Batteriespeicher in der Photovoltaik werden oft mit 48 Volt DC betrieben. Warum?
Matthias Vetter: Das hat historische Gründe. Früher wurden Batteriesysteme in Kombination mit Photovoltaik ausschließlich in Off-Grid-Anwendungen eingesetzt. In den allermeisten Systemen wollte man nicht, dass die Spannungen 48 Volt (im Nennbetriebspunkt) oder 60 Volt (im vollgeladenen Zustand der Bleibatterien) überschreiten.
Warum wollte man keine höheren Spannungen?
Man konnte nicht genau einschätzen, was die Nutzer mit den Solarakkus machen. Nur mit niedrigen Spannungen können die Systeme hinsichtlich des Berührungsschutzes unbedenklich betrieben werden. Wir am Fraunhofer ISE haben draußen im Feld im Bereich der ländlichen Elektrifizierung schon die unglaublichsten Umbauten und Verkabelungen gesehen. Es kam vor, dass die Nutzer den Laderegler einfach überbrückt und die Kabel für die Verbraucher direkt an die Pole der Batterie geklemmt haben. Mit zwölf Volt, 24 Volt oder 48 Volt war dies seitens des Berührungsschutzes ohne Risiko.
Wir reden nicht über Afrika, sondern über Stromspeicher für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Spielt der Berührungsschutz hier eine Rolle?
Natürlich kaum, denn die Stromspeicher laufen am Stromnetz und werden in der Regel von fachkundigen Installateuren in berührungssichere Gehäuse eingebaut, der Endnutzer kommt nicht auf die Idee, in das System einzugreifen oder das System zu manipulieren. Aber die Technik der Batteriewechselrichter stammt überwiegend noch aus der Off-Grid-Zeit. Sie verfügen über Trafos und bieten nur geringe DC-Spannungen an. Weil sie Trafos verwenden, ist ihr Wirkungsgrad geringer als bei trafolosen Geräten. Später kamen Back-up-Funktionen hinzu.
Zwischen 2012 und 2014 gab es in Deutschland zwei Jahre lang im EEG einen Bonus für den Eigenverbrauch. Kamen die netzgekoppelten Stromspeicher dadurch in die Gänge?
Das war sicherlich die Initialzündung, keine Frage. Mittlerweile wurde der Bonus durch einen Malus ersetzt, die anteilige EEG-Umlage auf den Eigenverbrauch für Anlagen größer zehn Kilowatt. Um schnell am Markt ein Produkt anbieten zu können, wurden die verfügbaren Off-Grid-Batteriewechselrichter auch in On-Grid-Speichern verwendet. Dies sind in der Regel nach wie vor DC-Niedervoltgeräte mit Trafowechselrichter.
Wo doch bei den Stringwechselrichtern der Trend eindeutig zu trafolosen Geräten ging ...
Genau. Die Trafogeräte haben bei Nennlast auch einen ordentlichen Wirkungsgrad, bei Teillast sinkt er jedoch stark ab. Und er sinkt deutlich schneller ab als bei den trafolosen Wechselrichtern. Die meisten Betriebszustände der Batterie treten allerdings im Teillastbereich auf. Deshalb sind die Geräte mit Trafo eigentlich ungünstig.
Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?
Batteriewechselrichter erreichen auch 95 Prozent Wirkungsgrad bei Nennleistung im Lade- und Entladebetrieb, in Teillast sinkt er aber schnell ab, im Mittel muss von Werten um die 90 Prozent ausgegangen werden. Dies ergibt für das Laden und anschließende Entladen einen effektiven Lade- oder Entladewirkungsgrad von 81 Prozent. Eine gute Bleibatterie wird in der Photovoltaik mit einem Wirkungsgrad zwischen 80 und 85 Prozent betrieben. Rechnet man beide Wirkungsgrade zusammen, liegt der Gesamtwirkungsgrad im schlechtesten Fall bei nur 65 Prozent. Das bedeutet: Rund ein Drittel der Energie geht durch die Verluste verloren.
Wie stellt sich diese Rechnung bei den Lithiumspeichern dar?
Ein Lithiumbatteriesystem hat einen Wirkungsgrad von bis zu 95 Prozent, multipliziert mit den beschriebenen effektiven 81 Prozent für den Wechselrichter. Macht knapp 77 Prozent Gesamtwirkungsgrad. Auch in dieser Systemkonfiguration wird also sehr viel Energie weggeworfen.
Welche Alternativen gibt es?
Man kann die Spannungen für die Batteriesysteme anheben. Dann spricht man von Hochvoltbatterien. Es gibt schon die ersten Anbieter am Markt, die den Zwischenkreis des Wechselrichters anzapfen. Bei einphasigen Wechselrichtern lässt sich aus rund 325 Volt DC für die Batterie eine AC-Spannung mit 230 Volt gewinnen. Gegebenenfalls wird ein DC-DC-Steller verwendet, um Batteriesysteme mit niedrigerer Spannung an den Zwischenkreis des Wechselrichters anzuschließen.
Wie werden die Spannungen bei dreiphasigen Systemen genutzt?
