nur optisch muss es halt stimmen. Und bestimmt müsse eine 30 Meter hohe Fassade auch anders geplant und ausgeführt werden als diese fünf Meter hohe Hauswand.
Schon etwas anspruchsvoller
Bei einem Schwesternwohnheim in Bad Hersfeld war die Aufgabe um einiges anspruchsvoller. Ein achtgeschossiges Gebäude sollte rundum, an allen Gebäudeseiten und auf dem Dach mit Photovoltaik ausgestattet werden. So wollte es der Bauherr.
Die Fassade war marode und eine Komplettsanierung notwendig. Die Verschattung durch einen vorspringenden Gebäudeteil sollte in Kauf genommen werden. Eine neue Dämmung wurde auf die Fassade montiert, als Wasserschutz und optische Haut sollten Solarmodule dienen. Das Unternehmen Galaxy Energy aus Berghülen in der Nähe von Ulm realisierte dieses Projekt.
Verschaltet auf Geschossebene
An die Fassade wurden die Standard-Indachmodule von Galaxy Energy mit schwarzem Rahmen montiert. Diese Module haben eine transparente Rückseitenfolie. Sie sorgt für einen besseren Wärmekoeffizienten, dessen Vorteile in diesem Einsatzfall besonders zum Tragen kommen. Zwischen Dämmung und Modulen ist ein Hinterlüftungsabstand von zehn Zentimetern.
Die Verschattung und die Ausrichtung der verschiedenen Gebäudeseiten war in der Planung ein großes Thema. Das musste bei der Verschaltung berücksichtigt werden. Die Firma Hemba plante und verstringte die Module jeweils auf Geschossebene, um den Brandschutzanforderungen zu genügen.
Aufgrund des sich über den Tag ändernden Sonnenstandes wurden Ost- und Westflächen auf jeweils denselben Wechselrichter geschaltet, da diese Flächen nie zeitgleich Energie liefern. So wurde eine effiziente Nutzung der Wechselrichter erreicht. Zusätzlich kamen Optimierer zum Einsatz.
Zudem war die Befestigung eine Herausforderung. Die neu aufgebrachte Dämmung war relativ dick und die Befestigung der Solarmodule sollte auch die Dämmung zusätzlich befestigen. Starke Dübel waren gefragt – und natürlich eine entsprechende Statik.
Das Bauamt war im Genehmigungsprozess keine Bremse. Die Brandsicherheitsnachweise für die Module mussten erbracht werden, ansonsten hatten die Beamten nur Vorgaben zur Optik.
Aufsteigende Abwärme wird genutzt
Ursprünglich waren schwarze Schienen geplant, um eine vollschwarze Fläche zu erhalten. Doch diese komplett schwarze Optik war nicht erwünscht. Deshalb wurden silberne Schienen verwendet, die dem Gebäude nun eine Nadelstreifenoptik verleihen.
Auf dem Dach wurde eine Indachanlage komplett in Schwarz montiert. Seit Sommer 2018 ist die Anlage in Betrieb. Alle Fassadenflächen ergeben mit 1.016 Modulen in fünf verschiedenen Größen eine Gesamtleistung von 205 Kilowatt. Zusammen mit den knapp 34 Kilowatt auf dem Dach kann sich das Gebäude mit einer stolzen Leistung von 239 Kilowatt zeigen.
Außerdem wird die entstehende Abwärme, die hinter den Modulen aufsteigt, an der Fassadenoberkante abgeschöpft und zur Heizung des Gebäudes genutzt werden. So liefert das Gebäude nicht nur beachtliche Strommengen, sondern auch einen Großteil der erforderlichen Heizlast in Form von kostenloser Abwärme.
Rechnen auf Zellebene
Für vielgestaltige Fassadenflächen haben Forscher am Frauhofer ISE ein sehr komplexes Simulationsprogramm entwickelt, das bereits bei einigen Projekten zum Einsatz kam. Ausgangspunkt ist die Berechnung der Bestrahlungsstärke auf allen Gebäudeflächen, die für Photovoltaik relevant sein können.
Dazu braucht es ein echtes 3D-Modell vom Gebäude und der relevanten Umgebung. Gerechnet wird auf Zellebene, ein ganz wichtiger Unterschied zu anderen Simulationstools, die auf Modulebene ihre Werte ermitteln.
Beim ersten Schritt, der Ermittlung der Bestrahlungsstärke, läuft ein tatsächliches Ray-Tracing ab, das alle optischen Effekte abdeckt. Alle Sonnenstrahlen werden bis auf die Solarzelle an der Fassade verfolgt.
Für jeden Zeitschritt gibt es ein Himmelsmodell: wie hell es ist, wo die Sonne steht. Für alle Materialien werden Reflexionsgrade berücksichtigt, es werden also auch die Werte einbezogen, wenn beispielsweise Schnee liegt oder das Haus gegenüber weiß oder dunkel ist. Ein rechenintensiver Vorgang.
