An solaren Dachziegeln haben sich schon einige Unternehmen probiert. Deren Vorteile sind nicht von der Hand zu weisen und die Umsetzung scheint denkbar einfach. Zwei Solarzellen zwischen eine Glasscheibe und eine Rückseitenfolie zu laminieren und dieses Sandwich dann auf einen normalen Dachziegel zu kleben, ist auch kein Hexenwerk. Der Teufel steckt aber im Detail.
Deshalb mussten viele die Segel streichen, die sich an solaren Dachziegeln versucht haben. Sie sind die Sache von der falschen Seite angegangen. „Den Markt gewinnt oder verliert man vor allem bei der Errichtung der Anlagen“, sagt Cornelius Paul, Geschäftsführer von Autarq. Das Unternehmen in Prenzlau im Norden von Brandenburg hat einen ganz eigenen Weg eingeschlagen und das Produkt nicht nur an die Anwendung angepasst, sondern die Verarbeitung auf der Baustelle und den Betrieb der hinterher fertigen Solaranlage gleich mitgedacht.
Inzwischen ist Autarq in der vierten Produktgeneration angekommen. Grundsätzlich ist es ein kristallines Glas-Folie-Solarelement, das auf einen Glattziegel geklebt wird. „Eine der Herausforderungen bei der Entwicklung bestand darin, vorteilhafte elektrische Parameter zu erreichen“, erklärt Cornelius Paul. Der Dachziegel von Autarq leistet zehn Watt. Damit liegt er im gleichen Bereich wie die anderen Hersteller.
Allerdings erreicht Autarq diese zehn Watt nicht mit zwei großen Zellen und sich daraus ergebend einer Spannung von einem Volt und einem Strom von zehn Ampere. „Das sind elektrisch extrem ungünstige Werte, sowohl hinsichtlich der Belastung der vielen Steckverbinder durch hohen Strom als auch hinsichtlich der Anforderung an große Stringlängen“, erklärt Paul. „Denn um dann auf eine brauchbare Spannung zu kommen, müssten viele solche Elemente in Reihe geschaltet werden.“
Laminat in A4-Größe
Autarq hingegen integriert viele kleine Zellen in das Modul, um auf der gleichen solaraktiven Fläche die Stromstärke zu senken und die Spannung deutlich zu erhöhen. „Alle von uns verwendeten Materialien wie beispielsweise Perc-Zellen, Einkapselung, Glas sind Standardmaterialien aus der kristallinen Siliziumindustrie, mit denen wir ungefähr auf der Größe eines DIN-A4-Blattes ein Laminat herstellen, das ähnlich wie ein 72-Zellen-Modul aufgebaut ist. Nur kleiner“, erklärt der Autarq-Chef.
Die Herstellung dieser besonderen Laminate erfordert unter anderem eine Anpassung des Siebdrucks auf den Solarzellen sowie speziell angepasste Maschinen und Prozesse, um Qualität und Durchsatz auf ein tragfähiges Niveau zu heben. „An der Fertigung haben wir uns jahrelang die Zähne ausgebissen, bis alle Hürden beseitigt waren, die ein solches Miniaturlaminat mit sich bringt“, sagt Paul.
Denn auch wenn die Prozesse von außen gesehen fast identisch zu herkömmlichen Zellen sind, ergeben sich sowohl bei der Herstellung der Zellmatrix als auch beim Laminieren ganz eigene Herausforderungen, die im herkömmlichen Standardmodul aufgrund der anderen Abmessungen kaum eine Rolle spielen. „Zumindest über die sich ständig ändernden Wafergrößen müssen wir uns keine Sorgen machen“, beschreibt Paul einen positiven Nebeneffekt des Zellschneidens.
