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Bauchgefühl der Datenlogger

Allein im vergangenen Jahr ist die neu installierte Leistung von Photovoltaikanlagen weltweit um 109 Gigawatt gewachsen. Das entspricht laut Bloomberg New Energy Finance einem Wachstum von zehn Prozent gegenüber dem Jahr 2017. Im Vergleich dazu wurden im Jahr 2000 gerade einmal 100 Megawatt neu gebaut.

Zubau beschleunigt sich

Der Trend ist klar: Der solare Zubau wird sich immer weiter beschleunigen. Der Branchenverband Solarpower Europe geht davon aus, dass 2022 insgesamt mehr als 1.000 Gigawatt Solarstromleistung am Netz sein werden.

Immer öfter werden die Anlagen sogar komplett ohne garantierte staatliche Förderung gebaut. Der Abschluss direkter Stromlieferverträge ist auf dem Vormarsch.

In der Zwischenzeit werden Bestandsanlagen immer älter und damit auch anfälliger für Ertragsverluste. Der enorme Zubau macht ein effizientes Monitoring und regelmäßige Wartung nur noch wichtiger. Monitoring-Dienstleistungen unterliegen deshalb selbst einem zunehmenden Kostendruck.

Bereits 2017 sanken die Kostenpauschalen innerhalb eines Jahres um 30 Prozent auf zehn Euro pro installiertem Kilowatt und Jahr. Allerdings ist der Markt für Monitoringsysteme nach wie vor intransparent. Die Kostenstruktur der unterschiedlichen Systeme ist nicht leicht zu durchschauen, Anbieter benennen dieselben Features und Werkzeuge unterschiedlich.

Dem noch jungen Markt fehlen Standards und Normen, wie man sie beispielsweise vom etablierten Automarkt kennt. Für technische Betriebsführer ist es daher kompliziert, die für ihr Anlagenportfolio passende Software auszuwählen. Auch weil die meisten Installateure ein gemischtes Portfolio aus privaten, gewerblichen und industriellen Anlagen verwalten, vielleicht sogar den ein oder anderen Solarpark mitbetreuen. Auf der Grundlage einer frei zugänglichen Produktdatenbank im Internet mit insgesamt 71 freiwillig registrierten Systemen hat Solytic eine Marktübersicht über aktuell verfügbare Monitoringsoftware erstellt. Mit ihrer Hilfe ist zum ersten Mal ein aussagekräftiger Direktvergleich zwischen unterschiedlichen Anbieterlösungen möglich.

Unser Vorstoß soll nur ein Anfang sein. Als junges Unternehmen glauben wir, dass alle Marktteilnehmer von einer transparenten Entwicklung profitieren, vor allem aber Kunden und Nutzer der Software, die ab sofort besser wissen, was sie für ihr Geld bekommen.

Gewerbeanlagen noch unterm Radar

Bei der technischen Betriebsführung von Photovoltaikanlagen wird zwischen drei Segmenten unterschieden: erstens Großkraftwerken, zweitens industriellen und Gewerbeanlagen sowie drittens kleinen Eigenheimanlagen.

Bei den großen Solarkraftwerken sind alle Hardwarekomponenten wie Wechselrichter und Datenlogger untereinander und auf die Software abgestimmt. Hier sind Profis am Werk, denen meist eine individuelle IT-Infrastruktur zur Verfügung steht. Im privaten Bereich lohnt sich dagegen der Einsatz einer relativ teuren Software nicht. Eigenheimbesitzer operieren deshalb vielfach mit kostenlosen Tools, die die Wechselrichterhersteller häufig direkt mit anbieten.

Spannend wird es im mittleren Segment von industriellen und gewerblichen Anlagen. Derzeit gibt es kein passendes professionelles Angebot für technische Betriebsführer, bei dem die Kosten in einem verträglichen Verhältnis zu den erwartbaren Erträgen stehen. Eine abgestimmte High-End-IT-Infrastruktur ist für mittelgroße Betreiber schlicht zu teuer. So werden oftmals verschiedene Softwarelösungen für die Betreuung eines Portfolios genutzt, was dazu führt, dass sich Betriebsführer mehrfach gesondert einloggen müssen oder gar eine Eigenlösung über die Jahre aufgebaut haben.

Wir glauben, dass Monitoring unabhängig von der Hardware funktionieren sollte, da eine unabhängige Überwachung diverse Vorteile hat. Nur so ist das Monitoring neutral gegenüber den Herstellern von Komponenten und unabhängig von deren Garantien.

Wildwuchs bändigen

Die von Solytic programmierte Lösung nutzt deshalb in einem ersten Schritt vorhandene Geräteschnittstellen, integriert verschiedene Systeme und führt sie einfach zusammen. Der Wildwuchs an Technologie wird gebändigt und in unserem Portal zentral betreut.

