Die Wesermarsch ist eine Gegend, in der mehr Ökostrom erzeugt wird, als die wenigen Einwohner hier überhaupt verbrauchen. Neben der Windkraft ist auch die Photovoltaik in den vergangenen Jahren auf dem Vormarsch. Und sie hat in diesem Jahr Zuwachs bekommen.
Der neue Solarpark ist kaum zu übersehen. An ihm muss jeder vorbei, der aus der Kreisstadt Brake nach Ovelgönne kommt. Viel Platz und wenig Bevölkerung – für einen Solarpark ist das ein nahezu perfekter Standort, wenn es darum geht, den Solarstrom einfach ins Netz einzuspeisen. Für den Eigenverbrauch sind das wiederum die schlechtesten Voraussetzungen. Es gibt kaum jemanden, der den Strom vor Ort verbrauchen könnte. So speist der neue Solarpark komplett ins Mittelspannungsnetz des Oldenburger Energieversorgers EWE ein, der auch gleich die Direktvermarktung des Stroms an der Börse übernommen hat.
Übergangsfrist genutzt
Am Ende wäre es dann fast noch knapp geworden. Schließlich musste die Anlage bis Ende August 2015 stehen. Denn zu diesem Zeitpunkt endete die Übergangsfrist, die der Gesetzgeber den Solarparks gewährt hat, deren Bau bereits beschlossene Sache war. „Wir wollten mit dem Solarpark nicht in die Ausschreibungen gehen“, erklärt Dennis Schmitter, Projektingenieur beim Ingenieurnetzwerk Energie (Ineg), einem genossenschaftlich organisierten Ingenieurbüro in Oldenburg. Er hat den Auftrag bekommen, den neuen Solarpark zusammen mit seinen Kollegen zu planen und den Bau zu überwachen.
Die Energiegenossenschaft Wasser-Sonne-Wind (Wasowi), die die Anlage finanziert hat und betreiben wird, konnte mit dem Generator auch nicht in die Ausschreibungen gehen. Der Park ist ausschließlich mit Komponenten aus Deutschland gebaut. Das ist nicht ganz billig und mit der Marktprämie, die für den wirtschaftlichen Betrieb der Anlage notwendig gewesen wäre, hätte die Genossenschaft wohl kaum eine Chance gehabt.
Das Konzept stand lange fest. Denn die Energiegenossenschaft hat schon früher gute Erfahrungen mit deutschen Komponenten gemacht. Der neue Generator steht direkt neben einer Anlage, die Dennis Schmitter und seine Kollegen im Jahr 2012 gebaut haben. Damals investierte die Energiegenossenschaft etwas mehr Geld, um den Park mit deutschen Komponenten zu bauen. „Sicherlich ist dabei die Investitionssumme höher“, gibt Dennis Schmitter zu. „Doch in der Wirtschaftlichkeitsberechnung stehen auch die Kosten für Reparaturen und die Wartung der Anlage mit drin. Die hängen mit davon ab, welche Komponenten verbaut wurden. Das kann den Mehrpreis, den der Investor für ein Modul aus einheimischer Herstellung bezahlt, schon wieder aufwiegen.“
Denn die Betreiber gehen davon aus, dass die Module und alle anderen Komponenten länger halten. „Zudem kommt es den Energiegenossenschaften in der Regel nicht ausschließlich auf die Rendite aus der Anlage an, sondern auch auf die regionale Wertschöpfung“, weiß der Oldenburger Projektingenieur.
Am 29. Juli war es so weit. Der neue Solarpark von Ovelgönne ging gemäß den Vorschriften des EEG in Betrieb. Der Netzanschluss erfolgte dann Mitte September, nachdem die EWE die Netzanschlussstation installiert hatte.
Ursprünglich wurde die Fläche als Gewerbegebiet ausgewiesen. Doch haben sich gerade mal drei Unternehmen hier angesiedelt. Der größte Teil der Fläche lag jahrelang brach. Im Jahr 2012 hat die Energiegenossenschaft den ersten Solarpark mit einer Leistung von einem Megawatt gebaut. „Diese Anlage entstand damals mit Modulen und Montagesystemen von Solarworld“, erinnert sich Schmitter.