Bei dreiphasigen Wechselrichtern, die 400 Volt AC anbieten, kann man am Zwischenkreis rund 600 Volt DC abgreifen. Auch bei Automobilen nutzt man Hochvoltsysteme, mit 350 Volt DC. Bei diesen hohen Spannungen kann auf einen Trafo im Wechselrichter verzichtet werden, und es lassen sich mittlere Wirkungsgrade von bis zu 95 Prozent erreichen.
Liegen die Hochvoltbatterien nicht viel näher am Spannungsniveau der Photovoltaikanlagen als die Batterien mit geringer DC-Spannung? Die meisten Wechselrichter erlauben bis 900 Volt oder darüber.
Bei uns liefern die Solargeneratoren bis zu 1.200 Volt DC aus den Strings. Das kann man mit Hochvoltbatterien besser ausnutzen. Am ISE in Freiburg haben wir eine Blei-Lithium-Hybridbatterie mit 1.000 Volt aufgebaut. Das System nutzt eine Mittelpunkterdung, sodass sich Spannungen von plus und minus 500 Volt ergeben.
Welche Vorteile haben höhere Spannungen in den Batteriesystemen?
Höhere Spannungen bedingen kleinere Zellen, also Zellen mit geringerer Kapazität in Amperestunden, wenn auf zusätzliche DC-DC-Steller verzichtet werden soll. Solche kleinen Rundzellen verhalten sich allerdings anders als großformatige Batteriezellen. DC-DC-Steller vor der Batterie erlauben auf der anderen Seite eine größere Flexibilität aufseiten der Auswahl von großformatigeren Zellen. Das erleichtert die Auswahl der passenden Batterie. Generell haben höhere Spannungen bei gleicher Leistungsanforderung kleinere Ströme zur Folge, somit sinken die Verluste.
Der künftige Einsatz der Batterie dürfte auch eine Rolle spielen: Soll sie vor allem Leistung liefern oder eher Energie vorhalten?
Das Lithium-Ionen-Subsystem der Hybridbatterie, die wir am ISE entwickelt haben, besitzt nur 11,55 Kilowattstunden. Die Systemspannung liegt bei 1.000 Volt.
Welche Leistung bietet sie an?
Kurzzeitig kann sie 46 Kilowatt Leistung aufbringen bei vier C. Sechs C sind für 30 Sekunden möglich. Um ohne DC-DC-Steller auszukommen, mussten dafür bezüglich der Kapazität kleine Zellen verwendet werden. Der Lithiumteil des Hybridspeichers war von Anfang an als Leistungsbatterie ausgelegt, das Blei-Subsystem übernahm den Part des Energiespeichers.
Also ist die Auslegung der Batterien nicht trivial?
Überhaupt nicht. Einige Hersteller bieten beispielsweise kleine Rundzellen an. Andere Batteriehersteller setzen lieber großformatige Lithiumzellen ein. Am Ende muss das Gesamtsystem effektiv sein. Zellformate, Spannungslagen und die Leistungselektronik sowie das Zusammenspiel zwischen Batteriemanagement und Energiemanagement müssen passen, um einen hohen Gesamtwirkungsgrad zu vertretbaren Kosten bei hohen Lebensdauern zu erreichen.
Welcher Trend zeichnet sich hier Ihrer Meinung nach ab?
Die logische Schlussfolgerung sind Batteriewechselrichter ohne Trafo und mit höheren Spannungen am Eingang. Denn die eingehausten Batterien erlauben keine unbefugten Eingriffe mehr. Deshalb ist das Problem des Berührungsschutzes nicht mehr so drängend, auch beugt ein intelligentes Batteriemanagement einer Vollentladung vor.
Wird sich die Einbindung der Batterie in den DC-Kreis durchsetzen? Oder macht die Integration ins AC-System das Rennen?
Ein Hersteller beispielsweise integriert die Batterie auf der DC-Seite des Wechselrichters, direkt in den Solarstring, sie hängt ebenfalls am Solarwechselrichter. Ein zusätzlicher Batteriewechselrichter wird überflüssig. Allerdings werden dafür zwei DC-Steller gebraucht – ein Tiefsetzsteller für die Batterie und ein Hochsetzsteller zum Wechselrichter. Die Batterie wird nach der AC-Ausgangsleistung des Wechselrichters geregelt.
Geht es nur auf diese Weise?
Andere Hersteller koppeln das Batteriesystem an den DC-Zwischenkreis eines Wechselrichters, der separate Eingänge für PV und Batterie besitzt. Ich denke, dass AC-gekoppelte Systeme mit hocheffizienten Batteriewechselrichtern vor allem in der Nachrüstung eine Rolle spielen, man kann sie wie effiziente Stringwechselrichter nachträglich einbauen. Die AC-Kopplung ist vor allem bei größeren Leistungen flexibler in der Nachrüstung, denn sie erlaubt auch den Stromnetzbezug für Speicher ohne eigene lokale Photovoltaik. Aus dem Bauch heraus würde ich sagen, dass sich DC-gekoppelte Systeme eher für kleinere Batterien anbieten.
Das Gespräch führte Heiko Schwarzburger.
Dr. Matthias Vetter
leitet die Abteilung für photovoltaische Inselanlagen und Batteriesystemtechnik im Fachbereich Elektrische Energiesysteme am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg im Breisgau. Er blickt auf langjährige Expertise in der Leistungselektronik und für Batteriesysteme zurück.