STC-Werte kommen selten vor
Zunächst werden in Abhängigkeit von Einstrahlung und Befestigungsart die Stromwerte der Solarzelle an der konkreten Stelle ermittelt. Dabei wird eine Zelle mit bestimmten Eigenschaften angenommen und ermittelt, wie sich die Zelle verhält.
Denn in der Fassade kommen die Standardtestbedingungen, anhand derer ein Modul charakterisiert wird, noch seltener vor als auf dem Dach. Deshalb ist es so wichtig, aus welcher Richtung in welchem Winkel wie viel Licht einfällt.
Auch eine Verschaltung wird geplant und der Wechselrichter berücksichtigt. So kann der tatsächliche Wechselstrom-Output berechnet werden. Konkret heißt das, dass für jedes Modul mit 60 Zellen auch 60 verschiedene Einstrahlungswerte und 60 verschiedene Temperaturen in die Betrachtung einfließen, denn am Gebäude gibt es einfach viele Fälle, wo das einen Unterschied macht: kleine Schatteneffekte durch Vorsprünge zum Beispiel. Sie beeinflussen die Performance des Gesamtsystems und gehen bei einer Betrachtung auf Modulebene verloren.
Mit vielen Parametern simulieren
Dabei ist das Tool extrem flexibel. Alle Parameter können geändert werden. Dreieckige Module mit 17 Zellen, die Verschaltung oder die Anschlüsse pro Modul, aber auch Reflexionen von den Gebäuden der Umgebung.
Für die Zellen wird ein Zwei-Dioden-Modell benutzt, was auch bei Schwachlichtverhalten präzise funktioniert – ein Anwendungsfall, der für die Fassade relevant ist. Aufgrund dieser Komplexität ist die Handhabung um einiges komplizierter als bei herkömmlichen Simulationsprogrammen. Daraus folgt aber auch, dass das Tool für einfache, unverschattete Südfassaden überdimensioniert ist, hier kann einfacher simuliert und geplant werden.
Die ersten Fassaden wurden bereits mit dem Tool simuliert, sie sind inzwischen gebaut und die echten Ertragswerte werden mit den Simulationen verglichen. Ein plakatives Beispiel ist ein Wohngebäude in Zürich aus der Jugendstilzeit, das einen für das Alter des Gebäudes typischen hohen Energiebedarf aufwies. Der Eigentümer wollte demonstrieren, dass auch ein solches Gebäude auf einen Plusenergiestandard gebracht werden kann.
Natürlich war die Wärmedämmung ein zentrales Thema. Aber es war auch klar, dass dieser Standard nur erreichbar ist, wenn die Möglichkeiten der Photovoltaik am Gebäude maximal ausgereizt werden.
Optimale Verschaltung berechnet
Jugendstil – das bedeutet ein stark fragmentiertes Gebäude, unterteilte Dachflächen, Erker. Dieser Anwendungsfall war die erste Feuerprobe für das Simulationsprogramm. Schließlich wurden 198 verschiedene Module in 112 verschiedenen Größen verbaut, die in 19 verschiedene Richtungen zeigen. Zunächst war völlig unklar, wie man solch ein System verschalten kann. In zwei Iterationen wurden Simulationen gerechnet und schließlich wurde eine Variante mit 14 kleinen Wechselrichtern ausgewählt. Seit fast zwei Jahren ist die Anlage in Betrieb und die Simulation liegt nah an den tatsächlichen Erträgen.
Betriebspunkt jeder Zelle ist bekannt
Jetzt befindet sich ein neues Laborgebäude am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme im Bau. Dort werden auch farbige Module an der Fassade zum Einsatz kommen. Von der Geometrie her ist die Simulation des Gebäudes nicht so komplex wie die der Jugendstilvilla. Aber hier sind die farbigen Module das Spannende.
Denn neben der eigentlichen Farbschicht haben die Fassadenelemente auch eine Antiblendschicht. Die Struktur im Glas hat Auswirkungen auf die Lichtnutzung. Auch das ist ein Parameter, der mit dem Simulationsprogramm berücksichtigt werden kann.
Eine weitere nützliche Information fällt sozusagen als Nebenprodukt an: Wenn jede Solarzelle simuliert wird, ist auch der Betriebspunkt jeder Zelle bekannt. Der Planer weiß, ob bestimmte Zellen immer wieder bei bestimmten Bedingungen stark in Rückwärtsrichtung belastet und stark erwärmt werden. Die Problemzonen für potenzielle Hotspots sind also von vornherein bekannt.
Tipp der Redaktion
Aktuelle Marktübersicht für Doppelglasmodule
Unsere Marktübersicht von Glas-Glas-Modulen wurde aktualisiert. Der Trend setzt sich fort: Die Hersteller bieten immer mehr Produkte dieser Bauart an. Aktuell sind 16 Hersteller mit insgesamt 162 Produkten vertreten.
Alle Marktübersichten finden Sie online unter dem Menüpunkt „Themen“. Der Download ist exklusiv für unsere Abonnenten.