Der Wind drückt auf die Module
Für die neue Anlage griffen die Ingenieure aus Oldenburg auf ein Montagesystem von PUK Solar aus Berlin zurück. „Da wir schon den Solarpark in Nordenham mit den Gestellen von PUK Solar errichtet haben, hatten wir die statischen Berechnungen sozusagen schon in der Schublade, was die Genehmigung erheblich erleichterte“, erklärt Dennis Schmitter. „In Regionen, wo ein Gestell aus Aluminium schwer nachzuweisen war, ist so ein Stahlgestell besser. Das kennt jeder Prüfer beim Amt und er kann die statischen Werte relativ leicht nachprüfen.“
Die Statik spielt hier in der Wesermarsch eine entscheidende Rolle. Schließlich steht die Anlage nicht weit von der Nordseeküste entfernt. Die Region liegt in Windzone 4. Hier fegen manchmal schwere Stürme mit Windgeschwindigkeiten von gut 100 Kilometern pro Stunde über das flache Land. Das müssen die Gestelle aushalten. Bis zu 1,8 Meter tief stecken die Gestellpfosten im harten Kleiboden.
Der Boden hat den Vorteil, dass er sehr fest und ohne Steine ist. So können die Pfosten relativ leicht eingerammt werden. Doch er hat den Nachteil, dass er nahezu kein Wasser durchlässt. „Dadurch kann bei Regen das Wasser nicht versickern, sondern muss abgeleitet werden“, weiß Dennis Schmitter. Deshalb ist der gesamte Solarpark von einem System aus Drains durchzogen, über die das Wasser in Gräben abgeleitet wird, die die einzelnen Bereiche der Anlage umgeben.
Module kommen aus Prenzlau
Auch für die Module griffen die Projektierer auf einen deutschen Hersteller zurück. Dieses Mal kamen die Paneele aber nicht aus Freiberg von Solarworld, sondern aus Prenzlau von Aleo Solar.
Ganz unproblematisch war das nicht. Die Prenzlauer konnten die bestellten polykristallinen Module nicht mehr liefern. Der Grund waren die Antidumpingzölle. Aleo Solar fertigt seine polykristallinen Module mit Zellen aus Taiwan. Diese fallen seit Mai dieses Jahres auch unter die Antidumpingregelungen der Europäischen Kommission. „Aleo Solar konnte dann nicht mehr zusichern, die Menge an polykristallinen Modulen innerhalb der Frist liefern zu können“, erinnert sich Dennis Schmitter. Der Zeitpunkt der Inbetriebnahme und damit das gesamte Wirtschaftlichkeitsmodell stand auf der Kippe.
Es musste schnell eine neue Lösung her. Zu diesem Zeitpunkt standen die Untergestelle schon. Diese waren wiederum auf die recht ungewöhnliche Geometrie der Module von Aleo Solar zugeschnitten. Die Lösung macht den Solarpak in Ovelgönne zu einer ganz besonderen Anlage.
Keine gemischten Strings
Aleo Solar bot an, monokristalline Module mit den gleichen Abmessungen wie die ursprünglich geplanten polykristallinen Paneele zu liefern. So kamen insgesamt 6.336 monokristalline Module nach Ovelgönne, die die Monteure von PUK Solar auf die Gestelle geschraubt haben.
Doch Aleo konnte auf die Schnelle nicht alle Module mit einer Leistungsklasse liefern. So haben die Monteure in Ovelgönne 1.804 Module mit einer Leistung von 280 Watt und 4.532 Module mit einer Leistung von 285 Watt verbaut. Das stellte die Planer vor eine Herausforderung. Sie haben es aber geschafft, alle Strings jeweils mit Modulen einer Leistungsklasse zusammenzuschalten und separat auf die einzelnen Bereiche des Solarparks aufzuteilen. „Wir haben die Mengen so bestellt, dass es genau aufging und wir keine gemischten Strings bauen mussten“, erklärt Dennis Schmitter. Insgesamt sind 41 Strings mit jeweils 44 Modulen mit einer Leistung von 280 Watt und 103 Strings komplett mit Modulen mit einer Leistung von je 285 Watt aufgebaut.
