Innovationen treiben die Photovoltaikmärkte überall auf der Welt. Welche Trends sehen Sie in der Solartechnologie, vor allem bezüglich der Speicherung von Sonnenstrom?
Lior Handelsman: Zunächst denke ich, dass noch viele technische Innovationen notwendig sein werden, um die Photovoltaik konkurrenzfähig mit anderen Erzeugungstechnologien zu machen. Speichersysteme haben dabei eine zentrale Bedeutung. Jedermann treibt die Lithiumtechnik voran, aber ich bin mir nicht sicher, ob das der Weisheit letzter Schluss sein wird. Wenn wir kommerziell erfolgreich in den Märkten sein wollen, dürfen wir uns nicht zu sehr auf eine bestimmte Technologie verlassen. Doch natürlich, in den Lithiumbatterien steckt noch ein großes Potenzial. Das haben wir gesehen, als Tesla im vergangenen Sommer die neue Batterie für Endkunden ankündigte. Wirklich überraschend war der Preis.
Solaredge ist Systempartner von Tesla. Wie eng arbeiten Sie bei neuen Speichersystemen zusammen?
Wir sind nicht ausschließlich an Tesla gebunden, nichtexklusive Verträge sind besser. Denn wir wollen unser Storedge-System auch für andere Batterielieferanten öffnen. Das wird Zeit brauchen, vielleicht im kommenden Jahr oder in den nächsten beiden Jahren. Zunächst nutzen wir die Powerwall von Tesla.
Eigentlich besteht Ihr Geschäft in der Entwicklung und im Vertrieb von modulbasierten DC-Optimierern für Solargeneratoren. Wie viele dieser Power Optimizer haben Sie bislang verkauft?
Im dritten Quartal 2015 haben wir die Grenze von acht Millionen Optimierern überschritten. Alle drei Monate produzieren wir weitere 1,5 Millionen Geräte.
Wie viele Wechselrichter fertigen Sie im Jahr?
Jeden Tag verlassen rund 2.400 Wechselrichter die Fabrik unseres Zulieferers in Ungarn. In den ersten neun Monaten 2015 haben wir insgesamt 196.000 Inverter ausgeliefert. Das sind Zahlen, auf die wir sehr stolz sein können.
Welche Märkte sind für Solaredge besonders wichtig?
Unser wichtigster Markt sind die Vereinigten Staaten. Aber wir sind auch in Europa und Australien sehr stark. Generell kann man sagen, dass wir in Europa weiter zulegen, obwohl der Markt insgesamt stagniert oder sogar schrumpft. Aber ich hoffe, dass sich der europäische Markt bald erholen und wieder wachsen wird. Deshalb bauen wir unser europäisches Team weiter aus. Nehmen Sie Großbritannien als Beispiel. Dort reagieren alle unsere Kunden bereits auf die Kürzung der Einspeisevergütungen, indem sie Lösungen für den Eigenverbrauch und Stromspeicher anbieten. Das dafür erforderliche Wissen und die Technologie wurden in Deutschland entwickelt. Nun strömt es in den englischen Markt, teilweise auch schon nach Italien und Frankreich. Andere interessante Märkte in Europa sind die Niederlande, Dänemark, Schweden und Polen.
Solaredge baut DC-Optimierer und Wechselrichter. Läge es nicht nahe, auch Mikrowechselrichter zu entwickeln, um die AC-Umwandlung auch ans Modul zu verlagern?
Auf den ersten Blick erscheint ein solcher Schritt logisch. Aber die Umwandlung des Gleichstroms aus dem Solarfeld in netzkonformen Wechselstrom sowie der Anschluss ans Stromnetz erfordern sehr teure Bauelemente für die Leistungselektronik. Würden wir diese Funktionen in die DC-Optimierer integrieren, würden die Systemkosten dramatisch steigen.
Warum würden die Kosten steigen? Können Sie uns das kurz erläutern?
Man müsste die AC-Umsetzung und den Netzanschluss für jedes einzelne Modul integrieren. Man müsste mit viel höheren Spannungen am Modul arbeiten und braucht elektronische Komponenten, die 400 Volt umsetzen können, inklusive Spulen, Filter und Magnete. Also ist es besser und preisgünstiger, die AC-Umsetzung im Stringinverter zu belassen und am Modul nur die DC-DC-Optimierung einzusetzen. Dann kann man das MPP-Tracking für jedes Modul sehr einfach gestalten, auch Sicherheitsfunktionen wie die Brandabschaltung oder das Monitoring lassen sich auf diese Weise gut integrieren. Wenn unsere Power Optimizer nicht mit dem Wechselrichter verbunden sind, fällt ihre Ausgangsspannung auf ein Volt ab. So ist es sehr einfach, herauszufinden, wie viele Module in einem String verschaltet sind. 24 Module bedeuten 24 Volt Leerlaufspannung.