Komplexität auf der Baustelle verringern
Genau das ist der Ansatz, den Autarq verfolgt: Das Unternehmen nimmt die Komplexität aus der Baustelle heraus und verlagert sie stattdessen in die Fertigung. Das ist nicht einfach. Doch inzwischen hat das Unternehmen ein ganzes Netzwerk aus Partnern aufgebaut, mit denen die Umsetzung der Unternehmensphilosophie gelingt. Darunter sind verschiedene asiatische Zellhersteller, internationale Maschinenhersteller und ein exklusiver Partner für die Fertigung der Laminate in Europa.
Auf dieser skalierfähigen Basis baut Autarq gemeinsam mit dem Produktionspartner die Fertigungskapazität der Laminate in Europa aus und arbeitet für die nächste Produktgeneration nicht nur an einer Erhöhung der Leistung, sondern auch an der weiteren Europäisierung der Lieferkette. Dazu kooperiert das Unternehmen im Rahmen des europäischen Forschungsprogramms Horizon 2020 unter anderem mit dem Fraunhofer ISE in Freiburg.
Ziegel veredeln
Mit den Laminaten der aktuellen Produktgeneration veredelt Autarq am Firmensitz in Prenzlau. Dort hat Autarq eine selbst entwickelte Produktionslinie aufgebaut, um herkömmliche Glattziegel in solare Dachziegel zu verwandeln. Die keramischen Trägerziegel aus Ton stammen von zwei großen deutschen Ziegelherstellern.
Autarq selbst betreibt derzeit eine manuelle Produktionslinie für Kleinserien und Entwicklung sowie eine teilautomatisierte Linie für höheren Durchsatz in Prenzlau. In dieser Fertigung wird zunächst ein Loch in den Ziegel gebohrt, in das die Anschlussdose eingepresst wird. Danach wird das Solarlaminat auf den vorbereiteten Ziegel geklebt und mit der Anschlussdose kontaktiert, geprüft und verpackt. „Wir haben die benötigten Einzelkomponenten über die Jahre dahingehend weiterentwickelt, dass nunmehr eine vollautomatische Fertigung möglich wird“, erklärt Cornelius Paul.
Einen Schritt weiter sind die Prenzlauer bereits mit einem ersten Partner in Norwegen gegangen. Denn in Skandinavien arbeitet Autarq mit einem Hersteller von Betondachsteinen zusammen. Dieser hat die von Autarq gelieferte vollautomatisierte Produktionslinie am eigenen Standort aufgebaut. Dort werden die vorbereiteten Dachsteine einfach aus der normalen Betondachsteinproduktion ausgeschleust und nachdem sie mit dem Solarlaminat veredelt, verschaltet und getestet wurden, wieder eingeschleust.
Danach werden sie verpackt und direkt zum Kunden geschickt. „Gemeinsam mit unseren Partnern verstehen wir unsere Solarziegel viel mehr als Baustoff denn als Solarprodukt“, begründet Cornelius Paul die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Ziegelherstellern. „Somit stellen Vertrieb, Logistik und Errichtung über die etablierten Strukturen des Baustoffhandels eine Win-win-Situation dar.“
Sicherheit durch Kleinspannung
Einen besonderen Weg geht Autarq auch bei der Verschaltung der Solarziegel auf dem Dach. Denn diese erfolgt mittels eines speziell von Autarq entwickelten Kabelbaums, über den eine Kombination aus Serien- und Parallelschaltung erreicht wird. Dadurch bleibt die Gesamtspannung innerhalb der Solarfelder grundsätzlich unterhalb 120 Volt, was nach IEC-Norm im Bereich der Kleinspannung liegt.
Dieses System hat gleich mehrere Vorteile. Durch die Parallelschaltung wird die Anlage resistent gegen Verschattungen, denn nur die verschatteten Bereiche sind von einer entsprechenden Minderleistung betroffen. Die restlichen Ziegel liefern unverändert weiterhin die volle Leistung. Bei der normalen Reihenschaltung von Modulen lässt sich dieses Verhalten nur mit sogenannten Leistungsoptimierern erreichen.