Zweitens macht es die Ausgestaltung unserer Software möglich, ein Portfolio aus vielen unterschiedlichen Anlagen gleichzeitig und effizient zu betreuen, ohne sich in jede Anlage gesondert einloggen zu müssen. Verschiedene Monitoringsysteme zu benutzen, bedeutet schlichtweg Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Ein einheitliches System für alle Anlagen löst dieses Problem. Um dem Nutzer Zeit zu ersparen, bereitet Solytic drittens die erhobenen Informationen für den Kunden visuell auf. Seine Daten soll er direkt im Portal auswerten können und sie nicht erst in ein extra Excel-Dokument übertragen müssen.

Solarteure als Partner

Wir betrachten Projektierer, Solarteure und technische Betriebsführer als Partner. Mit unserer Hilfe sollen sie wirtschaftlicher arbeiten und dem steigenden Kostendruck in der Branche standhalten können. Unsere Software ermittelt verlässlich, wenn eine Anlage keine optimalen Erträge liefert. Ob Isolationswiderstände, Netzfrequenz, Netzspannung oder der MPP – alles wird in die umfassende Analyse einfließen und eine schnelle Reaktion ermöglichen. Denn Solytic hat die Vision, einen effizienten Marktplatz zu schaffen, der technische Betriebsführer und Anlagenbesitzer zusammenführt, um gemeinsam das meiste aus den Anlagen herauszuholen.

Ein Beispiel: Läuft bei einer Anlage mit insgesamt drei Wechselrichtern einer davon heiß, stimmt die prognostizierte Leistung nicht und weicht von den normalen Werten ab. Unsere Monitoringsoftware schlägt in diesem Fall sofort an und informiert den Betriebsführer beispielsweise via E-Mail. Weil sie den Fehler zudem exakt bestimmen kann, erspart sie dem Techniker vor Ort Zeit und er kann den Umrichter zügig reparieren, sodass sich der entstandene Schaden für den Anlagenbesitzer in Grenzen hält.

Alles aus einer Hand

Für Gewerbeanlagen kann Solytic bereits ein Basismonitoring anbieten, das Ist-Daten erfasst und Tickets, also kleine Reports, verschickt. Über ein Kommunikationsmodul werden E-Mails direkt aus dem System generiert und ertragsrelevante Fehler automatisch an die Anlagenbetreiber oder Betriebsführer übermittelt. Im Kundenportfolio können mehrere Anlagen parallel eingesehen und überwacht werden. Derzeit entwickeln wir neue Funktionen und arbeiten daran, weitere technische Geräte einzubinden, sodass der Markt komplett abgedeckt wird.

Besonders wichtig war und ist uns dabei, dass der selbsterklärende Nutzerzugang erhalten bleibt und unsere Kunden das Portal auch weiterhin intuitiv bedienen können. Das dynamische Marktumfeld verlangt, dass sich die Software an die immer neuen Bedürfnisse ihrer Nutzer anpasst, nicht umgekehrt. Dabei folgen wir der Priorisierung unserer Kunden: Funktionen, die häufiger genutzt werden und ein hohes Automatisierungspotenzial besitzen, stehen bei unseren Entwicklern ganz oben auf der Umsetzungsliste.

Künstliche Intelligenz und das sogenannte Machine Learning werden die Arbeit der Techniker künftig radikal verändern. Solytic will das Potenzial digitaler Technologien und der Automatisierung nutzen, um die Betriebskosten noch deutlicher zu senken. Alarmmeldungen werden präzise eingestellt sein, Parameter automatisch anlagengenau abgestimmt werden. Die Überwachung der technischen Systeme wird sich detailliert an die relevanten Bedingungen vor Ort anpassen. Diese Entwicklung führt dazu, dass technische Betriebsführer wesentlich mehr Anlagen parallel betreuen können.

Nach unseren Recherchen liegen die Marktkosten für ein Monitoring derzeit im Schnitt bei über 80 Cent pro Kilowatt und Jahr. Solytic kann die gleiche Leistung für gerade mal ein Viertel des Betrags, also 20 Cent pro Kilowatt und Jahr, anbieten, der Mindestpreis für die Dienstleistung liegt pro Kunde bei 60 Euro jährlich. Um die Anlagendaten zu registrieren, kommen einmalige Einrichtungskosten von 50 Cent pro Kilowatt Leistung hinzu.

Schleichende Fehler beobachten

Obwohl nicht jede Entwicklung vorab antizipiert werden kann, lassen sich Veränderungen im Hintergrund mittels künstlicher Intelligenz erfassen. Denn kleine Abweichungen von den normalen Werten lösen nicht zwingend eine Alarmmeldung aus, können aber durchaus wirtschaftlichen Schaden erzeugen. Erst wenn die Abweichung systemrelevant ist, wird ein automatisches Meldeticket erzeugt. Mit der Software von Solytic werden Trends, die sich sukzessive entwickeln, jedoch immer wahrgenommen und fortlaufend im Hintergrund auf ihren Schweregrad hin überprüft, vergleichbar dem Bauchgefühl eines Menschen.