Redakteurin Petra Franke
Fraunhofer ISE
55 Millionen Gebäude erfassen
Unter der Leitung des Fraunhofer ISE wird derzeit in dem groß angelegten Projekt Standard-BIPV der Gebäudebestand in Deutschland analysiert. Rechnet man die Fassadenflächen der erfassten 55 Millionen Gebäude zusammen, ergeben sich 12.000 Quadratkilometer. Dazu kommen rund 6.000 Quadratkilometer Dachfläche. Mehr als genug, um rund 300 Gigawatt zu installieren.
Die benötigte Fläche entspricht rund 3.000 Quadratkilometern oder anders ausgedrückt 36 Quadratmetern pro Einwohner. Die Forscher im Verbundprojekt arbeiten gerade daran, die Gebäude nach Nutzungsarten zu kategorisieren.
Im nächsten Schritt sollen Städte simuliert werden, um geeignete Flächen zu lokalisieren. Danach sollen dann Simulationen der Gebäude folgen. Dieser umfangreiche Gebäudeatlas wird Kommunen und Architekten helfen, geeignete Bestandsgebäude zu identifizieren.
Générale du Solaire/CS Wismar
Geplant mit PV Syst
Für die Fassade eines Bürogebäudes in Miramas in Südfrankreich entschied sich der Architekt zusammen mit dem Photovoltaikunternehmen Générale du Solaire für transparente Doppelglasmodule von CS Wismar. In dem mehrstöckigen Gebäude haben verschiedene Verwaltungen ihren Sitz, unter anderem das örtliche Arbeitsamt.
Drei Seiten der Fassade wurden mit vorgebauten Photovoltaikmodulen ausgestattet, insgesamt 58 Kilowatt Leistung kommen so zusammen. Auf dem Dach gibt es zusätzlich eine kleinere Anlage mit 13 Kilowatt Leistung. Die erzeugte Energie wird zu 100 Prozent im Gebäude selbst genutzt. Der Projektverantwortliche Pierre Briere sagt: „Wir haben uns für die transparenten Doppelglasmodule von CS Wismar entschieden, weil sie mit 32 Zellen eine hohe Lichtdurchlässigkeit bieten. 30 Prozent Transparenz – so kann noch viel Licht auf das Gebäude fallen.“
Zwischen der Gebäudewand und der solaren Hülle ist jede Menge Platz: Ein Meter Abstand liegt dazwischen. Die Tragkonstruktion für die Module wurde mit Metallträgern an den Wänden befestigt. Auf Moduloptimierer wurde verzichtet.
Das Verschaltungskonzept ist relativ simpel: Für jede Fassadenseite wurde ein Huawei-Wechselrichter verbaut. Geplant und simuliert wurde die Anlage mit dem Softwareprogramm PV Syst, einem gängigen Programm zur Planung von Photovoltaikanlagen. Dabei wurden die Fassadenmodule mit 90 Grad Neigung und der entsprechenden Ausrichtung im Programm simuliert. 50.000 Kilowattstunden Ertrag pro Jahr werden erwartet.
Enerbim
Demoversion zeigt Möglichkeiten
Das französische Start-up Enerbim entwickelt eine ausgeklügelte und zugleich benutzerfreundliche Software zur Planung von Solarfassaden. Herzstück ist die Bestrahlungsanalyse, um Strahlungs- und Schattensimulationen am 3D-Modell durchführen zu können. Jedes Detail der Fassade und die Module selbst können detailliert simuliert werden. Eingebettete Algorithmen liefern Daten zu elektrischen und thermischen Zuständen unter verschiedenen Wetterverhältnissen oder verschiedenen Umgebungsbedingungen. Interessierte Planer können mit einer freien Demoversion die Anwendbarkeit auf ihr konkretes Projekt prüfen.
Opvius/Taiyo Europe
Gedruckte organische Zellen auf Kunststofffolie
Eine extravagante, mit einem OPV-System ausgestattete Fassade sollte es sein, die nicht nur in Funktionalität, sondern auch in Design überzeugt. Diese Aufgabe löste Opvius auf dem Betriebsgelände der Merck KGaA in Darmstadt.
Dafür kooperierte das Unternehmen mit dem ETFE-Spezialisten Taiyo Europe. ETFE steht für den Kunststoff Ethylen-Tetrafluorethylen. Die daraus gefertigten Membrankonstruktionen überdachen Schwimmbäder, Gewächshäuser oder dienen als Fassaden von Stadien.
Mit der Membranfassade zeigt, dass die gedruckte organische Photovoltaik einen Beitrag zur Energiegewinnung leisten kann. Das niedrige Gewicht ist der entscheidende Vorteil, die Membrane gewinnt als Werkstoff für Dächer und Fassaden zunehmend an Bedeutung. Die OPV-Module wurden mit Anschlusstechnik und Systemkomponenten vollständig in die farbig bedruckten, teiltransparenten ETFE-Folien integriert.