Sauber verschaltet
Für die Planung haben Dennis Schmitter und seine Kollegen grundsätzlich ihr eigenes Rezept. Während andere Planer von der zur Verfügung stehenden Fläche ausgehen, die Modultische auf diese Fläche setzen und dann erst die Modulverschaltung planen, gehen die Oldenburger von der anderen Seite heran. Sie planen zuerst die Verschaltung der Module und teilen diese dann auf Tische auf, die auf die Fläche geplant werden.
Das Ziel dabei ist, dass die einzelnen Reihen auch komplett mit fertigen Strings verschaltet sind. „Es ist nicht nur bei der Installation einfacher, sondern auch bei der Wartung, wenn der Elektriker weiß, dass an einem Ende der Tischreihe ein String anfängt und am anderen Ende ein String aufhört“, erklärt Schmitter. „Dann passieren beim Aufbau der Anlage auch viel weniger Fehler. Das geht manchmal ein bisschen auf Kosten der Leistung. Aber dafür geht die Verschaltung bei unserer Planung immer auf.“
In Ovelgönne haben sie diesen Nachteil durch einen geringeren Anstellwinkel ausgeglichen. Einst war die Anlage mit einem Megawatt geplant. Doch durch die Reduzierung des Anstellwinkels von 30 auf 20 Grad konnte die Leistung um 800 Kilowatt erhöht werden. „Zwar ist dadurch der Winkel der Module zur Sonne nicht optimal“, sagt Dennis Schmitter. „Doch der geringere Ertrag ist zu verschmerzen, weil wir dafür deutlich mehr Leistung auf die gleiche Fläche bekommen haben.“
Auf Zentralwechselrichter gesetzt
Die Änderung des Konzepts auf die monokristallinen Module ist aber nicht ganz unproblematisch. Denn das Wechselrichterkonzept war ursprünglich auf die Leistung der polykristallinen Paneele ausgelegt. „Jetzt sind die Wechselrichter leicht unterdimensioniert“, erklärt Schmitter. „Sie laufen aber noch im zulässigen Bereich. Wir werden erst einmal ein Jahr abwarten, ob wir merken, dass tatsächlich im Sommer Leistung abgeschnitten wird. Danach entscheiden wir, ob wir die Wechselrichter noch einmal entsprechend nachrüsten.“
Derzeit übernehmen zwei Zentralwechselrichter von SMA mit einer Nennleistung von jeweils 720 Kilovoltampere die Umwandlung des Gleichstroms aus den Solarmodulen in netzkonformen Wechselstrom. Diese Leistung bringt der Wechselrichter bei einer Umgebungstemperatur von 50 Grad Celsius, die aber hier an der windigen Nordseeküste kaum erreicht wird. Sinkt die Umgebungstemperatur auf 25 Grad Celsius, steigt die Bemessungsleistung auf 792 Kilovoltampere, wodurch die Mehrleistung der Module schon wieder aufgefangen werden kann. Sollte das nicht ausreichen, steht noch die Aufrüstung der Wechselrichter auf die nächste Größe als Option zur Verfügung. Dann würden die Geräte immerhin 760 – beziehungsweise bei 25 Grad Celsius 836 – Kilovoltampere leisten.
Dieses Problem hätten die Planer aus Oldenburg leicht mit Stringwechselrichtern umgehen können. Aber die Entscheidung für zentrale Wechselrichter haben die Ingenieure bewusst getroffen. „Diese großen Wechselrichter sind ein anderer Standard und in solchen großen Anlagen viel unproblematischer im Betrieb“, erklärt Dennis Schmitter. „Bei vielen Stringwechselrichtern in einer Anlage haben wir immer wieder das Problem, dass die sich gegenseitig beeinflussen.“
Zudem rechnen sich die Zentralwechselrichter auch wirtschaftlich. Zwar ist die Markenware aus dem hessischen Niestetal etwas teurer als preiswerte Stringwechselrichter. „Aber der Preisunterschied relativiert sich, da wir dann nicht so viele dicke Leitungen auf der Wechselstromseite und keine Wechselstromsammler brauchen“, erklärt Schmitter. Denn in der Regel werden die Stringwechselrichter in Sammlungen zusammengeführt und dann mit dicken Kabeln an die Transformatoren angeschlossen. „Diese Kästen sind nicht billig, wenn man sie normgerecht mit Schaltelementen und Sicherungen ausführt“, weiß der Projektingenieur aus Oldenburg.