Also bleibt es bei den getrennten Systemen aus DC-Optimierern und Stringwechselrichtern?
Genau. Für unsere Kunden geht es in erster Linie um die Systemkosten und die Kosten für jede einzelne Kilowattstunde, also um die Levelized Cost of Energy (LCOE). Das gilt zuallererst für kommerzielle oder industrielle Installationen. Unsere DC-Optimierer haben einen Wirkungsgrad von 99 Prozent. Nur ein Prozent der Energieausbeute aus den Modulen wird in Abwärme umgesetzt. Mit Mikroinvertern erreicht man zurzeit rund 96,5 Prozent Wirkungsgrad. Die Wärmebelastung der Platinen wäre demnach 3,5-fach höher. Viele Solarmodule werden auf Dächern montiert. Dort ist es fast unmöglich, die Abwärme wegzuführen, weil die Module an sich auch sehr warm werden. Es ist viel einfacher, den Stringwechselrichter an einem schattigen Ort zu installieren, um die Abwärme abzuleiten.
Sie erwähnten LCOE, die Kosten für jede Kilowattstunde aus Sonnenkraft. Wie werden diese Kosten durch die Systemkonfiguration beeinflusst?
Unsere DC-Optimierer setzen die Modulspannung in eine Standardspannung um. Das MPP-Tracking ist integriert. Man kann also die Modulstrings sehr einfach planen und montieren. Der Planer ist völlig unabhängig von Problemen mit Mismatch oder Stringlängen, weil alle DC-Optimierer dieselbe Spannung anbieten. Ein normaler Stringinverter kann 22 oder 23 Module im String steuern. Wir können bis zu 50 Module in einem String vereinen. Zwar arbeiten wir mit 1.000-Volt-Technik, bekommen aber Erträge, als würden wir ein 1.500-Volt-System fahren.
Wie erklären Sie das?
Der Bedarf an DC-Verkabelung ist viel geringer als bei den klassischen Strings. Kupferkabel sind nicht billig. Je größer eine Solaranlage ist, desto mehr verteuern die Kabel die Gestehungskosten des Solarstroms. Wir können den Kabelbedarf um fast die Hälfte reduzieren, ein wichtiger Vorteil bei LCOE.
Was kommt als Nächstes aus Ihren Laboren?
Unsere neue, die mittlerweile vierte Generation von DC-Optimierern wird nur noch einen Asic-Chip beinhalten. Die Platine ist sehr klein, es gibt keine aktiven Bauelemente mehr. Das wird ein großer Fortschritt in der Technologie sein. Die kürzlich angekündigten HD-Wave-Wechselrichter werden die Systemkosten weiter reduzieren. Darin kommen Mosfets für niedrige Spannungen zum Einsatz, die viel geringere Schaltungsverluste als die herkömmlichen IGBT verursachen.
Mit welchen Frequenzen schalten die Mosfets im Unterschied zu den IGBT?
Normalerweise schalten die IGBT mit 16 bis 20 Kilohertz, die Mosfets mit mehreren Hundert Kilohertz. Aus diesem Grunde ist die Sinuskurve am Ausgang der Leistungsstufe fast ideal. Wir brauchen kleinere Spulen, um die Ströme für das Stromnetz zu glätten. Die Leistungsdichte der Wechselrichter steigt, auch können wir sie viel kleiner bauen. Ein HD-Wave-Inverter für sechs Kilowatt wiegt nur 9,5 Kilogramm. Für uns ist die Strategie klar: Wir erobern die Märkte mit Innovationen und werthaltiger Technologie. Damit können und dürfen wir nicht aufhören. Nur dann haben wir einen guten Stand gegen den Preisdruck in der Solarindustrie.
Das Gespräch führte Heiko Schwarzburger.
Lior Handelsman
gehörte 2006 zu den Gründern von Solaredge, einem israelischen Anbieter von DC-Optimierern für Solarmodule und von Wechselrichtern für Solargeneratoren. Gegenwärtig ist er Vizepräsident für Marketing und Produktstrategie. Das Unternehmen hat heute weltweit rund 500 Mitarbeiter.