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EEG 2021: Mehr Demokratie wagen!

Die Coronakrise bestimmt alle Kanäle und Zeitungen – weltweit. Und doch hat es die Europäische Union geschafft, das wichtigste Problem unserer Zeit nicht aus den Augen zu verlieren. Am Ende der deutschen Ratspräsidentschaft wurde das Klimaziel in der vergangenen Woche noch einmal deutlich verschärft.

Bis 2030 sollten die Emissionen um 55 Prozent unter dem Ausstoß von 1990 liegen. Davor galten 40 Prozent als Ziel. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ratschefin Ursula von der Leyen (beide CDU) sonnten sich im Erfolg, der maßgeblich auf ihr Engagement zurückging.

Denn die Ministerpräsidenten der Mitgliedsstaaten unter einen Hut zu bringen, ist ein Flohzirkus. Das haben wir beim Haushaltsstreit, bei den Coronahilfen und bei den Klimazielen erlebt. Mühsam zwar, aber langsam setzt sich die Erkenntnis durch: Mit dem Klimaschutz muss es schneller gehen.

Den Entwurf aussetzen

Auch in Deutschland? In dieser Woche verhandelt der Bundestag die Novelle zum EEG 2021. Eigentlich sollte er den Entwurf aussetzen, weil wir faktisch einen völlig neuen Text brauchen – einen völlig neuen Ansatz und wahrscheinlich einen völlig neuen Wirtschaftsminister. Letzteres dürfte Wunschtraum bleiben. Ohnehin macht Peter Altmaier (CDU) nur, was ihm der Wirtschaftsflügel seiner Partei und seine Beamten flüstern.

Abgesehen von der Personalie muss etwas passieren, um den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzubringen. Denn gerade die Coronakrise zeigt, wie wichtig die Windkraft und die Solarenergie geworden sind. Sie schaffen viel, viel Arbeit, bieten Alternativen zu schwächelnden Branchen wie der fossilen Automobilindustrie und dem Bergbau, und sie öffnen innovationsgetriebene Entwicklungspfade für die Gesellschaft, vergleichbar der Digitalisierung.

Altmaier hat Nachholbedarf

In der EU hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die erneuerbaren Energien für den Wohlstand unserer Zivilisation und die Lösung ihrer drängenden ökologischen und sozialen Probleme unverzichtbar sind. Deshalb wurde das Klimaziel verschärft, und es wird ganz sicher nicht die letzte Verschärfung gewesen sein.

In Deutschland brauchen die verantwortlichen Kreise wohl etwas mehr Zeit. Der vorliegende Entwurf des EEG 2021 wurde von allen wichtigen Verbänden – kommunale, Verbraucherverbände oder der Wirtschaft – als bremsend und halbherzig kritisiert. Wenn das EEG 2021 so durchs Parlament geht, werden die erneuerbaren Energien sogar mehr als bisher behindert.

Bei der Windkraft – außer bei den sehr teuren und hochsubventionierten Windparks der großen Energiekonzerne auf See – gab es 2020 kaum Zubau. Diese Misere dürfte sich im kommenden Jahr fortsetzen.

Und ausgerechnet die Photovoltaik, die endlich ihre Vorteile ausspielen könnte, wo Deutschland endlich die Rendite für jahrzehntelange Entwicklungsarbeit einstreichen könnte, soll noch weiter gebremst, gegängelt und durch bürokratische Winkelzüge an die Kette gelegt werden.

Den Bürger an die Kette legen

Die Rede ist von der Photovoltaik, von Solargeneratoren. Doch gemeint ist der Bürger, ist der freie Unternehmer. Ihnen wird künftig noch stärker verwehrt, preiswerten und sauberen Sonnenstrom zu nutzen, um die Ausgaben der privaten Haushalte und die Energiekosten der Unternehmen zu senken. Für die Kommunen wird es noch schwieriger, ihre angespannte Finanzlage durch Investitionen in Solarstrom aufzubessern.

Daran ändert auch nichts, dass einige Städte und Bundesländer über Baupflichten für Solaranlagen nachdenken. Sonnenstrom wird derzeit künstlich durch die EEG-Umlage auf den Eigenverbrauch, unsinnige Vorschriften für die Messtechnik, Restriktionen beim Strom für Mieter und Nachbarn und durch bürokratische Hürden für Stromspeicher verteuert.

Das ist der Grund, warum viele Bauherren und Sanierer zurückschrecken. Es wäre sehr einfach, eine starke Dynamik in den Zubau zu bringen – mit weniger Vorschriften und weniger Abgaben.

Weniger Staat, mehr Engagement der Bürger

Es geht um weniger Staat und mehr Engagement seiner Bürger. Deshalb ist das EEG 2021 ein Prüfstein, ob der Bundestag überhaupt noch ein demokratisches Gremium ist. Wird er von Lobbyisten dominiert oder von den Abgeordneten, die sich ihrem Gewissen und ihren Wählerinnen und Wählern gegenüber in der Pflicht fühlen?

Als Willy Brandt 1969 die erste sozialdemokratisch-liberale Koalition in der Geschichte der Bundesrepublik bildete, überschrieb er seine Regierungserklärung mit dem Titel: Mehr Demokratie wagen! Bis dahin hatte die nach dem Krieg gegründete CDU zwanzig Jahre lang in Bonn regiert, entweder mit der SPD oder den Liberalen als Juniorpartner.