Preisunterschied relativiert sich
So kann der gesamte Park ausschließlich mit Gleichstromkabeln bestückt werden. Diese laufen von den einzelnen Modulen auf die Generatoranschlusskästen, die Padcon aus Kitzingen angeliefert hat. Die Kästen der Franken sind wiederum preiswerter als die Geräte von SMA. Allerdings haben sie keine Stringüberwachung. „Das ist hier kein Problem, da wir diese Überwachung eigentlich nur bei zeitweiliger Verschattung brauchen“, sagt Schmitter. Bei solchen Anlagen weiß niemand, ob eine Minderleistung eines Teils der Anlage auf die Verschattung zurückzuführen ist oder ob tatsächlich ein Fehler vorliegt. Diese Frage stellt sich in Ovelgönne nicht. Weit und breit steht kein Hindernis, das einen Schatten auf die Module werfen kann. Sollte ein Teil des Generators weniger Leistung liefern, ist klar, dass es sich um einen Defekt handelt.
Regelrechte Testanlagen
Am Ende haben die Mitglieder der Energiegenossenschaft 1,8 Millionen Euro in die Anlage investiert. „Jetzt müssen sich die monokristallinen Module im Vergleich zu den polykristallinen Modulen von Solarworld auf der ersten Anlage beweisen“, sagt Dennis Schmitter. „Sie müssen mehr Ertrag bringen.
Damit ist der neue Solarpark in Ovelgönne nicht nur mit vielen Spezialitäten gespickt. „Wir können hier direkt miteinander vergleichen, was die monokristallinen Module im Unterschied zu den polykristallinen Paneelen wirklich bringen“, erklärt Schmitter die Idee. „Das Wetter ist immer für beide Anlagen gleich. Die Wechselrichter beider Anlagen haben etwa den gleichen Wirkungsgrad, und auch die Wechselrichterauslegung ist bei beiden Anlagen ähnlich. Die Module sind zwar unterschiedlich steil aufgeständert. Aber beide Anlagen haben Einstrahlungssensoren, sodass man das darüber relativ leicht abgleichen kann.“ So werden die beiden Solarparks in Ovelgönne regelrechte Testanlagen.
WaSoWi Energie eG
Wolliges Pflegekonzept
Der Solarpark in Ovelgönne ist nicht nur ausschließlich mit Komponenten aus Deutschland gebaut. Auch für die Pflege der Anlage setzt die Energiegenossenschaft auf ein nicht ganz gewöhnliches Konzept. Statt den Rasen unter den Modulen mit schweren Maschinen zu stutzen, übernehmen Schwarzköpfige Fleischschafe das Mähen.
Das hat gleich zwei Vorteile. Schließlich ist der Boden, auf dem die Anlage steht, sehr fruchtbar. Hier wächst das Gras ziemlich schnell nach. Schon nach wenigen Monaten, in denen der Generator gebaut wurde, stand das Grün kniehoch über dem Boden. Innerhalb weniger Wochen haben die Schafe die Grashalme auf eine niedrige Höhe wieder abgefressen. Jetzt bleiben die Tiere auf dem Gelände und halten das Gras kurz.
Das Konzept bot sich zudem an, da es hier in der Gegend um Ovelgönne viele Deichschäfereien gibt. Eigentlich haben die Tiere die Aufgabe, das Gras auf den Nordseedeichen kurz zu halten. Dankbar übernehmen sie diese Arbeit aber auch hier im Solarpark. Die Deichschafe sind außerdem gerade für Anlagen an der Nordseeküste gut geeignet, da sie relativ klein sind. Denn aufgrund der hohen Windlast können die Unterkonstruktionen nicht zu hoch gebaut werden. In Ovelgönne liegt die Modulunterkante auf einer Höhe von 80 Zentimetern. Die kleinen Deichschafe passen perfekt darunter. So können sie die Paneele nicht beschädigen.