Außerdem gibt es in diesem Spannungsbereich auch keine Gefahr für die Feuerwehr. Denn laut IEC-Norm muss eine Solaranlage im Falle eines Brandes abgeschaltet werden, wenn sie eine Spannung von mehr als 120 Volt liefert. Das ist bei der Parallelverschaltung im ungefährlichen Kleinspannungsbereich nicht notwendig.
Geringer Strom im Stecker
Zusätzlich fließt in den Steckverbindern nur ein geringer Strom. Deshalb kommt dieser auch mit zwei kostengünstigen Steckkontakten aus. Zwar ist dieser Anschluss nicht so klein wie ein USB-Stecker. Dies hat jedoch nichts mit der elektrischen Sicherheit, sondern dem rauen Alltag auf der Baustelle zu tun. „Die geringe Stromstärke würde es uns erlauben, den Stecker deutlich filigraner zu gestalten“, erläutert Paul.
Doch die robuste Ausführung hat auch Vorteile. Denn dadurch würde der Stecker auch zehn Ampere vertragen. Da der Strom jedoch deutlich unter einem Ampere liegt, gibt es genügend Reserve und damit keine Probleme mit Wärmeentwicklung, selbst wenn ein Teil des Steckers korrodieren sollte.
Wandler setzt Spannung hoch
Es kommt auch nicht zu einem Lichtbogen, wenn jemand den Stecker herauszieht. „Das ist unsere Sicherheit: zum einen die 120-Volt-Kleinspannung und zum anderen die absolut geringen Ströme in den Steckverbindern“, fasst Paul den Ansatz zusammen. „Dazu kommt noch, dass die Steckverbinder voneinander unabhängig sind und somit eine hohe Redundanz erreicht wird. Wenn wider Erwarten etwas korrodieren sollte, ist nur das Ziegelpaket betroffen, an dem der entsprechende Stecker angebracht ist.“
Die Kleinspannung, auf die Autarq setzt, ist aber eine zusätzliche Herausforderung beim Anschluss der Anlage. Denn die Spannung aus dem Solarfeld von maximal 120 Volt passt nicht zur Eingangsspannung handelsüblicher Solarwechselrichter. Diese sind auf höhere Spannungen ausgelegt. Doch auch dafür hat Autarq zusammen mit einem Partner aus Deutschland eine eigene Lösung entwickelt. Diese besteht aus einem DC-DC-Wandler, der die Kleinspannung aus den solaren Dachelementen auf etwa 400 Volt hochsetzt. Damit ist die Anlage mit allen gängigen Wechselrichtern im entsprechenden Leistungsbereich kompatibel. Denn der DC-DC-Wandler emuliert für den Wechselrichter ein normal verstringtes Solarfeld mit gängigen Modulen.
Braas
Solares Dachelement schafft 120 Watt
Braas hat die Leistung seiner solaren Dachelemente PV Premium von 105 auf 120 Watt erhöht. Dabei bleiben die Ausmaße des Photovoltaikmoduls gleich. Es hat weiterhin eine Deckbreite von 1.800 Millimetern und eine modellabhängige Decklänge von 338 bis 340 Millimeter. Die solaren Dachelemente können jeweils sechs herkömmliche Tegalitdachsteine von Braas ersetzen.
Auf diese Weise fügen sich die Module optisch perfekt in die Dachumgebung ein. Sie machen aus einem Schutzdach ein Nutzdach, das sowohl umweltfreundlichen Solarstrom erzeugt als auch in Sachen Design und Optik überzeugt. Mit einem Gewicht von zehn Kilogramm ist das Solarelement sogar noch leichter als die Dachsteine, die es ersetzt. Denn jeder Tegalitziegel von Braas wiegt 5,5 Kilogramm.
Jedes Modul enthält 22 monokristalline Solarzellen, die durch ihre schwarze Farbe optisch ein einheitliches Deckbild ergeben. Das System ist als Hartbedachung zugelassen und erfüllt alle Anforderungen hinsichtlich des Feuerwiderstandes, der Regensicherheit und der Hinterlüftung.