Es ist nicht ganz einfach, ein technisches Bauchgefühl zu programmieren. Bereits den Solarstromertrag richtig zu messen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe, da die Software nur die Rohdaten vom Wechselrichter und keine exakten Daten vom Einspeisezähler bekommt. Eine genaue Analyse benötigt weit feinere Werte, als sie der Umrichter ausgibt. Solytic sammelt deshalb zusätzlich weitere, externe Werte, zum Beispiel bezüglich des Wetters, und sämtliche Metadaten der Anlage. Wie viele Module hängen in einem String, wie sind sie verschaltet, wie ist ihre Ausrichtung und Neigung, welche Wechselrichter und Module wurden verbaut?

Der digitale Zwilling

Abgesehen von den Messdaten des Wechselrichters nutzen wir Satellitendaten, die es uns ermöglichen, Einstrahlungswerte für die spezifische Geoposition einer Solaranlage zu berechnen. Die sich daraus ergebende Analyse ermittelt einen technischen Sollwert, der unsere eigenen monatlichen oder wöchentlichen Messdaten überwiegend bestätigt. Auf Tagesbasis gibt es je nach Wetterlage deutliche Abweichungen.

Das physikalische Modell des digitalen Zwillings wurde ursprünglich von der US-Raumfahrtbehörde Nasa vorgeschlagen. Ingenieure bauten ein digitales Double, weil sie nicht mehr so leicht an den Satelliten oder die Raumstation kommen, sobald diese im All schweben.

Jeder Knotenpunkt der technischen Geräte sendet Live-Daten, um auch in der Bodenstation stets einen Überblick zu haben und Einsätze präzise planen zu können. Da große Solaranlagen ebenfalls relativ entlegen in ländlichen Gebieten stehen, haben wir diese Vorgehensweise auf die Photovoltaik übertragen.

Anreisen erhöhen die Kosten

Nötige Anreisen eines Solarteurs erhöhen stets die laufenden Kosten – und machen die Anlage im schlimmsten Fall sogar unrentabel. Bei Solytic kann jeder Modulstring und jeder Wechselrichter im Portal eingesehen werden, wenn es die Rohdaten hergeben. Ebenso wie die Ingenieure in der Luft- und Raumfahrt kann der Betriebsführer kurzfristig auf Veränderungen an der Anlage reagieren und einen Solarteur beauftragen, um Ersatzteile rechtzeitig zu beschaffen und die Route für seinen Arbeitstag besser zu planen.

Am Ende bestimmt allerdings die kaufmännische Bewertung der Daten, ob eine Reparatur durchgeführt wird.

Nicht nur die Solarbranche wächst wieder, auch Solytic wird wachsen und am 8. März 2019 das Portal Suntrol des insolventen Modulherstellers Solarworld übernehmen. Für die weltweit 27.500 registrierten Nutzer bleibt die Monitoringlösung nach der Übernahme kostenfrei.

Gleichzeitig werden wir Suntrol mittelfristig mit eigenen Funktionen und zusätzlichen Leistungen weiterentwickeln. Wir standen mit den Kollegen von Solarworld seit Ende 2017 in Kontakt. Die zweite Insolvenz des Modulherstellers verhinderte den Projektstart, doch lief Suntrol seit März 2018 zur Sicherung aller Daten auf den Servern von Solytic. Aktuell bildet das Portal für über 23.000 Solaranlagen mit knapp 330 Megawatt alle wichtigen Leistungs- und Ertragsdaten ab. Nach der Übernahme werden wir die Software des Portals verbessern und an einer Lösung für die belastenden Ausfälle arbeiten.

Vattenfall ist eingestiegen

Auch der Energiekonzern Vattenfall hat das Potenzial der Photovoltaik erkannt. Anfang 2018 haben sich die Schweden mit rund drei Millionen Euro als strategischer Investor an Solytic beteiligt. Weitere Finanzierungsrunden sind geplant. Darüber hinaus suchen wir aktiv nach Kooperationsmöglichkeiten, um den Anlagenbetreibern ein Produkt an die Hand zu geben, das ihre Erträge optimiert und die Kosten gering hält.

Eine kosteneffiziente Energiewende mit einer zuverlässigen Solarstromproduktion kann nur das Ziel aller Beteiligten sein.

www.solytic.com

Der Autor

Johannes Burgard

ist Gründer und CEO von Solytic. Er verantwortet die Produktentwicklung und die strategische Unternehmensentwicklung. Zuvor leitete er bei den Konzernen CLAAS sowie Airbus Projekte mit dem Schwerpunkt Industrie 4.0. Der Ingenieur studierte an der RWTH Aachen und absolvierte einen MBA an der ESADE Business School in Barcelona.