Nun übernahm erstmals die Opposition die Regierung, was schlechthin die Grundlage aller demokratischen Systeme ist – seit Oliver Cromwell. Willy Brandt sagte damals: „Wir sind nicht am Ende unserer Demokratie, wir fangen erst an!“

Wir fangen erst an

An solch einem Wendepunkt, solch einer Zäsur stehen wir heute wieder. Denn Politik hat nur eine Aufgabe: Den Bürgerinnen und Bürgern ein friedvolles Leben in Würde und Anstand zu ermöglichen. Dazu muss sie die drängenden Probleme lösen, wie den Klimawandel, die Flüchtlingsströme, Corona oder den technologischen Wandel in der Wirtschaft.

Sie muss Entwicklunsspielräume öffnen, und genau das hat die EU in der vergangenen Woche geschafft. Nun muss auch der deutsche Bundestag zeigen, dass seine Abgeordneten nicht nur Demokratie heucheln. Sondern entscheiden, um Probleme zu lösen. Um die Chancen zu nutzen.

Keine Demokratie ohne Sonnenstrom!

Echte Demokratie, echte Beteiligung des Bürgers, ist nur mit der dezentralen Eigenstromversorgung möglich. Denn nach dem Militär ist der politisch-industrielle Komplex in der Energiewirtschaft die größte Bremse der politischen und gesellschaftlichen Modernisierung: Das haben wir in der DDR gesehen, das sehen wir in Frankreich und Russland, das sehen wir – leider – auch in der Bundesrepublik unserer Tage.

Nach 16 Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel und der Großen Koalition haben sich seltsame Unsitten verfestigt. Kaum, dass die Abgeordneten der Regierungskoalition mit Gesetzentwürfen agieren. Das überlassen sie mittlerweile fast gänzlich den von ihnen beherrschten Ministerien, zum Beispiel dem Bundeswirtschaftsministerium.

Die Legislative entmündigt sich selbst

So übernehmen die Beamten – eigentlich die Exekutive – einen wichtigen Auftrag von der Legislative, so entmachten sich die Abgeordneten selbst. Es ist für die Demokratie sehr schädlich, wenn es zwar freie Wahlen gibt, die Abgeordneten aber nach ihrer Wahl ihre Stimme an der Parteigarderobe abgeben, sich dem Koalitionszwang unterwerfen und vorgefertigte Gesetze nur noch abnicken.

Derzeit nutzt die Große Koalition ihre satte Mehrheit, um jede Opposition – und sei sie sachlich noch so gut begründet – arrogant an die Wand zu spielen. Machterhalt wird wichtiger als die Lösung der Probleme. So gesehen, ist die Große Koalition die undemokratischste Herrschaftsform – nach der frei gewählten Diktatur.

Kein Willy in Sicht

In dieser Woche liegt das EEG 2021 erneut im Bundestag. Der Bundesrat hat es faktisch abgelehnt, die Kritik der Fachleute und Verbände füllt etliche Regalmeter. So gerät das wichtigste Gesetz für erneuerbaren Energien zum Prüfstein, ob wir (noch) in einer Demokratie leben. Ob Peter Altmaier (CDU) weiterhin den Schwarzen Peter der Energiewende spielen und mit seinen Beamten auf die Bremse drücken darf.

Leider: Ein neuer Willy Brandt ist nicht in Sicht. Olaf Scholz (SPD) ist ein mittelmäßiger, engstirniger Apparatschik, der den Untergang der einstmals wichtigen Sozialdemokratie verwaltet. Die Liberalen, die 1969 mit Walter Scheel an der Spitze der SPD zum Kanzleramt verhalfen, sieht einen zänkischen Kleingeist an ihrer Spitze.

Bleiben also die Grünen, die ihr Verhältnis von Demokratie und Staat noch finden müssen. Doch das lernt man nur in der Regierungsverantwortung. Es wird Zeit für einen neuen, epochalen Wechsel im Kanzleramt – wie 1969.

Neben den Grünen ruht die Hoffnung auf jenen konservativen Kreisen, die weder Merkel noch Merz akzeptieren können. Weil ihnen ein Rest christlicher Verantwortung für die Menschen und die Schöpfung – trotz 16 Jahre währender Regierung – nicht abhanden gekommen ist.

EEG 2021 – Die Kritik im Überblick

In den vergangenen Wochen wurde das neue EEG im Bundestag behandelt, auch der Bundesrat gab sein Votum ab. Wir dokumentieren die Kritik und die Forderungen:
Bundesrat: Eigenverbrauch bis 30 kW stärken

KMU-Verband: EEG-Novelle ist Frontalangriff auf den Mittelstand

Umfrage: Zwei Drittel für mehr Solaranlagen auf Dächern

EEG-Novelle 2021: Acht Milliarden Euro Schaden bis 2030

Stuttgart fordert: Agriphotovoltaik soll ins EEG

BSW: 2021 droht Stilllegung tausender Solaraltanlagen

Verbände fordern Stärkung der Bürgerenergie

EEG-2021: Pragmatismus statt Schweinsgalopp!

Detlef Neuhaus von Solarwatt: „Wir brauchen keine neuen Bremsen!“

Photovoltaik 2021: Alleiniger Motor der Energiewende?

BSW Solar: EEG-Novelle verstößt gegen Europarecht

Alle Blogs auf einen Blick!

Die Blogbeiträge unseres Chefredakteurs zum geplanten EEG gibt es hier in der Übersicht:

EEG 2021: Blauer Dunst aus Wasserstoff

EEG 2021: Dächer zu verschenken?

EEG 2021: Lenins Plan reloaded

EEG 2021: Negative Preise, negative Stimmung

EEG 2021: Engpass schaffen – für nukleare Renaissance?

EEG 2021: Die Diktatur der Lobbyisten

Referentenentwurf: Die dunkle Seite der Macht

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